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Frau Kolak, die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Deutschland haben 18,2 Millionen Mitglieder, in Bayern sind es knapp 2,7 Millionen Mitglieder. Welchen Stellenwert haben die Mitglieder für die Kreditgenossenschaften und deren Geschäftserfolg?

Marija Kolak: Die deutschlandweit 772 Kreditgenossenschaften sind lokal verankert, überregional vernetzt, ihren Mitgliedern verpflichtet und demokratisch organisiert. Und sie haben einen klaren Auftrag: die Förderung ihrer Mitglieder. Die Interessen der Mitglieder rangieren vor der Gewinnmaximierung. Das könnte nicht zeitgemäßer sein. Gäbe es Genossenschaftsbanken heutzutage noch nicht – man müsste sie erfinden. Transparenz, Mitbestimmung, Mitgestaltung – Kreditgenossenschaften ermöglichen dies ihren Mitgliedern. Rund 18,2 Millionen Menschen sind Mitglied einer Genossenschaftsbank. Nicht die Institute für sich, sondern die Gesamtheit aller Mitglieder bildet eine der drei Säulen des deutschen Bankwesens. Auch in der jüngeren Vergangenheit hat sich gezeigt, wie stark, stabil und vital diese Säule ist.

„Die klare Verantwortung gegenüber ihren Eignern hebt die Kreditgenossenschaften von neuzeitlichen Netzwerken ab.“

Inwiefern machen die Mitglieder Genossenschaftsbanken besonders und worin wird dies in ihrem Handeln sichtbar?

Kolak: Wenn heutzutage Netzwerke und hybride Organisationsformen als Wirtschaftsmodelle der Zukunft gefeiert werden, dann darf man auch mal darauf hinweisen, dass Genossenschaften diese Strukturen schon lange etabliert haben. Das Besondere daran ist die stetige Förderung ihrer Mitglieder – das eindeutige Ziel einer jeden Genossenschaft und einer jeden Genossenschaftsbank. Diese klare Verantwortung gegenüber den Eignern, die gleichzeitig Nutzer sind, hebt die Kreditgenossenschaften von neuzeitlichen Netzwerken ab. Anfang Dezember 2016 erklärte die UNESCO außerdem Genossenschaften zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Sie würdigte damit nicht nur den großen Nutzen, den die genossenschaftliche Idee international erbracht hat, sondern auch die Mitgliedschaft.

„Die Mitgliedschaft bei Volksbanken und Raiffeisenbanken bietet viel mehr als nur die Dividende.“

Welche Vorteile bietet die Mitgliedschaft bei einer Genossenschaftsbank über die Dividendenzahlung hinaus?

Kolak: Da ist natürlich der Vorteil der Mitbestimmung und Mitgestaltung. Die Mitgliedschaft bei Volksbanken und Raiffeisenbanken bietet viel mehr als nur die Dividende. Bundesweit können die Volksbanken und Raiffeisenbanken hier auf eine Vielzahl von Mitgliedervorteilen zurückgreifen, die von den Unternehmen der genossenschaftlichen FinanzGruppe angeboten werden, zum Beispiel auf attraktive Mitgliederproduktvorteile bei der R+V Versicherung, der Bausparkasse Schwäbisch-Hall und der TeamBank. Die VR-Networld bietet mit dem digitalen Netzwerk für Mitglieder und der Crowdfunding-Plattform die Möglichkeit für Bankmitglieder, ihr Kreditinstitut mitzugestalten sowie gemeinnützige Projekte in der Region zu unterstützen und zu verwirklichen. Und mit MeinPlus steht ein großes regionales Vorteilsprogramm für Mitglieder zur Verfügung, bei dem auch die Firmenkunden der Bank mit in die Mitgliederförderung einbezogen werden können. Welche Vorteile konkret angeboten werden sollen, muss aber natürlich die Genossenschaftsbank selbst entscheiden. Denn nur sie weiß, welche Art der Mitgliederförderung zu ihrer Region und zu ihren Mitgliedern passt.

