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Herr Rollinger, die R+V Versicherung hat 2023 unter dem Strich 933 Millionen Euro vor Steuern verdient. Wie lautet Ihr Fazit zum vergangenen Geschäftsjahr?

Norbert Rollinger: Wir sind sehr zufrieden. Trotz widriger Rahmenbedingungen haben wir das Geschäftsjahr 2023 unter dem Strich mit einem sehr guten Ergebnis abgeschlossen. Wie die gesamte Versicherungswirtschaft hatten wir es auch weiterhin mit einem herausfordernden Umfeld zu tun. Krisen, Krieg und eine hohe Inflation belasten und verunsichern die Menschen und Unternehmen. Das macht auch uns in verschiedener Hinsicht zu schaffen: Die Menschen haben weniger Geld für wichtige Vorsorge übrig, die hohen Preise verteuern auf der anderen Seite unsere Produkte, weil die Kosten etwa für Reparaturen und Ersatzteile steigen. Trotzdem ist es uns gelungen, auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Die Beitragseinnahmen der R+V Gruppe kletterten 2023 um 1,5 Prozent auf 19,8 Milliarden Euro. Auch das hat zum guten Ergebnis 2023 beigetragen. Darauf sind wir sehr stolz. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war natürlich auch wieder unsere hervorragende Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern in den Volksbanken und Raiffeisenbanken.

„Unsere Gesundheitsversicherung ist seit Jahren ein Wachstumsgarant. Hier sind wir im vergangenen Jahr erneut besser als der Markt gewachsen.“

Welche Segmente haben sich besonders gut entwickelt?

Rollinger: Positiv hat sich das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft entwickelt. Außerdem ist unsere Gesundheitsversicherung seit Jahren ein Wachstumsgarant. Hier sind wir im vergangenen Jahr erneut besser als der Markt gewachsen. Besonders unsere Lösungen in der betrieblichen Gesundheitsversicherung und in der Beihilfe kommen gut an. Einen schweren Stand in der gesamten Branche hat weiterhin die Lebensversicherung. Trotz eines großen Bedarfs in der Bevölkerung an zusätzlicher privater und betrieblicher Altersvorsorge sind insbesondere die Einmalbeiträge rückläufig. Sehr erfreulich ist, dass sich die laufenden Beiträge wieder positiv entwickelt haben. Wachstumsimpulse bietet insbesondere unser Erfolgsprodukt Safe+Smart. Dieses verbindet flexibel Renditechancen und Sicherheit. Das kommt bei den Kundinnen und Kunden an. Hier hoffen wir auch im laufenden Jahr weiter zu wachsen. Dringende Signale zur Stärkung der privaten Altersvorsorge braucht es seitens der Politik. Die gesetzliche Rente reicht bekanntermaßen nicht aus, um Versorgungslücken zu schließen und die Menschen vor Altersarmut zu schützen. Der Bedarf an zusätzlicher privater und auch betrieblicher Altersvorsorge ist daher in der Bevölkerung weiter ungebrochen hoch. Die Versicherungswirtschaft sorgt hier für lebenslange Rentenleistungen und damit für finanzielle Sicherheit im Alter. Hier bieten sich auch in den Banken gute Beratungsansätze.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Rollinger: Die Zusammenarbeit entwickelt sich weiter sehr positiv. Sowohl mit den Primärinstituten, dem Genossenschaftsverband Bayern als auch mit den Verbundunternehmen pflegen wir sehr enge und gute Kontakte. Als Kompetenzzentrum für Absichern, Vorsorge und Gesundheit in der Genossenschaftsorganisation sind wir bestrebt, uns im Bereich Personal, Produkte, Prozesse, omnikanales Kundenerlebnis genau auf die Bedürfnisse der Primärbanken auszurichten. Das gemeinsame Ziel:  weitere Kunden zu gewinnen, diese zu begeistern, Prozesse effektiver und effizienter zu gestalten und so die Erträge für die Genossenschaftsbanken weiter auszubauen. Ein Beispiel hierfür sind unsere erfolgreichen Produktlinien im Bereich Mitgliedergeschäft, wo wir den Mitgliedern von Volks- und Raiffeisenbanken von der Autoversicherung, über Hausrat, Haftpflicht, Rechtschutz, Wohngebäude bis hin zur Krankenzusatz- und gesetzlichen Krankenversicherung besondere Beitrags- und Leistungsvorteile einräumen.

„Für das Jahr 2024 haben wir uns vorgenommen, 45 Spezialisten für das Firmenkundengeschäft in Bayern neu einzustellen und 45 neue Nachwuchskräfte in Form von Auszubildenden und Studenten zu gewinnen.“

Wo sehen Sie künftig Ertragspotenziale?

