Landtagswahl 2023: Welche Bedingungen benötigen die Genossenschaften in Bayern, um weiter erfolgreich zu wirtschaften? Drei Geschäftsleiter und der GVB-Präsident antworten.
Genossenschaften versammeln die Kraft der Menschen, die sich zusammentun, um gemeinsam etwas zu erreichen. Beispielsweise versorgen sie Häuslebauer und den Mittelstand mit Krediten, treiben die Energiewende vor Ort voran, schaffen Wohnraum oder produzieren regionale Lebensmittel. Dadurch leisten sie einen wesentlichen Beitrag, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.
Doch was brauchen Genossenschaften, um ihre Kraft zu entfalten? Sie benötigen einen verlässlichen Rahmen für unternehmerisches Handeln. Einen Staat, der ermöglicht statt bevormundet – also auf die Kräfte des freien Markts vertraut anstatt auf dirigistische Eingriffe. Und eine Politik, die auf die Tatkraft der Menschen setzt statt auf Bürokratie.
Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), der die Interessen von rund 1.170 Mitgliedern vertritt, hat zur Landtagswahl die Erwartungen der Genossenschaften an die politischen Verantwortlichen aufgeschrieben. Leitplanken sind dabei die Soziale Marktwirtschaft und die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. „Profil“ stellt elf der Kernforderungen vor. Das vollständige Positionspapier finden Sie hier. Obwohl die meisten Positionen mit Europapolitik zu tun haben, setzt sich der Verband dafür ein, dass sich die künftige Staatsregierung für bayerische Positionen in Brüssel einsetzt. Welche Gestaltungsmöglichkeiten die Politik hat, erfahren Sie im Interview mit Andreas Kalina von der Akademie für Politische Bildung in dieser Ausgabe.
Positionen des Genossenschaftsverbands Bayern zur Landtagswahl in Bayern 2023 im Überblick
- 1. Mittelstandsfinanzierung: Verhältnismäßigkeit in der Bankenregulierung herstellen
- 2. Verbraucherschutz im Finanzwesen: Mehr Mündigkeit statt Bevormundung
- 3. Provisionsberatung: Langfristiger Vermögensaufbau auch für Kleinanleger
- 4. Energieprojekte: Gesellschaftlichen Nutzen bei Flächenvergabe berücksichtigen
- 5. Bürgerenergie: Risikoabsicherungsfonds und Fonds für Weiterbildung einführen
- 6. Stromnetze: Faire Kostenverteilung beim Netzausbau
- 7. Energieversorgung: Speicherförderprogramm aufsetzen
- 8. Lebensmittel: Düngemittelproduktion in Europa fördern
- 9. Regenerative Energien: Ausbau aller nachhaltigen Energieträger vorantreiben
- 10. Sustainable Finance: Mittelstandsfreundliche Ausgestaltung sicherstellen
- 11. Tierhaltung: Umbau mit Augenmaß
1. Mittelstandsfinanzierung: Verhältnismäßigkeit in der Bankenregulierung herstellen
Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Über 99 Prozent der hiesigen Betriebe sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), gemeinsam tragen sie rund 60 Prozent zur heimischen Wertschöpfung bei. Regionale Kreditinstitute wie die Genossenschaftsbanken oder die Sparkassen sind der Finanzierer des Mittelstands. Damit sie dieser Aufgabe auch zukünftig umfänglich nachkommen können, bedarf es bei der Bankenregulierung einer stärkeren Orientierung am Risiko.
Denn die Vorschriften auf EU-Ebene orientieren sich einerseits oftmals an Großbanken, die ein ganz anderes Geschäftsmodell verfolgen als die Regionalbanken. Andererseits lassen die EU-Regeln die Einzigartigkeit des dreisäuligen deutschen Bankenmarkts mit Geschäftsbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken außer Acht. Dadurch werden kleine und mittlere Banken überproportional belastet. Der GVB fordert, jede regulatorische Vorgabe auf den Prüfstand zu stellen. Vorgaben, die zusätzlichen bürokratischen Aufwand für kleine Geldhäuser ohne einen Mehrwert beim Thema Risiko verursachen, gehören gestrichen. Dazu zählen beispielsweise überzogene Meldepflichten sowie Offenlegungsvorgaben.