Wie haben sich die Mitgliederzahlen bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken in den vergangenen Jahren entwickelt?

Kolak: Wir beobachten, dass die Zahl der Genossenschaftsmitglieder nach einem längeren Anstieg stagnierte. Im letzten Jahr ging sie überwiegend Demografie-bedingt um 1,3 Prozent auf 18,2 Millionen zurück. Der Neuabschluss einer Mitgliedschaft ist natürlich ein typisches Filialprodukt, das erwartungsgemäß aufgrund der Pandemie nicht so stark beraten werden konnte.

„Ich bin sicher, die Attraktivität des genossenschaftlichen Geschäftsmodells ist ungebrochen.“

Haben die Kreditinstitute vor diesem Hintergrund die Mitgliedschaft als Teil ihres Wesenskerns ausreichend im Blick?

Kolak: Die gesetzlich und satzungsgemäß festgeschriebene Mitgliederförderung unterscheidet die Genossenschaftsbanken von alten und neuen Wettbewerbern und macht sie auch aus Kundensicht einzigartig. Ich bin sicher, die Attraktivität des genossenschaftlichen Geschäftsmodells ist ungebrochen. Mitgliedschaft ist aber auch kein Selbstläufer. Gerade heute sind genossenschaftliche Werte wieder sehr aktuell, gerade auch bei jungen Menschen. Hier gilt es zu informieren und aufzuklären. Deshalb liegt in diesem Jahr auch der Schwerpunkt der bundesweiten Kommunikation auf der Mitgliedschaft.

„Wir wollen auf Bundesebene die große Idee verankern und zudem die Banken ausstatten, um es ihnen leicht zu machen, neue Mitgliedschaften abzuschließen.“

Der BVR arbeitet an einer Kampagne zur Mitgliederwerbung. Was ist geplant und wie können sich die Primärinstitute beteiligen?

Kolak: Richtig, der BVR plant eine bundesweite Kampagne, die die genossenschaftliche Idee und damit auch die Mitgliedschaft ins Zentrum stellt. Hierbei soll der Gedanke, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken ihren Mitgliedern verpflichtet sind, auf emotionale Weise kommuniziert werden. Der Start der Kampagne ist für Mitte Juni geplant. Davor wollen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Banken mit einer internen Kampagne für das Thema Mitgliedschaft begeistern und zu Botschaftern machen. Außerdem wird es zwei Werbemittelpakete geben, die in den Banken eingesetzt werden können. Einerseits werden wir die Banken mit Werkzeugen ausstatten, um bestehende Kunden zu Mitgliedern zu machen und andererseits ein Paket anbieten, mit dem bestehende Mitglieder dazu animiert werden sollen, neue Mitglieder zu werben. Wir wollen also auf Bundesebene die große Idee verankern und zudem die Banken ausstatten, um es ihnen leicht zu machen, neue Mitgliedschaften abzuschließen.

Wie unterstützt der BVR die Banken bei der Mitgliedergewinnung?

Kolak: Hand in Hand mit den Aktivitäten aus der Mitgliederkampagne gibt es hier eine ganze Reihe weiterer interner Initiativen: Mit „Gewinne den Fritz“ setzen wir im Rahmen eines bundesweiten Benchmarkings den Fokus darauf, Mitglieder unter 50 Jahren zu gewinnen. Für eine bessere Kommunikation der verschiedenen Mitgliedermehrwerte wurde eine neue „Leistungsübersicht Mitgliedervorteile“ entwickelt. Neue Produktkonzepte wie beispielsweise das Girokonto mit nachhaltigen Produktkomponenten werden attraktive Anknüpfungspunkte für die Mitgliedschaft enthalten und für die Zielgruppe der jungen Kunden sind spezielle Mitgliedervorteile in der Vorbereitung. Nicht zuletzt soll zukünftig auch der Online-Abschluss der Mitgliedschaft mittels qualifizierter elektronischer Signatur auf der Omnikanal-Plattform ermöglicht und damit zukunftssicher und modern gestaltet werden.


Frau Kolak, herzlichen Dank für das Interview!

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