Veränderung: Wie können ländliche Genossenschaften vom Strukturwandel in der Landwirtschaft profitieren? Ein Interview mit DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp
Darf man mit einem Geistlichen über den Geschmack von Messwein sprechen? Natürlich, sagt der Pfarrer der Gemeinden St. Eucherius Sommerach und St. Laurentius Nordheim, Pater Philippus Eichenmüller. „Jeder Priester hat seine eigenen Vorlieben. Meistens nehme ich einen Wein, der nicht ganz so trocken ist.“
Den Messwein bezieht Pater Philippus von der unterfränkischen Genossenschaft Winzer Sommerach. Die Pfarrei ist der Genossenschaft eng verbunden. „Schon 1901 bei der Gründung war der Pfarrer dabei“, berichtet Eichenmüller. Die Genossenschaft ist seit über 40 Jahren für den Verkauf von Messwein zertifiziert. „Eine Verordnung der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1976 legt genau fest, welcher vergorene Rebensaft als Messwein erlaubt ist“, berichtet Frank Dietrich, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Sommeracher Genossenschaft.
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Die Lizenz, Messwein liefern zu dürfen, gilt immer für fünf Jahre. Für die Sommeracher Genossenschaft ist das Bistum Würzburg zuständig. In der Urkunde der Diözese von 1976 heißt es: „(Die) Winzergenossenschaft Sommerach ist als verpflichtete Messweinlieferantin für die Diözese Würzburg zugelassen. Sie hat sich verpflichtet, die im Würzburger Diözesanblatt Nr. 5 vom 1. März 1976 veröffentlichte Verordnung über den Gebrauch von Wein bei der Eucharistiefeier (Messwein) sorgfältig zu erfüllen.“
Erlaubt sind nur Qualitätsweine und Qualitätsweine mit Prädikat. Beide unterliegen einer amtlichen Prüfung, bevor sie in den Handel kommen, und müssen eine amtliche Prüfungsnummer tragen. Zudem schreibt die Kirchenverordnung detailliert vor, welche Zusatzstoffe in welcher Höhe dem Messwein beigegeben werden dürfen. In den Anmerkungen unterstreichen die Bischöfe die Bedeutung des Themas: „Es geht der Katholischen Kirche bei der Frage des Messweines um eine wichtige Sache. Handelt es sich doch um die Bereitstellung und Sicherung einer der beiden Materien für die Eucharistiefeier.“
Kirche bevorzugt naturbelassene Weine
Tafelweine sind nicht als Messwein zugelassen: „(…) Glaube, Ehrfurcht und Liturgieverständnis (gebieten), dass bei der Feier des hl. Opfers nicht die allerniedrigste Qualitätsgruppe (Tafelweine, Schöppchenweine) verwendet wird“, heißt es in der Verordnung. „Der Kirche war es schon immer wichtig, dass Messweine naturbelassen und rein sind. Weil es bis in die 1960er Jahre auch in Deutschland zweifelhafte Weine gab und 1971 ein neues Weingesetz erlassen wurde, sahen sich die deutschen Bistümer 1976 veranlasst, eine eigene Verordnung zu erlassen“, erklärt Dietrich.
Die Genossenschaft Winzer Sommerach ist dabei über jeden Zweifel erhaben – nicht nur wegen der zahlreichen ausgezeichneten Spitzenweine und wegen des strengen deutschen Weingesetzes. „Jeder gute Weinerzeuger hat seinen eigenen Kodex. Wir legen Wert auf allerhöchste Qualität. Vieles, was die EU im Weinrecht erlauben würde, etwa die Beigabe von Holzspänen zur Aromatisierung des Weins, kommt für uns nie und nimmer in Frage.“
Eigener Aufkleber auf den Flaschen
2014 wurden die Messweinregeln gelockert. Seitdem müssen Weine, die für die Eucharistiefeier bestimmt sind, nicht mehr eigens als „Messwein“ gekennzeichnet werden. Die Sommeracher Genossenschaft war dieser Vorgabe mit einem Aufkleber auf den Flaschen nachgekommen. Außerdem müssen die Kirchen ihren Messwein nicht mehr zwingend von einem autorisierten Winzer beziehen. „Die Zertifizierung behalten wir aber“, betont Dietrich. „Außerdem gilt nach wie vor die Maßgabe, dass nur Qualitäts- und Prädikatsweine verwendet werden dürfen.“
Aus der Not heraus zum Erfolg
Die Genossenschaft Winzer Sommerach ist die kleinste Winzergenossenschaft in Franken. Ihr gehören 90 Familien mit rund 220 Mitgliedern an. Diese bewirtschaften etwa 200 Hektar Weinberge, verteilt auf rund 800 Parzellen. Kellermeister Stefan Gerhard und sein Team keltern daraus neun Linien vom klassischen Silvaner bis zu den Spitzenweinen vom Sommeracher Katzenkopf, insgesamt pro Jahr rund 1,6 Millionen Liter. Die Genossenschaft entstand 1901 aus der Not heraus. Wegen einer Reihe schlechter Jahrgänge und fehlender Vermarktungsmöglichkeiten standen damals 15 Familien vor der Wahl, den Weinbau aufzugeben oder ihr Heil im genossenschaftlichen Zusammenschluss zu suchen. Dieser Mut zahlt sich bis heute aus. Die Winzer arbeiten schon im Weinberg gezielt auf den erwünschten Charakter des späteren Weins hin.