Die Position des GVB
Regulatorik am Risiko ausrichten: Bank ist nicht gleich Bank – daran muss sich auch die Regulatorik orientieren. Deswegen bedarf es passgenauer Vorgaben für Regionalbanken, ausgerichtet an ihrer Aufgabe als Finanzierer des Mittelstands. Großbankenvorgaben ohne Mehrwert gehören für diese Institute gestrichen.
2. Verbraucherschutz im Finanzwesen: Mehr Mündigkeit statt Bevormundung
Als Reaktion auf die Finanzkrise hat sich ein einseitig geprägtes Leitbild des Verbraucherschutzes im Finanzwesen verfestigt. Demnach sind die Bürgerinnen und Bürger in allen Belangen strukturell unterlegen, unwissend und daher besonders schutzbedürftig. Die Realität ist eine andere. Es gibt nicht die eine Konsumentengruppe. Verbraucher unterscheiden sich in ihrer finanziellen Vorbildung, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten oder in den Zugangsmöglichkeiten zu den Kapitalmärkten und dessen Informationen.
Der GVB setzt sich deshalb für ein differenziertes Verbraucherleitbild ein, das auf die Mündigkeit der Menschen abzielt. Grundsätzlich sollte jeder Bürger eigenverantwortlich über seine Finanzgeschäfte entscheiden können. In den vergangenen Jahren sind jedoch zahlreiche Aufklärungs-, Informations- und Dokumentationspflichten unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Verbraucherschutzes eingeführt worden. Viele der Vorschriften verursachen einen enormen Aufwand, stiften für die Menschen aber allenfalls einen überschaubaren Mehrwert. Bayern sollte sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen, die Masse an Informationen auf ein für die Kundinnen und Kunden sinnvolles Maß zu beschränken.
Die Positionen des GVB
- Mündige Bürgerinnen und Bürger stärken: Der Verband setzt sich für ein differenziertes Verbraucherleitbild ein. Der Verbraucherschutz sollte die Mündigkeit der Konsumenten stärken und sie nicht bevormunden.
- Weniger Bürokratie im Verbraucherschutz: Der Verband setzt sich für eine Verschlankung der Informations-, Offenlegungs- und Aufklärungspflichten ein. Ziel sollten wenige, aber qualitativ hochwertige und verständliche Informationen für Konsumenten sein.
3. Provisionsberatung: Langfristiger Vermögensaufbau auch für Kleinanleger
Privat für das Alter vorzusorgen: Das fordert die Politik schon lange. Damit das gelingt, darf sie nicht auf der einen Seite an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren, auf der anderen Seite diesen aber Steine in den Weg legen. Immer wieder wird auf EU-Ebene über ein Verbot der provisionsbasierten Beratung diskutiert. Dies würde das politische Ziel der privaten Altersvorsorge jedoch konterkarieren. Langfristiger Vermögensaufbau ist ein wichtiger Baustein für eine solide Altersvorsorge und finanzielle Unabhängigkeit. Richtig investiert reichen dafür oft schon kleine Beträge, die über einen langen Zeitraum regelmäßig angelegt werden. Dafür bedarf es einer entsprechenden Beratung. Diese kann bei kleinen Anlagebeträgen qualitativ hochwertig nur über eine provisionsfinanzierte Finanzberatung abgebildet werden. Sie stellt ein niedrigschwelliges Beratungsangebot über alle Kundengruppen dar, unabhängig vom Geldbeutel.
