Partnerschaft: Wie stiften Genossenschaften Mitgliedernutzen? Und wie profitiert davon die ganze Region? Dazu Stimmen von vier genossenschaftlichen Unternehmen.
Im Beitrag kommen zu Wort:
- Karl Rau und Hermann Scherer, Raiffeisenbank Augsburger Land West: „Als Eigentümer der Bank besitzen die Mitglieder den höchsten Stellenwert.“
- Michael Stappel, DZ Bank: „Um frühzeitig für zukunftsfähige Strukturen zu sorgen, kann es sinnvoll sein, wenn Banken verstärkt um Mitglieder werben.“
- Ute Brand, Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg: „Um die Mehrwerte der Mitgliedschaft überzeugend zu kommunizieren, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg.“
- Gerhard Walther, VR-Bank Mittelfranken West: „Mitglieder sind die Basis unserer Bank – wir existieren durch und für unsere Mitglieder.“
- Hilmar Ullrich, Raiffeisenbank Main-Spessart: „Mit unseren Leistungen, unserem Netzwerk und unserer Expertise können wir die Mitglieder auch jenseits der reinen Bankgeschäfts unterstützen.“
Die Raiffeisenbank Augsburger Land West hat mehr als 20.000 Mitglieder. Das Kreditinstitut könnte somit problemlos eine Vertreterversammlung durchführen, das erlaubt das Genossenschaftsgesetz ab 1.500 Mitgliedern. Doch die Bank mit Sitz in Zusmarshausen hat sich dagegen entschieden. Stattdessen organisiert sie weiterhin eine Generalversammlung sowie vier bis fünf Ortsversammlungen. Die Gründe sind für Vorstand Karl Rau offensichtlich: „Auf diese Weise kann jedes Mitglied persönlich teilnehmen und sich dabei sowohl aus erster Hand informieren als auch über die weitere Entwicklung mitentscheiden.“
Nicht nur in Bezug auf die Generalversammlung betont Rau die zentrale Bedeutung der Mitgliedschaft: „Als Eigentümer der Bank besitzen die Mitglieder den höchsten Stellenwert.“ Der Vorstand verfolgt deshalb das langfristige Ziel, alle Kundinnen und Kunden zu Teilhabern der Kreditgenossenschaft zu machen und die Bank zu einer 100-prozentigen Mitgliederbank zu entwickeln. Das Institut ist auf einem guten Weg, die Mitgliedsquote liegt aktuell bei über 60 Prozent. Einen Zwang zur Mitgliedschaft gebe es derzeit nicht, sei aber denkbar, erklärt Rau: „Wir können uns perspektivisch vorstellen, den Geschäftsbetrieb nur auf Mitglieder zu beschränken.“
Viele Volksbanken und Raiffeisenbanken möchten neue Mitglieder gewinnen
Die Raiffeisenbank Augsburger Land ist nicht die einzige Kreditgenossenschaft, die die Mitgliedschaft forciert. Viele bayerische Volksbanken und Raiffeisenbanken räumen dem Thema aktuell eine hohe Bedeutung ein. Sie verfolgen das Ziel, künftig deutlich mehr Mitglieder zu gewinnen oder sich perspektivisch sogar ausschließlich zur Mitgliederbank zu entwickeln. Aus Sicht von Michael Stappel, Volkswirt bei der DZ Bank, passen solche Initiativen gut in die aktuelle Zeit. „Jahrelang ist die Zahl der Mitglieder bei den deutschen Genossenschaftsbanken gestiegen. Seit 2019 gibt es einen leichten Rückgang, bedingt zum einen durch Fusionen, bei denen Doppel-Mitgliedschaften aufgelöst wurden, und zum anderen durch einen Generationenwechsel. Schließlich kommt auch die Genossenschaftsorganisation nicht am demografischen Wandel vorbei. Um frühzeitig für zukunftsfähige Strukturen zu sorgen, kann es sinnvoll sein, wenn Banken verstärkt um Mitglieder werben“, betont Stappel.
Wie viele Mitglieder haben die Volksbanken und Raiffeisenbanken?
Fast 2,65 Millionen Menschen sind aktuell Mitglied bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Deutschlandweit sind es bei allen Genossenschaftsbanken laut BVR rund 18,17 Millionen Mitglieder (Stand: 31. Dezember 2021).
