Qualität: Die Winzer in Franken setzen längst auf Klasse statt Masse. Daran haben die Winzergenossenschaften einen hohen Anteil.
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Herr Steinmann, die Weinlese in Franken ist abgeschlossen. Sind die Winzer zufrieden mit der Ernte?
Artur Steinmann: Wir sind überaus zufrieden, die Lese ist in Franken, der Heimat des Silvaners, fantastisch gelaufen. Diese Ernte lässt sich in die guten Weinjahrgänge einordnen, also insbesondere die Jahre 1993, 2012, 2015 und vor allem 2003. Was besonders interessant ist: Normalerweise werden die Rebsorten in einer klassischen Reihenfolge geerntet, also erst der Bacchus, dann der Müller-Thurgau und so weiter. Dieses Jahr haben wir die Sorten kreuz und quer gelesen. Der Silvaner war vor dem Bacchus dran und auch die Rotweine kamen früher an die Reihe als sonst. Weil alle Rebsorten fast gleichzeitig reif geworden sind, konnten wir die Trauben immer genau dann lesen, wenn sie die ideale Reife zum Beispiel für das Einstiegs- oder das Premiumsegment hatten.
Wo liegt sie mengenmäßig?
Steinmann: Letztendlich haben wir eine leicht überdurchschnittliche Ernte eingefahren. Das hat uns selber erstaunt, da wir noch im Sommer mit größeren Ausfällen gerechnet hatten. Doch die Trockenheit hat die Reben nicht so stark beschädigt, wie vermutet. Und die Trauben sind kerngesund.
„Wir erwarten einen tollen Jahrgang, der sicherlich auch bei den Verbrauchern sehr gut ankommen wird.“
Sie haben den aktuellen Jahrgang mit dem 2003er Jahrgang verglichen. Wo liegen die Gemeinsamkeiten und was bedeutet das für den Geschmack?
Steinmann: Das Weinjahr 2003 war außerordentlich gut. Die klimatischen Bedingungen waren ähnlich wie heuer, es war heiß und trocken. Zudem konnten wir aus den Erfahrungen lernen: 2003 waren die Weine sehr alkoholreich. Die Verbraucher wünschen aber zunehmend leichte Weine. Also haben wir die Trauben heuer rechtzeitig von den Reben genommen. Dadurch sind die Alkoholwerte nicht zu hoch. Der 2018er Jahrgang hat ein schönes Fruchtpotenzial, ist aromatisch und die Säuren sind ausgewogen. Es wird ein toller Jahrgang, der sicherlich auch bei den Verbrauchern sehr gut ankommen wird.
Die Weinlese begann am 27. August und damit so zeitig wie noch nie. Was bedeutet das für die Winzer, wenn bereits zu einem so frühen Zeitpunkt geerntet wird?
Steinmann: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Normalerweise dauert die Vegetationszeit nach der Blüte des Weinstocks rund 100 Tage. In diesem Jahr waren es nur 80. Das bedeutet, dass die gleiche Arbeit in drei Wochen weniger Zeit geleistet werden muss. Das ist ein erheblicher Kraftakt für die Winzer, einige standen Tag und Nacht in ihren Weinbergen.
In Franken hat es diesen Sommer kaum bis gar nicht geregnet. Welche Probleme ergeben sich dadurch?
Steinmann: Das Thema Bewässerung treibt uns derzeit stark um. Ein Rebstock braucht pro Jahr etwa 500 Liter Wasser. Wenn der Niederschlag nicht von oben kommt, müssen wir mit einem intelligenten und nachhaltigen Wassermanagementsystem dagegenhalten, das in den niederschlagsreichen Wintermonaten Wasser sammelt und im Sommer über die sogenannte Tröpfchenbewässerung wieder ausgibt. In mehreren Orten haben sich deshalb Winzer zusammengetan, um gemeinsam eine solche Bewässerungsanlage zu betreiben. Alleine kann kein Betrieb diese hohen Kosten stemmen. Es sind deshalb weitere Investitionen nötig. Ansonsten wird ein Teil der heutigen Weinkulturlandschaft über kurz oder lang verloren gehen.
„Wenn die Weinprinzessin gekrönt wird, ist das ganze Dorf auf den Beinen.“
Welche Rolle spielt der Wein für das Selbstverständnis der Region?
Steinmann: Durch den Wein entsteht ein enormes Kulturleben. Denken Sie an die zahlreichen Vinotheken oder die Winzerfeste. Wir haben eine Weinkönigin und 80 Weinprinzessinnen. Wenn die gekrönt werden, ist das ganze Dorf auf den Beinen. Zudem zeigen wir Franken mittlerweile mit Stolz unsere Weintradition. Früher – ich spreche hier von den 70er Jahren – waren die Menschen vor allem mit sich und ihren Weinbergen beschäftigt. Das hat sich gewandelt, die Winzer verstecken sich nicht mehr hinter dicken Steinmauern, sondern präsentieren sich in gläsernen Produktionsstätten. Der moderne fränkische Winzer ist heimatverbunden und gleichzeitig weltoffen.
Welche ökonomische Bedeutung hat der Wein für die Region?
