Stimmabgabe: Erste Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern lassen ihre Vertreter online wählen. „Profil“ berichtet über ihre Erfahrungen.
Rechtliche Grundlage
§ 43 a Abs. 4 Satz 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) legt fest, dass die Vertreter sowie Ersatzvertreter unter Einhaltung der allgemeinen Wahlgrundsätze gewählt werden müssen. Weitere Bestimmungen über das Wahlverfahren trifft das Gesetz nicht. Nähere Einzelheiten sind daher in der Wahlordnung festzulegen.
Allgemeine Wahlgrundsätze
Auch bei einer elektronischen Wahl sind die allgemeinen Wahlgrundsätze strengstens zu beachten. Es muss also sichergestellt sein, dass die Wahl in allgemeiner, unmittelbarer, gleicher und geheimer Form stattfindet. Kein Mitglied darf von der direkten Wahl von Vertretern beziehungsweise Ersatzvertretern ausgeschlossen werden. Zudem hat jede Stimme den gleichen Zählwert aufzuweisen. Mitglieder müssen darüber hinaus die Möglichkeit haben, ihre Stimme anonym abzugeben. Es ist daher bei elektronischen Wahlen besonders darauf zu achten, dass die Identität des Mitglieds nicht mit seiner abgegebenen Stimme zusammengeführt werden kann.
Zusätzlich muss bei elektronischen Wahlen dafür Sorge getragen werden,
- dass das Mitglied seine Wahlentscheidung nicht gegenüber anderen nachweisen kann,
- dass eine eindeutige und zuverlässige Identifikation und Authentisierung der Mitglieder sichergestellt ist,
- dass nur registrierte Mitglieder eine Stimme abgeben können,
- dass Stimmdatensätze bei der Übertragung nicht verändert oder gelöscht werden können und
- dass die Berechnung von Zwischenergebnissen ausgeschlossen ist.
Die Vertreterversammlung
„Bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern kann die Satzung bestimmen, dass die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder (Vertreterversammlung) besteht“, heißt es in § 43a Genossenschaftsgesetz. Dann ist die Vertreterversammlung das höchste Entscheidungsorgan der Genossenschaft. Sie bestimmt über Änderungen der Satzung, genehmigt den Jahresabschluss, entlastet Vorstand sowie Aufsichtsrat und entscheidet über Auflösungen oder Fusionen. Vertreter müssen Mitglied der Genossenschaft sein und dürfen weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat angehören.
Wahlordnung
Weitere Einzelheiten sind entsprechend § 26 e Abs. 2 Satz 1 der Mustersatzung für Genossenschaften in einer vom Vorstand und Aufsichtsrat zu erlassenden Wahlordnung geregelt. Diese bedarf bei Einführung der Vertreterversammlung der Zustimmung der Generalversammlung. Auch bei späteren Änderungen der Wahlordnung muss die Vertreterversammlung zustimmen. Der DG Verlag stellt die entsprechenden Muster für die Listen- und Bezirkswahl zur Verfügung.
Anlässlich der Genossenschaftsnovelle im Jahr 2017 wurden diese Muster ausdrücklich um die Möglichkeit erweitert, eine Online-Vertreterwahl abzuhalten. Dort ist nun festgelegt, dass der Wahlausschuss eine Online-Vertreterwahl ergänzend zu dem bisher üblichen Verfahren oder in ausschließlicher Weise abhalten kann. Beabsichtigt eine Genossenschaft, ihre Wahlordnung entsprechend anzupassen, so ist darauf zu achten, dass die Vordrucke des DG Verlags freie Textfelder vorsehen, in denen das speziell von der Genossenschaft angedachte elektronische Verfahren vor Verabschiedung der neuen Wahlordnung ergänzt werden muss.
Erfolgreiche Umsetzung in der Praxis
Wie eine elektronische Vertreterwahl in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann, haben mehrere bayerische Volksbanken und Raiffeisenbanken bereits gezeigt. Zu den Pionieren gehört die Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte (Erfahrungsbericht im Mitgliederbereich der GVB-Webseite). Im Jahr 2016 konnten die Mitglieder der Kreditgenossenschaft ihre Vertreter sowohl klassisch per Stimmzettel (Briefwahl) wählen oder ihre Stimme elektronisch abgeben. Die Bank nutzte bei der Organisation der elektronischen Abstimmung den auf Online-Wahlen spezialisierten Dienstleister Polyas. Die Wahlsoftware des Unternehmens ist vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nach dem sogenannten „Common Criteria Schutzprofil“ für Online-Wahlen (BSI-CC-PP-0037) zertifiziert worden. Seit Kurzem bietet die VR-NetWorld in Kooperation mit Polyas eine onlinebasierte Wahlmöglichkeit für die Vertreterwahl an. Mehr Informationen zur „Online-Vertreterwahl“ gibt es in einer Broschüre (hier das PDF ansehen). Interessierte Banken können sich an service[at]vr-networld.de wenden.
Weitere digitale Anwendungsbereiche
Über die elektronische Vertreterwahl hinaus haben Genossenschaften noch vielfältige andere Möglichkeiten, interne Abläufe digital zu organisieren. So ermöglicht etwa § 6 Nr. 4 GenG den Genossenschaften, ihre General- beziehungsweise Vertreterversammlung durch unmittelbare Benachrichtigung in Textform einzuberufen. Sie können also bei entsprechender Satzungsgrundlage die entsprechenden Einladungen auch per E-Mail an die Mitglieder versenden. Diese Möglichkeit bietet sich insbesondere für Vertreterversammlungen an.
Dabei sparen sich die Genossenschaften nicht nur Zeit und Kosten, sondern sie haben auch den praktischen Vorteil, Anlagen zur Einladung und zur Tagesordnung, etwa im Fall von Satzungsänderungen, unkompliziert beifügen zu können. Die aktuellen Mustersatzungen sehen diese Möglichkeit standardmäßig vor. Wollen Genossenschaften davon Gebrauch machen, empfiehlt es sich, insbesondere bei neu gewählten Vertretern eine gesonderte Zustimmung zur Einladung per E-Mail einzuholen. Dazu bietet sich zum Beispiel dieses Musterformular an.
Der GVB berät
Um den Mitgliedern eine Online-Vertreterwahl zu ermöglichen, müssen Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Regel ihre Wahlordnung anpassen. Dazu bietet die Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) Unterstützung an. Für weitere Fragen steht die Abteilung Allgemeine Rechtsfragen des GVB gerne zur Verfügung. Informationen unter recht[at]gv-bayern.de oder 089 / 2868-3700.
Peter Warbanow ist Rechtsanwalt und Leiter der Abteilung Allgemeine Rechtsfragen des Genossenschaftsverbands Bayern.