Der durchschnittliche Preis für eine sogenannte Honorarberatung – das Alternativmodell zur provisionsbasierten Beratung – liegt bei durchschnittlich 150 Euro pro Stunde. Die Zahlungsbereitschaft für derlei Angebote ist insbesondere bei weniger vermögenden Kundengruppen gering. Ein Verbot der Provisionsberatung zugunsten der Beratung nach Honorar würde damit insbesondere Personen mit niedrigen Ansparbeträgen von einer guten Beratung ausschließen. Damit droht, dass Menschen ihr Geld ganz ohne vorherige Beratung anlegen oder vollständig auf die Geldanlage verzichten. Beides kann nicht im Sinne der Politik sein: Beim beratungsfreien Geschäft drohen Komplettverluste durch hochspekulative Produkte wie Derivate oder Kryptowährungen. Wer sein Geld gar nicht anlegt, steht einer deutlichen Vermögensentwertung durch die Inflation gegenüber.
Die Position des GVB
- Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung beibehalten: So wird verhindert, dass Kleinanleger von Beratungsangeboten zum Vermögensaufbau abgeschnitten werden. Das sichert die passende Anlageberatung, unabhängig von den finanziellen Mitteln – gerade in Zeiten hoher Inflationsraten eine wichtige Maßnahme gegen den weiteren Einkommensverlust. Auf dem freien Markt muss es Verbraucherinnen und Verbrauchern überlassen bleiben, zwischen Angebotsalternativen zu wählen.
4. Energieprojekte: Gesellschaftlichen Nutzen bei Flächenvergabe berücksichtigen
Energiegenossenschaften leisten einen wichtigen Beitrag zum schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Doch die Vergabepraxis von Flächen für die Energieerzeugung macht ihnen immer wieder das Leben schwer. Selbst bei öffentlichen Ausschreibungen entscheidet häufig ausschließlich der höchste Preis über die Vergabe. Andere Kriterien, beispielsweise regionale Wirtschaftsläufe und echte Bürgerbeteiligung, finden keine Berücksichtigung.
Dieses Vorgehen lässt die Menschen vor Ort außen vor und führt zu Vorbehalten gegenüber den Projekten. Dabei ist vor allem der Zubau von Wind- und Solarenergieanlagen auf die Akzeptanz der heimischen Bevölkerung angewiesen. Genossenschaften bieten niedrigschwellige finanzielle und organisatorische Teilhabe. Der GVB regt an, bei Ausschreibungen den gesellschaftlichen sowie regionalen Nutzen stärker ins Zentrum zu rücken. So können alle Beteiligten profitieren und die Akzeptanz für Energieprojekte steigt.
Die Position des GVB
Echte Bürgerbeteiligung als Kriterium bei der Flächenvergabe: Flächen für Energieprojekte sollten nicht ausschließlich über den Höchstpreis vergeben werden. Dies benachteiligt Bürgerenergieprojekte unangemessen, da sie nicht die Risikostreuung und dieselben finanziellen Mittel haben wie Konzerne.
5. Bürgerenergie: Risikoabsicherungsfonds und Fonds für Weiterbildung einführen
Ausschreibungsverfahren bei der Flächenvergabe für Energieprojekte und die Teilnahme an EEG-Ausschreibungen sind langwierig und komplex. Gerade in der Start- und Planungsphase gibt es viele Unwägbarkeiten und finanzielle Risiken, da beispielsweise Machbarkeitsstudien, Standortanalysen, Umweltverträglichkeitsansprüche und viele weitere Gutachten angefertigt werden müssen. Derartige Vorgaben übersteigen schnell die finanziellen Ressourcen von Bürgerenergiegenossenschaften.
Ein großes Potenzial, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben, bleibt so ungenutzt. Der Freistaat Bayern sollte deshalb einen Risikoabsicherungsfonds aufsetzen, der Vorplanungskosten für Energieprojekte mit Zuwendungen von bis zu 200.000 Euro fördert. Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein oder Thüringen mit ihren „Bürgerenergiefonds“ machen es vor. Außerdem sollte Bayern ein Förderprogramm initiieren, um Genossenschaften zu helfen, sich strategisch weiterzuentwickeln. Derzeit werden viele Energiegenossenschaften ehrenamtlich geführt. Durch hauptamtliche Strukturen könnten Genossenschaften mehr und größere Energieprojekte umsetzen. Beide Bausteine würden der Energiewende einen weiteren Schub verleihen.