Was ist das Besondere an der Mitgliedschaft bei einer VR-Bank? DZ Bank-Volkswirt Stappel verweist vor allem auf den Förderauftrag, der sich aus Paragraf 1 des Genossenschaftsgesetzes ergibt. Demnach ist es der Zweck von Unternehmen mit der Rechtsform eG, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder zu fördern. „Volksbanken und Raiffeisenbanken gehören keinen Investoren, sondern ausschließlich ihren Mitgliedern. Dementsprechend sind sie einzig ihnen und ihren Interessen verpflichtet“, sagt Stappel. Der Volkswirt betont, dass die Mitgliedschaft ein echtes Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb ist. Drei zentrale Punkte macht er fest:
- Mitwissen: Die Mitglieder können sich sowohl auf der General- beziehungsweise Vertreterversammlung als auch laufend während des Jahres über die Geschäftspolitik informieren.
- Mitentscheiden: Die Mitglieder sind stimmberechtigt bei der General- oder Vertreterversammlung. So können sie beispielsweise den Jahresabschluss genehmigen und entscheiden, wie der Gewinn verwendet wird. Es gilt das demokratische Prinzip: Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig von der Höhe der Geschäftsanteile.
- Mitverdienen: Die Mitglieder sind am wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschaft beteiligt. In der Regel erhalten sie einmal im Jahr eine Dividende, zusätzlich profitieren sie von weiteren Vorteilen.
Bonuspunkte für die Mitglieder
Eine große Zahl an neuen Mitgliedern gewinnen Genossenschaften indes nicht über Nacht. Das weiß Hermann Scherer, Vorstandskollege von Karl Rau bei der Raiffeisenbank Augsburger Land West, aus eigener Erfahrung. Die Bestrebungen zur Mitgliederbank gehen bis ins Jahr 2008 zurück. Damals hat das Kreditinstitut einen „VR-Mitgliederbonus“ eingeführt, um den Menschen die Teilhabe schmackhaft zu machen. Das Prinzip: Die Mitglieder sammeln jährlich Bonuspunkte für jede Leistung, die sie nutzen. Je enger die Geschäftsbeziehung ist, desto mehr Punkte gibt es. Die Bonuspunkte können eingelöst werden und sind damit bares Geld wert. „Der VR-Mitgliederbonus ist ein sehr attraktives Angebot für die Mitglieder, da sie neben der Dividende einen zusätzlichen finanziellen Mehrwert erhalten“, betont Scherer. Auch zahlreiche andere Volksbanken und Raiffeisenbank nutzen solche Mehrwertprogramme.
Platin-Status für Mitglieder, die besonders viele Leistungen nutzen
Ab April 2022 ergänzt die Raiffeisenbank Augsburger Land West den VR-Mitgliederbonus um den „HausbankBonus“. Das Programm umfasst sechs Themenfelder: Die fünf Themenfelder der genossenschaftlichen Beratung – Liquidität, Absicherung, Vermögen, Vorsorge und Immobilien – und ein zusätzliches Themenfeld „Meine Region“. Je intensiver die Mitglieder nun die Leistungen der Bank nutzen, desto höher ist ihr Status. Dieser beginnt beim „Hausbankkonto“, es folgen der Bronze-, Silber-, Gold- und schließlich der Platin-Status. In jeder Stufe erhält das Mitglied Vorteile, etwa Rabatte bei der Kontoführung oder bei der VR-BankCard. Im Platin-Status, der ab 13 Finanzprodukten gewährt wird, sind die Vorteile am größten. Dann ist etwa eine kostenlose Kontoführung möglich. „Der HausbankBonus ist die konsequente Erweiterung des Mitgliederbonus und beinhaltet auch Produkte aus dem Verbundgeschäft. Das Programm macht die Mitgliedschaft noch attraktiver“, bekräftigt Scherer.