Rollinger: Weiter wachsen wollen wir beispielsweise im fondsgebundenen Rentenversicherungsgeschäft. Hier gibt es eine abgestimmte Wachstumsstrategie mit Union Investment, um die Vorteile im Verbund zu nutzen und gemeinsam das Geschäft von heute 400 Millionen Euro in den nächsten Jahren auf rund 1,1 Milliarde Euro auszubauen. Großes Potenzial sehen wir insgesamt im Bereich Vorsorge- und Absicherungsgeschäft, etwa bei lebenslangen Renten oder bei der Absicherung von Todesfällen, Unfällen oder Krankheit. Hierzu bieten wir auch individuelle Entwicklungspläne an. Darüber hinaus peilen wir auch den weiteren Ausbau der Kompositversicherungsbestände an, um damit zu einer Verstetigung der Erträge in Form von attraktiven Bestandspflegevergütungen beizutragen. Für das Jahr 2024 haben wir uns vorgenommen, 45 Spezialisten für das Firmenkundengeschäft in Bayern neu einzustellen und 45 neue Nachwuchskräfte in Form von Auszubildenden und Studenten zu gewinnen. Im Bereich omnikanale Marktbearbeitung haben wir 2023 bereits 28 Banken an unsere Direktberatung angebunden. Unser Ziel ist, eine weitere Anbindung von mindestens 50 Häusern im Jahr 2024 zu erreichen. Dies zahlt gerade auf das Segment Servicekunden enorm ein.
 

Die R+V Versicherung hat die Signa Gruppe, die mittlerweile Insolvenz anmelden musste, mit einem dreistelligen Millionenbetrag finanziert. Ein Großteil davon ist verloren. Man bedauere das Investment, haben Sie selbstkritisch auf der Pressekonferenz betont. Welche Lehren ziehen Sie aus dem Fall Signa?

Rollinger: Wir bedauern, dass wir mit unserem Signa-Investment auch bei einigen Vertriebspartnern und Kundinnen und Kunden für Verunsicherung gesorgt haben. Wir haben aber daraus gelernt. So schärfen wir unsere Risikoparameter in der Kapitalanlage weiter, um so etwas in Zukunft zu vermeiden. Trotz Signa hat die R+V für 2023 eines der besten Ergebnisse ihrer Geschichte eingefahren und im Jahresabschluss 2023 bereits komplett verarbeitet. Das zeigt, dass die R+V finanziell sehr solide aufgestellt ist. So konnten wir die Gesamtverzinsung 2024 für unsere Lebensversicherungskunden auf bis zu 3,0 Prozent anheben. Darüber hinaus haben wir auch die freie Rückstellung für Beitragsrückerstattungen für künftige Überschussbeteiligungen um mehr als 130 Millionen Euro gestärkt. Das Gesamtvolumen liegt damit aktuell bei mehr als einer Milliarde Euro. Das ist ein weiterer Beleg für unsere insgesamt erfolgreiche, breit gestreute Kapitalanlage. Auch die Kapitalstärke des R+V Konzerns nahm im Jahr 2023 weiter zu. Die R+V gehört seit Jahren zu den finanzstärksten deutschen Versicherungsunternehmen.

Bei der letztjährigen Pressekonferenz haben Sie angekündigt, einen „hohen dreistelligen Millionenbetrag“ in die Zukunftsfähigkeit der R+V zu investieren. Worum geht es konkret?

Rollinger: Ein zentraler Aspekt zur Sicherung unserer Zukunftsfähigkeit ist die weitere Digitalisierung. Dies betrifft das gesamte Unternehmen und ist auf viele Jahre angelegt. Damit schaffen wir die Grundlagen, um zukünftig schnell gute Produkte und Services für die Kundinnen und Kunden sowie unsere Vertriebspartner an die Rampe zu stellen sowie auch Prozesse kundenzentrierter zu gestalten. Dazu stellen wir unsere IT in der Lebensversicherung und in der Schaden-/Unfallversicherung komplett neu auf. In der Lebensversicherung setzt die R+V auf eine flexible, effiziente und modular aufgebaute Standardsoftware. Für das Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft entsteht eine von Grund auf neue Business-Plattform. Außerdem forciert die R+V ihre Bemühungen, den Vertrieb konsequent auf Omnikanal auszurichten, um den Kundinnen und Kunden ein optimales Zusammenspiel aus persönlichen und digitalen Zugangswegen zu bieten. Dabei investieren wir auch langfristig sowohl in den quantitativen Ausbau unseres Außendiensts in den Banken als auch in deren Qualifikation.