Die Positionen des GVB
- Risikoabsicherungsfonds für Bayern: Nach dem Vorbild anderer Bundesländer gilt es, in Bayern einen Bürgerenergiefonds einzurichten, der teure Vorplanungskosten vorfinanziert und damit das wirtschaftliche Risiko trägt, dass das Projekt beispielsweise aufgrund von Umweltbedenken nicht umgesetzt werden darf.
- Fonds für Weiterbildung in Bayern: Mit zunehmenden Anforderungen des Energiemarkts stößt das Ehrenamt an Grenzen. Damit Energiegenossenschaften sich professionalisieren können, benötigen sie Beratung und Coachings. Die Landesregierung sollte sie dabei durch ein entsprechendes Förderprogramm unterstützen.
6. Stromnetze: Faire Kostenverteilung beim Netzausbau
Der Strombedarf in Bayern wird weiter wachsen – Stichworte E-Mobilität und Wärmepumpe. Als Konsequenz muss neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien auch der Ausbau des Stromnetzes forciert werden. Im Fokus steht der ländliche Raum, weil dort die größten Erzeugungskapazitäten entstehen und die Netze entsprechend ausgebaut werden müssen. Folgen sind ein überproportionaler Investitionsbedarf auf dem Land sowie höhere Netzentgelte als in der Stadt.
Dieses Ungleichgewicht belastet die ländlichen Regionen und die dortige Bevölkerung. Das ist nicht nur ungerecht, sondern hemmt den dringend notwendigen Netzausbau. Es bedarf folglich einer grundsätzlichen Überarbeitung der Kostenstrukturen. Dazu kommen Hürden bei der Kreditvergabe, wenn Energieversorger Investitionskredite für den Ausbau von Stromnetzen brauchen. Viele Banken können aus dem Leitungsnetz keinen Sicherungswert für die vergebenen Kredite ableiten, da es für sie keinen Wert besitzt. Der GVB macht sich für neue Finanzierungsinstrumente stark, beispielsweise Bürgschaften des Freistaats oder Förderprogramme des Landes oder des Bundes mit Haftungsfreistellung.
Die Positionen des GVB
- Faire Kostenverteilung: Bei der Erhebung der Netzentgelte sollte ein Ausgleichssystem eingeführt werden, das die Kosten für den notwendigen Netzausbau zur dezentralen und erneuerbaren Energieerzeugung fair verteilt.
- Neue Finanzierungsinstrumente: Stromnetze allein sind für viele Banken nicht als Sicherheiten für einen Investitionskredit geeignet. Es braucht daher neue Instrumente, um Hemmnisse beim Netzausbau zu beschleunigen.
7. Energieversorgung: Speicherförderprogramm aufsetzen
Bayern hat sich in der Vergangenheit auf Energielieferungen aus dem Ausland verlassen. Um diese Abhängigkeit zu lösen, sollen heimische regenerative Energien massiv ausgebaut werden. Ein zentrales Problem ist, dass diese Energie nicht immer zur Verfügung steht, zum Beispiel, wenn kein Wind weht.
Um dennoch die Versorgungssicherheit zu gewährleisten sowie die Stromverluste durch Abregelungen von Anlagen zu reduzieren, ist der Ausbau von Speichern auf allen Netzebenen erforderlich. In der Vergangenheit hat der Freistaat ein Speicherförderprogramm aufgesetzt, das allerdings nur auf private Haushalte zielte und inzwischen ausgelaufen ist. Der GVB setzt sich für ein neues Speicherförderprogramm ein, das Bürgerenergieprojekte einschließt. Das würde dem gezielten Ausbau von regelbaren Stromspeichern einen deutlichen Schub verleihen sowie bürgerliches Engagement stärken.
Die Position des GVB
Speicherförderprogramm für Bayern: Um den Strom aus Erneuerbaren Energien optimal nutzen zu können, gilt es Speicher im Freistaat auszubauen. Dies sollte durch ein Förderprogramm für alle Unternehmensformen und private Haushalte durch den Freistaat unterstützt werden.
