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Herr Oehm, bevor Sie mit dem Bau Ihrer neuen Kelterstation in Repperndorf loslegen können, haben Archäologen das Areal untersucht. Was haben die Fachleute ausgegraben?

Andreas Oehm: Die ältesten Befunde reichen in das Mittelneolithikum zurück, also in die Jahre 4900 bis 4300 vor Christus. Die Siedlungsreste jener Zeit umfassen zum Beispiel Vorratsgruben und schlitzförmige Gruben, die bis zu 1,80 Meter in den Boden reichten. In diesen Gruben haben die Menschen damals vermutlich ihre Felle gegerbt. In einem Grab wurde ein vollständiges und sehr gut erhaltenes Skelett aus dieser Zeit gefunden – eine kleine Sensation. Die Archäologen schätzen das Alter der Knochen auf 6.500 Jahre. In dem Grab lagen auch ein Steinbeil, Tonscherben und Samen. Wahrscheinlich waren das die ersten Menschen, die in unserer Region Siedlungen gegründet und Landwirtschaft betrieben haben – sie waren also keine reinen Jäger und Sammler mehr. Insgesamt belegen die Funde eine wiederholte Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung der Region über einen langen Zeitraum hinweg.


Was haben die Archäologen noch gefunden?

Oehm: Zwei weitere Bestattungen stammen aus der sogenannten schnurkeramischen Kultur aus der Zeit von 2800 bis 2350 vor Christus. Darunter befand sich ein 10- bis 14-jähriger Junge, dem man zwei Keramikgefäße mit ins Grab gelegt hatte. Die jüngsten archäologischen Befunde sind immer noch 3000 Jahre alt. Sie datieren in die Urnenfelder Kultur der späten Bronzezeit von etwa 1300 bis 800 vor Christus und bestehen aus Vorratsgruben, die mit Siedlungsabfällen verfüllt waren. Diese Siedlungsabfälle bilden den Großteil des geborgenen Fundmaterials aller vorgeschichtlichen Befunde auf dem Gelände der Winzergemeinschaft Franken. Sie bestehen hauptsächlich aus Keramikscherben, teils auch aus Speiseresten wie Tierknochen oder Flussmuscheln.

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Gut verpackt: Die Bergung des 6.500 Jahre alten Skeletts auf dem Grundstück der GWF im Zeitraffer.

Wie kam es überhaupt zu den archäologischen Funden?

Oehm: Im Zuge der Planung unserer neuen Kelterstation haben wir alle Behörden und Fachstellen, die mit dem Projekt in Berührung kommen könnten, einen Tag lang eingeladen und ihnen das Konzept vorgestellt. Am nächsten Tag haben wir vom Landratsamt Kitzingen gleich eine Liste erhalten, worauf wir zu achten haben. Weil sich das Grundstück im Bereich bekannter Bodendenkmäler befindet, war schnell klar, dass wir um eine archäologische Sondierung nicht herumkommen. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Zu erwarten waren demnach Siedlungsreste aus mehreren vorgeschichtlichen Epochen des 5. bis 4. Jahrtausends vor Christus. Für die fachgerechte archäologische Untersuchung des Areals haben wir eine Fachfirma aus Schwarzach am Main beauftragt.
 

Wie ist die Firma vorgegangen?

Oehm: Zunächst galt es, die Lage und Ausdehnung des vorgeschichtlichen Bodendenkmals zu ermitteln. Dafür wurden im November 2018 mehrere Sondierungsstreifen angelegt, auf denen in einer Breite von vier Metern Zentimeter für Zentimeter der Humus abgetragen wurde – bis in eine Tiefe von etwa 60 Zentimetern. Da über die gesamte Länge der künftigen Kelterstation archäologische Befunde auftauchten, musste der Oberboden schließlich auf der kompletten Fläche geräumt werden. Dabei kamen mehrere standardisierte und moderne Methoden zum Einsatz. Die Funde wurden zur Dokumentation fotografiert, gezeichnet und beschrieben. Deren Lage wurde mit dem Satellitennavigationssystem GPS vermessen. Komplexe Funde wurden außerdem mit einem 3D-Laser gescannt und so deren Struktur räumlich erfasst. Ziel der archäologischen Feldarbeit ist neben der vollständigen detaillierten Information auch die Möglichkeit, die Ergebnisse so aufzuarbeiten, dass sie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Insgesamt haben die Archäologen gut 1.200 Stunden auf unserem Gelände verbracht.
 

Eine stolze Zahl. Wie hoch ist die Rechnung für die Ausgrabungen?

Oehm: Die liegt bei insgesamt knapp über 100.000 Euro. Das tut uns zwar weh, aber bei Bauvorhaben muss man immer mit unkalkulierten Kosten rechnen. Insgesamt investieren wir rund 14 Millionen Euro in den Neubau. Den Bagger und das Fuhrunternehmen, die den Mutterboden abgetragen haben, hätten wir ohnehin bezahlen müssen, letztendlich ist nur die Arbeit der Archäologen hinzugekommen. Immerhin ist das Baufeld jetzt sauber geräumt und wir können mit den Arbeiten starten.

So wird die neue Kelterstation der GWF in Repperndorf aussehen.
Auf dieser Fläche soll die neue Kelterstation entstehen. Zurerst sondierten die Archäologen den Boden in Streifen. Als klar war, dass zahlreiche Funde zu erwarten sind, wurde das gesamte Grundstück archäologisch untersucht.
Zu den Funden gehörte unter anderem dieses Steinbeil aus der mittelneolithischen Zeit (4900 bis 4300 vor Christus)…
… genauso wie diese Flussmuschel aus dem Main. Sie lag in einer Abfallgrube und stand wohl auf dem Speiseplan der Steinzeitmenschen.
Profilschnitt einer Schlitzgrube. Dort gerbten die Steinzeitmenschen wahrscheinlich ihre Felle.
Als kleine Sensation ist der Fund dieses vollständigen und gut erhaltenen Skeletts zu werten, das die Archäologen auf 6.500 Jahre schätzen. Die Knochen lagen in nur 80 Zentimeter Tiefe auf der Fläche in Repperndorf.