Neben dem VR-Mitgliederbonus und dem HausbankBonus bietet die Bank ihren Mitgliedern weitere Leistungen an. Dazu zählen etwa Exklusiv-Veranstaltungen oder spezielle Garantien. Beispielsweise verspricht die Bank, binnen drei Tagen auf Anregungen, Ideen oder Kritik zu reagieren. Andernfalls gibt es einen Gutschein in Höhe von zehn Euro. Die finanziellen Vorteile und Zusatzleistungen sind laut Rau zentrale Gründe, warum die Mitgliedschaft bei der Raiffeisenbank Augsburger Land West attraktiv ist. Gleichzeitig betont der Vorstand, dass mehr als nur monetäre Vorteile dahinter stecken. Dazu verweist er auf die emotionale Bindung der Mitglieder. Diese erreicht die Bank etwa durch die erwähnten Mehrwertprogramme oder die General- und Ortsversammlungen für alle Teilhaber. „Wir sind mehr als eine Bank und verstehen uns als starke Wertegemeinschaft, die für Prinzipien wie Fairness, Verantwortung oder Vertrauen einsteht. So schaffen wir es, eine starke emotionale Bindung zwischen Bank und Mitgliedern herzustellen“, betont Scherer.
Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg senkt Preis für Geschäftsanteil auf 25 Euro
Auch die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg hat sich dem Ziel einer Mitgliederbank verschrieben. Die Vision: Alle Privatkunden sind Teilhaber des Kreditinstituts. Derzeit liegt die Quote bei rund 45 Prozent. Die Beweggründe für den Schritt erklärt Ute Brand, Referentin Mitgliederförderung: „Die Mitgliedschaft ist ein echtes Differenzierungsmerkmal und mit zahlreichen Vorteilen verbunden. Das wollen wir noch stärker kommunizieren und die Menschen einladen, entsprechend zu profitieren.“ Hinzu kommt, dass die Bank auf diesem Weg neues Eigenkapital generieren kann. Um die Hürde für Neu-Mitglieder zu senken, hat das Institut im Jahr 2020 die Höhe eines Geschäftsanteils von 125 Euro auf 25 Euro gesenkt. „Dadurch ermöglichen wir vielen Menschen mit geringem Vermögen, sich aktiv zu beteiligen“, sagt Brand. Derzeit gebe es keinen Zwang zur Mitgliedschaft, in Zukunft sei dies für Neukunden aber vorstellbar.
Die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg bietet ihren Mitgliedern zahlreiche finanzielle Vorteile an. Dazu zählen spezielle Konditionen bei Versicherungen, Vorteile bei einem easyCredit-Ratenkredit oder Zusatzleistungen mit der Goldenen Kreditkarte. Als besonders attraktiv bezeichnet Brand zudem das „Staffelmodell“ zum Zeichnen der Geschäftsanteile. Das Prinzip: Je mehr Leistungen die Mitglieder nutzen, desto mehr Anteile können sie erwerben. Maximal sind 200 Anteile à 25 Euro möglich, also insgesamt 5.000 Euro. Ehepaare beziehungsweise eheähnliche Gemeinschaften können bis zu 10.000 Euro in Geschäftsanteile investieren. „Durch die Dividende, die zuletzt 2,75 Prozent betrug, partizipieren die Mitglieder dann direkt am Geschäftserfolg“, betont Brand.
Wie die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg die Mitgliederförderung in ihrer Organisation verankert hat
Die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg hat die Mitgliederförderung in ihrer Bankorganisation mit einer eigenen Stelle verankert. Seit 2019 ist Ute Brand als „Referentin Mitgliederförderung“ tätig. Zuvor war sie rund 20 Jahre lang Marktbereichsleiterin bei der Raiffeisenbank Aschaffenburg, 2019 fusionierte das Institut mit der Volksbank Aschaffenburg. Ist die Mitgliederförderung eine Vollzeitaufgabe? „Definitiv, insbesondere rund um die Vertreterwahl“, sagt Brand. Passende Kandidatinnen und Kandidaten suchen beziehungsweise anfragen, das Verfahren organisieren, Unterlagen verschicken, Rückfragen beantworten – solche und weitere Tätigkeiten nehmen viel Zeit in Anspruch. Jenseits der Vertreterversammlung organisiert Brand jährlich mehrere Gesprächsrunden für die Vertreterinnen und Vertreter. Und auch sonst gebe es regelmäßig Abstimmungsbedarf, berichtet sie. Beispielsweise hat das Kreditinstitut vor einiger Zeit das Filialnetz optimiert. Um die Interessen aller Seiten unter einen Hut zu bringen, hat sie sich mit den Vertretern vor Ort getroffen und gemeinsam nach passenden Lösungen gesucht. Auch die Mitgliederehrungen für 50 Jahre Treue organisiert Brand. „Viele Menschen freuen sich über die Anerkennung und schätzen es wert, dass wir zu diesem runden Jubiläum an sie denken.“