Steinmann: Wenn es nach den nackten Zahlen geht, dann machen die Betriebe rund 250 Millionen Euro Umsatz pro Jahr mit Wein. Sehr wichtig ist zudem der Weintourismus. 1994 lag der Umsatz in diesem Bereich bei 500 Millionen Euro pro Jahr, heuer sind wir schon bei 3,2 Milliarden Euro angelangt. Jeder Euro, der für Wein ausgegeben wird, generiert zusätzlich 15 Euro im Weintourismus. Somit hängen direkt und indirekt 60.000 Arbeitsplätze vom Wein ab.
Was unternehmen Sie, um die Außenwirkung Weinfrankens als innovative Weinbauregion zu stärken?
Steinmann: Bereits in den 1990er Jahren sind wir Winzer mit verschiedenen Einrichtungen wie der Regierung, der Universität in Würzburg oder dem Hotelverband in den Dialog getreten. Unser Anliegen: Was können wir einzeln und gemeinsam tun, um die Attraktivität der Region zu stärken? Daraus sind unzählige Projekte und Initiativen entstanden, die wir unter der Tourismusmarke „Franken – Wein.Schöner.Land!“ bündeln. In Zukunft geht es darum, die Maßnahmen konsequent nach außen zu tragen. Franken ist mehr als Bocksbeutel, Bratwurst und Barock. Wir sind besser, als es das althergebrachte Image vermuten lässt.
Welche Bedeutung hat der Wein für Bayern?
Steinmann: In Deutschland gibt es nur 13 Weinbaugebiete. Und wir in Bayern haben eines davon. Ich finde es schön, wenn die Menschen nicht nur Berge, Bier und Seen mit dem Freistaat verbinden, sondern auch den Wein. Leider wissen das selbst einige Einheimische noch nicht. Deswegen werde ich nicht müde, die Rolle des fränkischen Weins für den Freistaat zu betonen. Wenn es um die Stärkung des ländlichen Raums geht, dann trägt der Wein einen erheblichen Teil zur Attraktivität der Region bei.
„Genossenschaften sind der stabilisierende Faktor in der fränkischen Weinwirtschaft.“
In Franken gibt es fünf Winzergenossenschaften. Welche Rolle spielen sie?
Steinmann: Die Genossenschaften sind der stabilisierende Faktor der fränkischen Weinwirtschaft. Schauen Sie in andere Regionen ohne Genossenschaften. Dort haben viele Winzer, selbst bei Jahrgängen mit guter Qualität, Probleme, Abnehmer für ihren Wein zu finden. Teilweise erhalten sie für den Liter 30 Cent und weniger. Das war in Franken noch nie der Fall und das wird es bei uns auch nie geben. Dafür sind die Genossenschaften verantwortlich, denn sie garantieren ihren Mitgliedern die Abnahme ihrer Trauben und sorgen für einen geordneten Vertrieb. So gibt es kaum freie Mengen auf dem Markt und die Winzer sind nicht gezwungen, diesen Wein zu Spottpreisen zu verkaufen. Natürlich stehen auch unsere Weingüter in Konkurrenz zueinander, aber jeder hat hier seinen festen Platz in der fränkischen Weinwirtschaft. Dieser Zusammenhalt macht uns so stark.
Anfang des Jahres haben Sie das Marken-Konzept „Franken – Silvaner Heimat seit 1659“ aufgelegt. Was ist das Ziel?
Steinmann: Wir in Weinfranken haben schon 1999 angefangen, den Silvaner in den Fokus zu rücken und sind damit einen erfolgreichen Weg gegangen. Mittlerweile werden Franken und Silvaner in einem Atemzug genannt. Wir fokussieren uns ganz bewusst auf den Silvaner, was natürlich nicht heißt, dass wir andere Rebsorten nicht mehr pflanzen. Mit dem Silvaner haben wir eine Leit-Rebsorte und zwar nun schon seit über 350 Jahren. In diesem Bereich sind wir Marktführer und haben eine lange Tradition.
Um das Konzept voranzutreiben, gehen sie ungewöhnliche Wege. Gemeinsam mit GWF-Chef Andreas Oehm und dem DIVINO-Geschäftsführer Wendelin Grass haben Sie in einem Theaterstück mitgespielt… (auf YouTube anschauen)
Steinmann: Herr Grass hatte die Idee, den Winzern das Konzept nicht per Power-Point-Präsentation näherzubringen, sondern durch ein Theaterstück. Und wie wir Franken so sind: Wenn man es macht, dann muss man es richtig machen. Deshalb haben wir uns vom Theaterregisseur und Weinexperten Heiko Michels ein 40-minütiges Stück schreiben lassen und zwei Wochen mit einer Regisseurin geprobt. Was mir wichtig ist: Es war keine Show, sondern eine andere Art zu zeigen, wie das Konzept entstanden ist und was die Kernaussagen sind. Insgesamt haben wir in zehn Aufführungen rund 1.200 Winzer erreicht, die die Marke nun nach außen tragen. Unser Motto: Wenn wir in Franken gemeinsam unsere Stärken kommunizieren, dann profitieren am Ende alle davon.
Herr Steinmann, vielen Dank für das Gespräch!