8. Lebensmittel: Düngemittelproduktion in Europa fördern
Moderne Düngemittel sind ein unerlässlicher Baustein für eine effiziente Landwirtschaft, die die Bevölkerung ausreichend versorgen kann. In der Vergangenheit haben sich die Länder der Europäischen Union jedoch stark auf den Import der dabei wichtigen Nährstoffe wie Stickstoff oder Kalium verlassen und heimische Produktionsstätten verringert oder ganz abgebaut. 2022 hat sich das daraus resultierende Problem deutlich gezeigt: Zum einen stiegen die Preise für Düngemittel deutlich an, zum anderen waren die Dünger nicht in ausreichender Menge und Qualität vorhanden.
Damit die Landwirtschaft in Europa auch zukünftig zuverlässig Nahrungsmittel für die Menschen produzieren kann, bedarf es einer ausreichenden Düngemittelproduktion in Europa. Dies ist zudem wichtig, um die nachhaltige Ausrichtung der oftmals energieintensiven Herstellung dieser Produkte zu forcieren.
Die Position des GVB
Düngeproduktion in der EU sichern: Dies erhöht nicht nur die Ernährungssicherheit und Krisenresilienz. Auch kann dieser Schritt für mehr Nachhaltigkeit in der europäischen Landwirtschaft sorgen.
9. Regenerative Energien: Ausbau aller nachhaltigen Energieträger vorantreiben
Beim Ausbau der regenerativen Energieerzeugung stehen derzeit Sonnen- und Windenergie im Fokus. Doch Bayern hat noch weitere nachhaltige Energiequellen zu bieten: Biogas und Biomasse beziehungsweise Holz sowie Wasserkraft tragen einen wichtigen Teil zur Energieversorgung bei. In letzter Zeit gibt es jedoch insbesondere auf EU-Ebene Kritik an der Nachhaltigkeit des Rohstoffs Holz und an der Wasserkraft.
Der GVB hat dazu klare Positionen: Solange nur so viel Holz geschlagen wird, wie nachwächst, und dieses regional eingesetzt wird, ist es nachhaltig und die CO2-Menge bleibt im Gleichgewicht. Und die Wasserkraft leistet einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion und Versorgungssicherheit durch ihre kontinuierliche und teilweise regelbare Stromerzeugung. Es braucht daher einen Bestandsschutz für die bayerischen Wasserkraftwerke sowie einen umweltverträglichen Ausbau der Kleinwasserkraft. Wer eine dezentrale sowie verlässliche Versorgung mit Erneuerbaren Energien sicherstellen will, sollte Energiegenossenschaften in ihrer Vielfalt unterstützen und nicht einseitig auf einzelne Energieträger setzen. Zugleich gilt es, den Ausbau Erneuerbarer Energien in Bürgerhand zu fördern und Energiegenossenschaften keine Steine in den Weg zu legen. Die Genehmigungsprozesse für neue Projekte in der Energieerzeugung oder im Netzausbau sind hochkomplex und langwierig.
Die Positionen des GVB
- Ausbau Erneuerbarer Energien vorantreiben: Der Verband befürwortet einen schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien in Bayern, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern und den Klimaschutz voranzutreiben.
- Vielfalt der Energieversorgung: Der Verband setzt sich dafür ein, dass der Bestandsschutz für alle Arten von Anlagen erneuerbarer Energieerzeugung, insbesondere auch kleinen Wasserkraftwerken, weiterhin garantiert wird.
- Verfahren beschleunigen: Der Verband erwartet Maßnahmen, um Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieanlagen und für einen beschleunigten Netzausbau einfacher und schneller zu gestalten.
10. Sustainable Finance: Mittelstandsfreundliche Ausgestaltung sicherstellen
Mit dem sogenannten „Green Deal“ will die EU-Kommission mehr Kapital in den Klimaschutz lenken. Der Finanzsektor soll einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen wie der CO2-Reduktion leisten. Zudem sind Banken und Versicherer gefordert, Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (ESG-Risiken) stärker zu berücksichtigen.
