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Geldanlage beruht auf Vertrauen. Leichtfertig wird kaum irgendjemand sein Vermögen anderen überlassen. Um dieses Vertrauen aufzubauen und immer wieder aufs Neue zu gewinnen, haben die Volks- und Raiffeisenbanken in ihrer Geschichte viel investiert: In Nähe, Ansprechbarkeit, Mitgliederbeteiligung, ein regionales, relativ risikoarmes Geschäftsmodell sowie in ein eigenes Institutssicherungssystem. Dieses hat sich mit all seinen Besonderheiten inzwischen seit 90 Jahren bewährt.

Was macht diese genossenschaftliche Institutssicherung so besonders? Sie basiert auf den genossenschaftlichen Prinzipien der Eigenverantwortung, Solidarität und Hilfe zur Selbsthilfe. Mit seiner auf Prävention angelegten Architektur reagiert es bereits, weit bevor ein Institut überhaupt in Schieflage geraten kann und leistet damit einen unschätzbaren Beitrag zur Finanzstabilität. Der Beweis: In 90 Jahren hat noch nie ein Sparer oder eine Sparerin Geld verloren, weil ein Institut in Schwierigkeiten geraten ist. Staatliche Rettungsgelder hat es ebenso wenig gebraucht.

Doch nicht jeder hat so genau durchdrungen, was diese Institutssicherung ist, beziehungsweise blickt begehrlich auf diesen genossenschaftlichen Sicherheitstopf, ohne dessen eigentlichen Widmungszweck zu verstehen. Immer wieder gerät die Institutssicherung daher in den Blick jener, die mit Prävention und Eigenverantwortung weniger anfangen können und lieber auf eine geordnete Abwicklung von ins Straucheln geratenen Banken setzen.

Unterschiedliche Risiken

So ein geordneter Prozess ist zwar gut. Denn Banken, die durch Missmanagement ins Wanken geraten, brauchen ein geordnetes Verfahren, um das Geld der Einleger zu sichern und zu verhindern, dass womöglich welterschütternde Krisen ausgelöst werden. Aber nicht jede Bank beziehungsweise Bankengruppe ist wie die andere. Folglich birgt auch nicht jede Bank dieselben Risiken für den Finanzmarkt.

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Reform des Rahmens für Krisenmanagement im Bankensektor und der Einlagensicherung – im Bankenregulierungslatein Crisis-Management-and-Deposit-Insurance oder kurz CMDI Review – weckt wieder Begehrlichkeiten und zielt auf die nationalen Institutssicherungssysteme. In dieser CMDI-Review wird die Ausweitung des Abwicklungsregimes auf mittlere und kleine Institute vorgeschlagen.

Die Krux dabei: Während der europäische Abwicklungsmechanismus im Falle großer, systemrelevanter Institute (SIB) die Finanzstabilität erhöht, führt das gleiche Vorgehen bei kleinen regionalen Banken zum Gegenteil. Denn kleinere Institute unterscheiden sich erheblich von Großbanken.

Effektives Sicherungssystem

Die europäische Handlungsmaxime geht immer vom Worst Case aus, also davon, dass ein Institut vollständig gerettet werden muss. Denn das Stressszenario, das im Falle der Finanzkrise 2008 auch eingetreten ist, war der Totalausfall der Investmentbank Lehman Brothers. Dass so ein Ereignis teuer ist, viele Finanzmittel braucht und daher mit einer schnellen Abwicklung begrenzt werden soll, ist damit offensichtlich. Bei Volks- und Raiffeisenbanken kommt die präventive Wirkung der Sicherungssysteme zum Tragen und der Worst Case wird schon durch das Prüfungswesen verhindert – Fehlentwicklungen werden frühzeitig erkannt und wenn nötig wird mit Mitteln aus dem Sicherungstopf gegengesteuert.

Das EU-Krisenmanagement ist auf eine möglichst schnelle Abwicklung ausgelegt. Das ergibt bei systemrelevanten Instituten auch Sinn. Die Bilanzen von SIBs sind stark miteinander verstrickt. Fallen Forderungen aus oder kommt die Refinanzierung auf dem Interbankenmarkt aufgrund eines Vertrauensverlusts wie 2008 zum Erliegen, sind schnell mehrere Institute betroffen. Ein Domino-Effekt kann eintreten. Deshalb muss der ungeordnete Ausfall eines Instituts durch eine geordnete Abwicklung verhindert werden.

Keine Gefährdung für das Finanzsystem

Bei Verbünden wie den Volks- und Raiffeisenbanken oder den Sparkassen liegt die entgegengesetzte Logik vor. Eine einzelne Bank kann die Stabilität des Systems nicht gefährden. Die Institutssicherung sorgt dafür, dass in Schwierigkeiten geratene Institute durch Stützungsmittel und Sanierungspläne schnell wieder auf solide Beine gestellt werden. Verbundinstitute sind nicht vom Geldmarkt abhängig, die Liquiditätsversorgung kann im Verbund gewährleistet werden. Ohne großes Aufsehen kann so Schlimmeres verhindert werden.