Pater Philippus holt seinen Messwein nach wie vor bei der Sommeracher Genossenschaft. Dem Priester ist jedoch wichtig zu betonen: „Beim heiligen Abendmahl geht es nicht um Genuss, sondern darum, das Geheimnis der Gegenwart Christi zu feiern. Wein und Brot stehen dabei für den Leib Jesu.“
Abgesehen davon sind die Mengen an Messwein, die Pater Philippus für die Eucharistiefeier benötigt, mittlerweile sehr gering geworden. In Sommerach wie in Nordheim findet nur noch an jedem zweiten Wochenende sowie in jeder zweiten Woche an einem Werktag eine heilige Messe mit Abendmahl statt. Zudem wird der Kelch für die Wandlung nur mit wenigen Schlucken Wein gefüllt. „Das ist nicht einmal ein Achtel pro Wandlung. Bei acht Eucharistiefeiern im Monat reichen da wenige kleine Bocksbeutel-Flaschen zu je 0,25 Liter.“
Ein privates Gläschen Messwein ist nicht erlaubt
Sich abends ein Gläschen vom übrigen Messwein zu genehmigen, würde sich der Pater nie erlauben. „Wein, der für das Abendmahl bestimmt ist, darf auch nur zu diesem Anlass getrunken werden“, sagt Eichenmüller. Die Aufbewahrung des übrigen Messweins bis zur nächsten Eucharistiefeier sei kein Problem. „Heute haben die Flaschen einen Schraubverschluss. Darin hält sich der Wein ohne Weiteres über mehrere Tage.“
Für Frank Dietrich ist es ein Anliegen, die Pfarrei weiter mit Messwein zu beliefern. „Für uns ist das eine gute Tradition. Jede Kirche hat ihren eigenen Haus- und Hoflieferanten. Diese enge Verbindung wollen wir weiter pflegen.“ Der Sommeracher Pfarrer sieht das genauso. Ihm ist auch die persönliche Beziehung zu den Winzern wichtig. Dazu lässt er sich auf den örtlichen Weinfesten immer wieder sehen. „Viele Mitglieder der Genossenschaft gehören zur Kirchengemeinde. Daraus ergeben sich ganz ungezwungene Gespräche mit Jung und Alt“, berichtet Pater Philippus.
Ab und an trinkt der Pfarrer auch privat ein Gläschen. „Aber nur in Gesellschaft, nie alleine", betont er. „Wein verbindet. Deshalb kommt es immer auf den richtigen Anlass und die richtige Gelegenheit an.“ Und welchen guten Tropfen bevorzugt er persönlich? Da wird Pater Philippus bei aller Verbundenheit zur Sommeracher Genossenschaft dann doch diplomatisch: „Es gibt so viele gute Winzer bei uns mit so vielen guten Weinen, da fällt mir die Auswahl viel zu schwer.“
Gepfropfte Reben
Die Reblaus ist schuld daran, dass Weinstöcke in Deutschland grundsätzlich auf fremden Wurzeln wachsen müssen. Das Insekt wurde in den 1860er Jahren aus Amerika nach Frankreich eingeschleppt und breitete sich von dort rasch in ganz Europa aus. In der Folge verwüstete es ganze Weinbaugebiete. Die Verwandte der Blattlaus befällt Wurzeln und Blätter der Weinstöcke und saugt dort die Pflanzensäfte aus den Leitbahnen. Doch die Winzer wissen sich zu helfen. „Die Reblaus befällt europäische Stöcke nur an der Wurzel, amerikanische Stöcke dagegen nur am Blatt“, erklärt Frank Dietrich, Geschäftsführer der Genossenschaft Winzer Sommerach. „Also tricksen wir sie aus, indem wir europäische Rebsorten auf Reblaus-resistente Wurzelstöcke aus Amerika setzen.“ Pfropfen oder veredeln heißt das. Dabei werden die etwa bleistiftlange Wurzel (die Unterlage) und ein einjähriger Trieb (das Edelreis) an der Schnittstelle eingekerbt und miteinander verbunden. Nach einem Jahr in der Rebschule, in dem die Veredelungsstelle verwächst, werden die Setzlinge ausgeschult, über den Winter gekühlt und im darauffolgenden Frühjahr gepflanzt. Laut Dietrich ist dieser Aufwand auch heute noch notwendig. „Die Reblaus ist im fränkischen Weinland nach wie vor latent vorhanden. Würden wir nicht mehr veredeln, würde sie nach kurzer Zeit wieder ausbrechen.“
In Sommerach war dafür mehr als 50 Jahre lang die örtliche Propfrebengenossenschaft zuständig. Im Sommer 2017 wurde sie aufgelöst und der Geschäftsbetrieb in die Genossenschaft Winzer Sommerach integriert. „Die Rebveredelung lebt stark vom Ehrenamt. Doch die arbeits- und steuerrechtlichen Vorschriften werden immer komplexer. Diesen bürokratischen Aufwand konnten die Verantwortlichen nicht mehr leisten“, erklärt Dietrich. Für die Winzer in der Genossenschaft ändert sich durch die Fusion nur wenig. Dietrich: „Jeder Rebveredler arbeitet eng mit seinen Winzern zusammen. Meistens sind das die gleichen Menschen, die sich hier wie dort engagieren. Nun sind wir auch geschäftlich wieder unter einem Dach vereint.“