Der wesentliche Hebel der EU ist dabei die sogenannte Taxonomie-Verordnung, eine Auflistung aller ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten. Dabei werden Technologien privilegiert oder verboten, Produktionsprozesse und ganze Industrien aus der Finanzierung fast vollständig ausgeschlossen. Ein Teil der Taxonomie ist bereits in Kraft, weitere Details werden ausgearbeitet. Das Regelwerk richtet sich in erster Linie an börsennotierte Unternehmen. Aber auch kleine und mittelständische Betriebe werden in die Pflicht genommen, zusätzlich können sie indirekt betroffen sein, wenn sie beispielsweise als Zulieferer tätig sind. Für die KMUs drohen massive bürokratische Belastungen.
Der GVB setzt sich dafür ein, verbindliche, einfache und klare Regeln zu definieren. Denn die Taxonomie schafft mehr Verunsicherung als Klarheit. Zwei Beispiele: Banken müssen im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung künftig über das Verhältnis von Taxonomie-konformen Bilanzpositionen zur Gesamtmenge der Bilanzpositionen berichten („Green Asset Ratio“). Da viele Mittelständler keinen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen, können deren nachhaltige Investitionen formal nicht als „grün“ gewertet werden. Will die Bank diese Kredite trotzdem entsprechend einordnen, müssen zusätzliche Daten bilateral eingeholt oder geschätzt werden. Zweites Beispiel: Die bisherige Verordnung lässt viele Interpretationsmöglichkeiten, sodass eine faire Auswertung bei der Kreditvergabe nicht möglich ist. Eine zentrale offene Frage: Ab wann gilt eine CO2-Reduktion als nachhaltig?
Die Positionen des GVB
- Marktwirtschaft muss gelten: Kreditinstitute sind nicht die Türsteher zur Durchsetzung politischer Ziele. Die Politik muss sich darauf beschränken, einen klaren Rahmen zu setzen, innerhalb dessen die Marktteilnehmer frei agieren können. Planwirtschaftliche Ansätze oder staatswirtschaftliche Tendenzen sind konsequent abzulehnen.
- Mittelstandsfreundliche Ausgestaltung: Kleine und mittlere Banken wie Unternehmen stehen vor anspruchsvollen Aufgaben und personellen Herausforderungen. Praxistaugliche und verhältnismäßige Ausgestaltungen stellen sicher, dass Bankkredite als präferierte Mittelstandsfinanzierung weiterhin möglich sind. Auch brauchen die Wirtschaftsakteure Planungssicherheit für ihre Investitionen in die nachhaltige Transformation.
11. Tierhaltung: Umbau mit Augenmaß
Die gesellschaftlichen Anforderungen an Umwelt- und Tierschutz steigen stetig. Die Transformation zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft ist für die Land- sowie Ernährungswirtschaft kostenintensiv. Investitionen in Stallumbauten oder „Smart Farming“ rechnen sich oft erst nach Jahrzehnten.
Der GVB setzt sich für eine Transformation mit Augenmaß ein. Ein Strukturbruch in der Landwirtschaft muss verhindert werden. Denn wenn immer mehr Betriebe aufgeben, werden Fleisch- und Milchprodukte künftig aus Ländern mit deutlich geringeren Tierhaltungsstandards importiert werden müssen. Die Betriebe in der Land- und Ernährungswirtschaft brauchen Planungssicherheit. Das gilt insbesondere für die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Tierhaltung sowie die Tierwohlkennzeichnung. Zudem sollen alle Anbieter eine Chance haben, ihre Produkte zu vermarkten und Investitionen zu finanzieren. Konventionell produzierende Betriebe dürfen nicht aufgrund überzogener Vorgaben oder Kosten davon abgehalten werden, ihren Betrieb schrittweise umzubauen.
Die Positionen des GVB
- Strukturbruch vermeiden: Der Verband setzt sich für Umstellungsfristen ein, die auch der Situation der Erzeuger und Verarbeiter vor Ort Rechnung tragen.
- Umfassende Förderung: Der Verband drängt darauf, dass Investitionen in höhere Tier- und Umweltschutzstandards in allen Produktionsstufen gefördert werden.