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Während die EU mit Supply Chain Act, Erweiterung der Taxonomieverordnung (VO) oder dem zweiten Entwurf der ESRS (European Sustainability Reporting Standards) derzeit regulatorisch vorangeht, sind erste Erfahrungen aus der Umsetzung der TaxonomieVO in der Wirtschaft angekommen, die Fragen aufwerfen. Bei den Kreditgenossenschaften betrifft dies vorranging die Bestimmung der Green-Asset-Ratio (GAR). Sie soll, wie der Name sagt, den Anteil an grünen Vermögenswerten ausweisen und durch die Offenlegung der Kennzahl das Institut anregen, diesen Anteil zu erhöhen. Bisher bindet die Bestimmung der GAR vor allem personelle Ressourcen. Die Nachhaltigkeitsregulierung sorgt so an vielen Stellen für Hemmnisse statt Aufbruch.

Wir binden Kräfte für Berichte statt für Innovation

Fachkräfte sind derzeit in fast allen Bereichen rar. Dies betrifft vor allem das Feld Nachhaltigkeit, bei dem Unternehmen Wachstumschancen sehen und deshalb händeringend qualifiziertes Personal suchen. Sollte man auf dem Arbeitsmarkt fündig werden, tritt schnell Ernüchterung ein. Expertinnen und Experten beschäftigen sich dann vornehmlich nicht mit der Fragestellung „wie kann ich mein Unternehmen mit Nachhaltigkeit vorwärtsbringen?“. Stattdessen müssen sie für ihr Unternehmen das Dickicht an Tausenden Seiten Regulierung lichten und die Einhaltung der Berichtspflichten sicherstellen. Die Regelwerke sind so komplex und umfangreich, dass man hierfür Fachpersonal einsetzen muss, das dann Berichte schreibt, deren Nutzen mehr als fraglich ist. Denn es handelt sich nur um eine Dokumentation des IST-Zustands. Dadurch wird keine PV-Anlage neu finanziert oder eine Beteiligung an einem innovativen, grünen Start-up angestoßen.

Die Regulierungstiefe scheitert an der Praxis

Die Berichtspflichten rund um die EU-Taxonomie versuchen durch einen hohen Detailgrad in delegierten Rechtsakten jedem Einzelfall gerecht zu werden. Das Wirtschaftsgeschehen ist aber zu komplex, um dies leisten zu können. So erhöht sich die Komplexität der Regulierung.

Ein Beispiel aus dem Bereich der Kreditgenossenschaften ist hier die Taxonomiekonformität von Wohnimmobilienkrediten. Diese sind, einfach gesagt, nur taxonomiekonform, wenn die Immobilie mindestens den Energieeffizienzstandard A hat. Es gibt aber keine Datenbank, um diese Informationen abzurufen. Den Kreditinstituten bleibt nur die Möglichkeit, jeden Kunden zu kontaktieren und nach dem Energieausweis zu fragen. Man kann sich leicht vorstellen, wie zeitaufwändig dies ist und wie oft ein Einholen der Informationen nicht möglich ist.

Insgesamt ist das Thema Datenbeschaffung eine zentrale Achillesverse der gesamten Regulierung, die der Gesetzgeber außer Acht gelassen hat. Von Kunden allerhand sensible Informationen abzufragen (zum Beispiel Wasserverbrauch), die mit dem eigentlichen Finanzierungsgeschäft nichts zu tun haben, setzen auf Seiten des Kunden ein hohes Verständnis voraus. Darüber hinaus gibt es beispielsweise im Rahmen der DNSH-Kriterien (do no signifikant harm) Standortdaten zu Klimarisiken wie Hochwassergefahr, die erfasst werden müssen. Hier arbeitet die genossenschaftliche FinanzGruppe an automatisierten Lösungen, die aber erstmal wieder produktive Kapazitäten binden.

Die GAR kann falsche Anreize setzen und wichtige Investitionen hemmen

Es ist auch ernsthaft in Zweifel zu ziehen, welchen positiven Effekt der Bürokratieaufwand mit sich bringt. Die GAR setzt nämlich nicht den Anreiz, Transformationsleistungen zu finanzieren. Vielmehr sollte das aber ihr Ziel sein. Vergibt man einen Kredit an ein „braunes“ Unternehmen, das aber den Kredit in die nachhaltige Erzeugung von Betriebsstrom investiert, wirkt sich das nicht positiv auf die GAR der finanzierenden Bank aus. Banken haben stattdessen den Anreiz, in Branchen zu investieren, die bereits grün sind. Dort wo also der Finanzierungsbedarf für Nachhaltigkeit am höchsten ist, bleibt die Finanzierung aus. Es kann nicht im Sinne des Steuerzahlers sein, wenn für diese staatlich erzeugte Lücke als Ausgleich staatliche Förderprogramme einspringen sollen, die unter Marktbedingungen gar nicht nötig wären. Die Transformation wird also gehemmt und Wohlfahrtsverluste erzeugt.

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist uns bewusst geworden, dass wir „braune“ Industrien noch länger für unser aller Wohl brauchen werden. Auch macht es für das Klima wenig Sinn, wenn Schlüsselindustrien aufgrund der Standortpolitik aus der EU abwandern und Emissionen dann eben woanders auf der Welt erzeugt werden.

Gerade Volks- und Raiffeisenbanken kennen ihre Firmenkunden in der Region sehr gut. Sie wissen, welche Unternehmen und Branchen dort zukunftsfähig und nachhaltig sind. Diese Expertise, die zu einer marktwirtschaftlich effizienten Transformation führt, gilt es zu unterstützen, statt durch Vorgaben aus Brüssel zu ersetzen.

Warnung vor einer CSRD für Alle

Die überbordende Nachhaltigkeitsregulierung stellt schon unsere größten Kreditgenossenschaften vor erhebliche personelle Herausforderungen. Eine Ausweitung der Vorgaben auf kleinere Institute bringt das Fass dann zum Überlaufen. Denn obwohl die Regelungen für Großunternehmen gedacht sind, müssen sich auch KMUs daran orientieren (siehe dazu auch das Interview mit dem Europaabgeordneten Markus Ferber in dieser Ausgabe). Auch im Bankenwesen ist dies der Fall. Die seit Ende Juni geltenden MaRisk verlangen von Banken möglichst quantitative Modelle zur Bestimmung ihrer Klimarisiken. Dort werden Parallelen zu den DNSH-Kriterien der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) offenbar. Eingriffe in die Kreditvergabe und Risikosteuerung lehnt der GVB nach wie vor ab. Für die Transformation zu einer klimaneutralen und gleichzeitig erfolgreichen Wirtschaft braucht es die Innovationskraft unserer Kreditgenossenschaften und deren Kundinnen und Kunden.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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