Haben Sie Umfang und Qualität der Funde überrascht?

Oehm: Das vollständige Skelett war auf jeden Fall eine Überraschung – die Archäologen waren beinahe euphorisch. Solche Funde sind sehr selten. Wenn man bedenkt, dass die Knochen rund 6.500 Jahre lang in nur 60 bis 80 Zentimeter Tiefe gelegen haben und trotzdem so gut erhalten sind, dann ist das schon beeindruckend. Schließlich wurde die Ausgrabungsfläche zuvor intensiv landwirtschaftlich genutzt. Wenn man als Laie erstmal nur Schwarzfärbungen im Boden sieht, kann man damit noch nicht so viel anfangen. Die Archäologen wissen hingegen sofort, dass solche Stellen in der Regel auf Funde hindeuten.

„Es nötigt Respekt vor unseren Vorfahren ab, wenn man auf so einem geschichtsträchtigen Grund baut.“

Welche Bedeutung haben die Funde für die GWF?

Oehm: Wir feiern dieses Jahr 60 Jahre Winzergemeinschaft Franken. Unsere Gründer hatten sich vorgenommen, an unserem Standort in Repperndorf das Zentrum des Frankenweins zu etablieren. Nun belegen die archäologischen Funde, dass dieser Standort schon vor 6.500 Jahren ein strategisch wichtiger Punkt war. Der Boden ist gut, die Menschen hatten oben auf dem Berg eine gute Übersicht, aber trotzdem war es nicht weit zum Main. Also war auch der Zugang zu Wasser gesichert. Das bestätigt in gewisser Hinsicht die Entscheidung unserer Gründer für den Standort Repperndorf. Auf jeden Fall nötigt es einem Respekt vor unseren Vorfahren ab, wenn man auf so einem geschichtsträchtigen Grund baut. Wir gehen das Vorhaben jetzt mit einem ganz anderen Bewusststein für die historischen Zusammenhänge in unserer Region an. Mal sehen, wie sich die Funde mit der Geschichte unserer Genossenschaft verknüpfen lassen. Auf jeden Fall werden wir sie in unserer Chronik erwähnen.


Haben Sie schon darüber nachgedacht, die Funde zu präsentieren?

Oehm: Da kann man sicher ein bisschen was drumherum machen. Das Skelett wird erst einmal im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München untersucht. Dann müssen wir überlegen, ob und wie wir eine Auswahl Funde in einer Ausstellung präsentieren. Dabei geht es ja nicht nur um das Skelett, sondern auch um Scherben mit sehr aufwendigen Verzierungen oder um Muscheln aus dem Main, die ebenfalls bei den Grabungen gefunden worden sind. Manche Scherben weisen Ornamente auf, die von den Menschen damals wahrscheinlich mit den Fingernägeln in den Ton gekratzt wurden. Da waren auch die Archäologen sehr angetan.


Wirken sich die Funde auf die Baustelle aus?

Oehm: Nein. Alle Funde wurden millimetergenau kartiert und geborgen. Nun ist die Baufläche vollständig geräumt und wir können loslegen. Da hat uns der milde Winter in Unterfranken in die Karten gespielt. Weil wir keinen Frost oder Schnee hatten, konnten die Archäologen die ganze Zeit durcharbeiten. Regen macht dem Grabungsteam nichts aus, da sind die hartgesotten. Wenn es mal schlimmer wurde, dann haben sie ein Zelt aufgestellt und weitergearbeitet. Dadurch ist unser Zeitplan für die neue Kelterstation nicht in Gefahr geraten, das war für uns das wichtigste.


Wann wollen Sie die ersten Trauben in der neuen Kelterei erfassen?

Oehm: Im Herbst 2020 soll es losgehen. In der ersten Ausbaustufe wollen wir die Trauben von 750 Hektar Fläche in Repperndorf keltern. In der zweiten Ausbaustufe ab 2025 kommen dann noch einmal rund 500 Hektar dazu. Dann werden wir die Trauben all unserer Winzer in der neuen Station zentral erfassen. Nach der vollen Inbetriebnahme können wir an Spitzentagen in zwei Schichten und mit 14 neuen Pressen die Trauben von rund 150 Hektar Rebfläche verarbeiten. Dabei ist die neue Kelterstation so geplant, dass wir die Schwerkraft nutzen und ein Pumpen der Maische nicht mehr nötig sein wird. Dieses Verfahren und die kurzen Wege der Trauben in den Keller werden unseren Weinen einen weiteren Qualitätssprung bringen. Die Mengen sind jedoch eine logistische Herausforderung. Da muss alles perfekt zusammenlaufen. Bei über 1.200 aktiven Winzern und 9.000 Flurstücken brauchen wir deshalb eine wohldurchdachte Logistik und eine ausgeklügelte Leseplanung, damit beim Keltern kein Chaos ausbricht. Deshalb ist auch der Zeitplan für den Bau der neuen Kelterstation ambitioniert, denn wir müssen bis zur Inbetriebnahme in der Lage sein, diese Traubenmengen zu verarbeiten. Außerdem ist das neue Gebäude mit einer Grundfläche von rund 4.800 Quadratmetern nicht gerade klein. Dazu kommen die Verkehrsflächen. Das ist schon eine Hausnummer für uns.
 

Herr Oehm, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für den Neubau!

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