„Die Bankberater können ebenfalls von neuen Beratungstools und der Integration erster Abschlussstrecken in ihren Bankarbeitsplatz profitieren.“

Wie profitieren R+V und Primärbanken konkret durch die Investition?

Rollinger: Mit unserer Omnikanalstrategie stärken wir auch die Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern, insbesondere den Genossenschaftsbanken vor Ort. Elementarer Teil der Omnikanalstrategie im Vertrieb ist das CRM-System „emma“ für das Kundenbeziehungsmanagement, das mit seiner 360-Grad-Kundensicht bereits erfolgreich läuft und sukzessive ausgebaut wird. Die Relevanz einer optimalen digitalen Kundenansprache steigt. Den Millionen Bankkunden stehen neben Produktabschlusstrecken auch einfache Vertragsverwaltungsfunktionen, ein elektronisches Postfach und Beratungstools in ihrem Online-Banking zur Verfügung. Die Bankberater können ebenfalls von neuen Beratungstools und der Integration erster Abschlussstrecken in ihren Bankarbeitsplatz profitieren.

„Wir integrieren uns in die Service Center der Banken und unterstützen vor Ort beim Aufbau des Online-Vertriebs auf den Bank-Webseiten.“

Eines Ihrer aktuellen Ziele ist es, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Dazu möchten Sie die Kundenkontakte von derzeit durchschnittlich einem Kontakt pro Jahr auf vier Kontakte im Jahr erhöhen. Wie kann das in Zeiten des Arbeitskräftemangels gelingen und welche Rolle spielen dabei die Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Rollinger: Aus Marktforschungen wissen wir, dass eine höhere Kontaktfrequenz und -qualität die Zufriedenheit unserer Kunden erhöht. Allein über unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lässt sich die Frequenz jedoch nicht auf die angestrebten vier Kontakte erhöhen. Dies gelingt nur über ein effektives omnikanales Zusammenspiel aller Vertriebswege, also über die Genossenschaftsbanken und Generalagenten, sowie die Kanäle „persönlich“, „digital“ und „Telefon“. Auch die vorhandenen Kontaktpunkte – neben dem Außendienst ist das unter anderem die Direktberatung/Telefonie-Einheit und der Digitalvertrieb – müssen wir optimal nutzen. Ein gut gemachtes Mailing mit Interaktionsmöglichkeit kann ebenfalls ein qualifizierter Kontakt sein. Letztlich messen wir das am Kunden. Die Volks- und Raiffeisenbanken haben eine ähnliche Herausforderung: Mehr als die Hälfte der Kunden sind Servicekunden, die kaum bis keinen persönlichen Kontakt haben. Auch hier unterstützen wir mit unserer Digitalvertriebs- und Direktberatungseinheit. Dazu integrieren wir uns in die Service Center der Banken und unterstützen vor Ort beim Aufbau des Online-Vertriebs auf den Bank-Webseiten.

Welche neuen Leistungen und Angebote wird die R+V den genossenschaftlichen Primärinstituten dieses Jahr zur Verfügung stellen?

Rollinger: Wir bauen insbesondere die datenbasierte Zusammenarbeit weiter aus – und damit das Herzstück der omnikanalen Strategie und Zusammenarbeit im Verbund. Dabei geht es unter anderem um die gemeinsame Nutzung der Dialogeinwilligung, um viel enger mit den Kundinnen und Kunden in der genossenschaftlichen FinanzGruppe in Kontakt zu treten. Darüber hinaus beginnen wir, unser CRM-System „emma“ an den Impulsmanager der Banken anzuschließen. Der Impulsmanager ist ein Tool zur Vertriebssteuerung in der Bank. Ziel ist es, den Kunden mit dem passenden Thema zum richtigen Zeitpunkt über den Vertriebsweg seiner Wahl anzusprechen. Und wir unterstützen die Kundeninteraktion in den Banken via Direktberatung und Digitalvertrieb. Außerdem laufen regelmäßig gemeinsame Vermarktungsaktionen – zuletzt unter anderem der Cashback-Day zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken.

„Eine Pflichtversicherung gegen Elementargefahren allein löst das Problem nicht.“

Lassen Sie uns abschließend zwei politische Themen besprechen. Aufgrund der jüngsten Extremwettereignisse ist das Thema Pflichtversicherung gegen Elementarschäden in der Diskussion. Sie lehnen die Pläne ab. Warum?