„Eine Ausweitung des Abwicklungsmechanismus auf kleine Banken nicht sinnvoll.“

Wird nun jedoch die Abwicklung zum Regelfall, kann dieser Mechanismus nicht greifen. Die Abwicklung eines Instituts stellt einen Extremfall dar, der zu einer Vertrauenskrise führen kann. Kunden könnten sich zum Abzug ihrer Einlagen entscheiden. Die Abwicklung, die also eine Kettenreaktion verhindern soll, kann im Falle kleiner Institute eben genau diese erst auslösen. Deshalb ist eine Ausweitung des Abwicklungsmechanismus auf kleine Banken nicht sinnvoll.

Vielfalt sorgt für Sicherheit

Im Übrigen sind kleine Privatbanken, die nicht Teil eines Verbunds sind, noch wesentlich stärker von den Plänen der EU bedroht. Denn sie haben keinen Verbund, der sie schützen kann. Die Stabilität des deutschen Bankensystems ist auch darin begründet, dass diese etwa 1.300 eigenständigen Institute Konzentrationsrisiken im Bankensektor verringern. Verschwinden kleine Privatbanken oder erhöht die Regulatorik den Fusionsdruck weiter, so geht dieses Charakteristikum verloren. Das CMDI führt also auch hier zu weniger statt mehr Stabilität.

Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, warum es überhaupt einer Erweiterung der Abwicklungsregeln bedarf. Der einheitliche Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) wurde 2014 eigens dafür installiert, um die systemischen Risiken der Eurozone gezielt zu überwachen. Die 113 größten und damit potenziell systemgefährdenden Banken Europas, die 82 Prozent der Bilanzsumme ausmachen, werden hier beaufsichtigt. Wenn im europäischen Finanzsystem noch systemgefährdende Risiken schlummern, dann wohl kaum in den verbleibenden 18 Prozent.

Der Anstoß kommt von höchster internationaler Ebene, unter anderem dem Financial Stability Board (FSB) unter dem Mandat der G20 – dem Gremium der wirtschaftlich bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer, das im Nachgang der Finanzkrise 2009 etabliert wurde. Das FSB hatte zuletzt während der „Regionalbankenkrise“ im Frühjahr 2023 angewiesen, Risiken bei Regionalbanken ernst zu nehmen und stärker zu regulieren.

„Wendet man unreflektiert internationale Regulierungsmaßstäbe an, setzt man Genossenschaftsbanken massiv unverhältnismäßigen Regeln aus.“

Der Begriff „regional“ führt hier gewaltig in die Irre. Als die Silicon-Valley-Bank in die Knie ging und ein neues Bankenbeben auszulösen drohte, sagten viele: Sie hin, eine Regionalbank kann doch systemisch relevant sein. Allerdings muss diese Bank aus US-amerikanischer Perspektive betrachtet werden. Ihre Bilanzsumme von mehr als 200 Milliarden Euro war so groß wie die aller 184 bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken zusammen. 95 Prozent der bayerischen VR-Banken sind als sogenannte SNCI (small and non complex institutions) mit einer Bilanzsumme von weniger als fünf Milliarden Euro klassifiziert. Wendet man also unreflektiert internationale Regulierungsmaßstäbe an, setzt man Genossenschaftsbanken massiv unverhältnismäßigen Regeln aus.

Regulatorische Äpfel und Birnen

Deshalb fordert der GVB im Rahmen des CMDI, auf bekannte und objektiv messbare Schwellenwerte zurückzugreifen, anstatt sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe wie Regionalität zu stützen. Nur so kann verhindert werden, dass international Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Am Beispiel des Regionalitätsbegriffs zeigt sich die Schwäche der globalen Finanzmarktregulierung, die in der EU leider meist eins zu eins kleinen Banken übergestülpt wird: Sie berücksichtigt die Besonderheiten nationaler Charakteristiken nicht. Deshalb ist in Europa eigentlich das Subsidiaritätsprinzip fest verankert, das aber gerade in der Finanzmarktregulierung kaum Berücksichtigung findet

Volks- und Raiffeisenbanken sind zentrale Akteure bei der Finanzierung des Mittelstands, der das Rückgrat der Wirtschaft in Deutschland bildet. Mit ihrer regionalen Verankerung, Dezentralität und Nähe zu ihren Kundinnen und Kunden haben sie sich als verlässliche und verantwortungsvolle Akteure etabliert. Damit gelingt es ihnen als regionale Bankengruppe erfolgreich, Privatpersonen und Mittelstand autark mit Liquidität zu versorgen. Diese wichtige Rolle wird mit dem CMDI-Vorschlag gefährdet

Damit die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken auch künftig weiter dringende Impulse für Wachstum, Innovation und Konjunktur geben können, muss die oben angesprochene Logik der „One-size-fits-all“-Regulatorik abgelöst werden. Bisher gilt für die Bankenregulierung das „Single-Rule-Book“. Für alle Kreditinstitute in der EU gilt dasselbe Regelwerk – egal, wie große oder klein, egal, ob systemrelevant oder nicht, egal, ob sie ein risikoreiches oder risikoarmes Geschäftsmodell verfolgen. Doch mit immer mehr Regulatorik – die zumeist auf große, systemrelevante Institute mit risikobehaftetem Geschäftsmodell zielen, dann aber alle gleichermaßen treffen – hat sich dieses Rahmenwerk selbst ad absurdum geführt.


Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).


Der Beitrag erschien zuerst am 4. Mai 2024 in einer Sonderbeilage der Börsen-Zeitung.

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