Rollinger: Oberstes Ziel ist eine möglichst flächendeckende Absicherung der Bürgerinnen und Bürger gegen Elementargefahren, die bezahlbar bleiben muss. Eine Pflichtversicherung allein löst das Problem nicht. Sie schafft keinen Anreiz für Vorsorgemaßnahmen. Dabei ist gerade bei Naturgefahren die Prävention ganz wichtig. Wir dürfen nicht zulassen, dass marode Deiche weiter verfallen, jedes Jahr neue Häuser in Überschwemmungsgebieten genehmigt werden und weiter so gebaut wird, als ob es den Klimawandel nicht gäbe. Wenn wir hier nichts ändern, werden die Schäden immer größer und häufiger und die Prämien für die Wohngebäudeversicherung steigen stetig weiter. Zudem setzt der Gedanke einer Pflichtversicherung zu spät an. Die Leute wollen ihr Haus nicht überfluten lassen, um es anschließend neu aufzubauen. Und sie wollen auch nicht für fehlende Investitionen und eine fehlende Anpassung an die Klimafolgen zur Kasse gebeten werden.

Was ist Ihr Gegenvorschlag?

Rollinger: Der beste Schutz vor Naturkatastrophen ist die Vermeidung der Katastrophe – und nicht deren Versicherung. Wir brauchen ein umfassendes Konzept aus Hochwasserschutzmaßnahmen, Frühwarnsystemen, risikogerechten Bebauungsplänen und Versicherungsschutz. Dafür ist eine gemeinsame Initiative von Staat, Bürgern und Versicherern zentral. Aber natürlich ist es auch wichtig, dass möglichst viele Menschen gegen die Folgen von Naturgefahren versichert sind. Deshalb ist bei der R+V schon seit Jahren das Opt-Out-Modell Standard in der Wohngebäudeversicherung. Das bedeutet: Der Versicherte muss den Schutz vor Naturgefahren bewusst abwählen, wenn er ihn nicht möchte. Entsprechend hoch ist bei uns der Anteil der Kundinnen und Kunden, die diesen Schutz eingeschlossen haben: Im Bestand sind es 70 Prozent, im Neugeschäft sogar annähernd 80 Prozent. Zum Vergleich: Der branchenweite Durchschnitt liegt bei rund 50 Prozent.

„Das Rentenpaket macht hoffentlich den Weg frei für notwendige Reformen der geförderten betrieblichen und privaten Altersvorsorge.“

Die Bundesregierung hat jüngst ein Rentenpaket auf den Weg gebracht. Bei einer Podiumsdiskussion haben Sie die jungen Menschen aufgerufen, dagegen zu demonstrieren. Was sind Ihre Kritikpunkte am Rentenpaket?

Rollinger: Zwischen den Mehrausgaben durch die Festschreibung des Rentenniveaus und der Gegenfinanzierung durch das Generationenkapital besteht bereits heute laut Gesetzentwurf eine deutliche Lücke. Das Risiko ist also groß, dass dies künftige Beitragszahlerinnen und Beitragszahler überfordern wird. Sie verschiebt außerdem die zuletzt gleichmäßige Verteilung der demografischen Lasten zwischen den Generationen. Ein Rentenniveau von 48 Prozent wird zudem nicht ausreichen, um die Rentenlücken für ein gutes Leben im Alter zu schließen und ist damit eher eine Vorsorge-Illusion. Es bleibt daher unverändert wichtig, die Verbreitung von privater und betrieblicher Altersvorsorge zügig voranzubringen und die vorgedachten Reformen zeitnah anzugehen. Wir haben festgestellt, dass gerade die jungen Leute merken, dass die private Vorsorge ein wichtiges Thema ist. Insofern baue ich darauf, dass die junge Generation auch bereit ist, zusätzliche Vorsorge zu betreiben.

Was braucht es, damit die Rente langfristig finanzierbar bleibt und welche Rolle können Versicherungen spielen, damit die Menschen im Alter genug Geld haben?

Rollinger: Es ist gut, dass es nun mit der Gesetzgebung im Bereich der Alterssicherung endlich losgeht. Das Rentenpaket macht hoffentlich den Weg frei für notwendige Reformen der geförderten betrieblichen und privaten Altersvorsorge. Aufgrund der demografischen Entwicklung sind Reformen in der gesamten Alterssicherung überfällig. Aber der Wert lebenslanger Renten wird in der Diskussion unterschätzt. Die lebenslange, monatliche Rente muss der Kern von Altersvorsorge bleiben und ist die einzige Antwort auf lebenslange Ausgaben. Hier hat die Versicherungswirtschaft eine einzigartige Kompetenz.


Herr Rollinger, vielen Dank für das Interview!

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