Zudem ist Brand Ansprechpartnerin für alle Themen rund um die Mitgliedschaft. Mit welchen Anliegen kommen die Menschen auf sie zu? „Größtenteils sind das Informationsfragen“, sagt sie. Die Leute möchten etwa wissen, ob es eine Nachschusspflicht gibt, wie das Staffelmodell bei den Geschäftsanteilen funktioniert oder wie viele Anteile sie aktuell zeichnen können. Außerdem hat sie das Beschwerdemanagement übernommen. „Ich sehe mich als Blitzableiter. Denn die Praxis zeigt, dass sich viele strittige Punkte aus der Welt schaffen lassen, wenn man persönlich miteinander redet. Zudem sind viele Anregungen hilfreich und wir können dadurch unsere Prozesse optimieren“, sagt Brand.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Schlüssel zum Erfolg
Um möglichst viele Menschen von einer Mitgliedschaft zu überzeugen, setzt die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg vor allem auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihnen kommt die zentrale Aufgabe zu, die Kunden in Beratungs- und Servicegesprächen über die Vorteile einer Mitgliedschaft aufzuklären. Dazu hat die Bank die gesamte Belegschaft geschult. Dieses Wissen wird regelmäßig nachgehalten, neue Arbeitskräfte entsprechend ausgebildet. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass sie hinter dem Konzept der Mitgliedschaft stehen und die Mehrwerte überzeugend kommunizieren“, sagt Brand. Ebenfalls wichtig seien die Vertreter, die das Thema als Multiplikatoren in die Fläche tragen würden.
Das Konzept der Mitgliedschaft verfange zunehmend bei den Menschen, ist Brand überzeugt. Gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung sei die Teilhabe an einer starken Bank vor Ort attraktiv. Als Beispiel verweist sie darauf, dass die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg im Herbst 2021 nach vielen digitalen Veranstaltungen die Vertreter endlich wieder zu einem Austausch in Präsenzform begrüßen konnte. Mit großem Erfolg: „Die Menschen waren richtig ausgehungert nach dem persönlichen Kontakt. Sie haben sich sehr über den persönlichen Austausch gefreut und sich intensiv eingebracht. Dieser Einsatz ist überwältigend und zeigt, welche Kraft das Konzept der Mitgliedschaft bei den Menschen entfalten kann“, sagt Brand.
Kurz-Interview: Eine Sprechstunde für die Mitglieder
Mit einer Bilanzsumme von 2,40 Milliarden Euro zählt die VR-Bank Mittelfranken West zu den großen Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern. Das Institut betreut rund 78.000 Kundinnen und Kunden, davon sind rund 45.000 Mitglieder. Wie lässt sich der Kontakt zur Basis halten? Die VR-Bank mit Sitz in Ansbach hat sich dazu entschlossen, in den Hauptstellen in Ansbach und Rothenburg ob der Tauber jeden ersten Freitag im Monat eine Sprechstunde mit dem Vorstand abzuhalten. Über die Erfahrungen berichtet der Vorstandsvorsitzende Gerhard Walther im Kurz-Interview.
Herr Dr. Walther, die VR-Bank Mittelfranken West bietet den Mitgliedern einmal im Monat an, persönlich mit dem Vorstand unter vier Augen zu sprechen. Welche Überlegungen stecken hinter dem Konzept „VR-Mitgliedersprechstunde“?
Gerhard Walther: Wir haben die Mitgliedersprechstunde seit vielen Jahren als festen Bestandteil etabliert, um mit unseren Mitgliedern in direkten Kontakt zu treten. Ein persönliches Gespräch ist durch nichts zu ersetzen und wir positionieren uns damit deutlich als regionaler Ansprechpartner vor Ort. Neben den Grundfesten der Genossenschaftsbanken ist es uns im Gesamtvorstand ein persönliches Anliegen, dass unsere Mitglieder stets ein offenes Ohr für ihre Belange finden. Gerade wenn die Bank größer wird, kann die Mitgliedersprechstunde als Bindeglied für den persönlichen Kontakt zwischen Vorstand und Mitgliedern dienen. Denn seit 1849 gilt bei genossenschaftlichen Banken das demokratische Prinzip: ein Mitglied, eine Stimme – unabhängig von der Anzahl der Mitgliederanteile. Das leben wir in vollen Zügen, eben auch mit unserem Angebot der Mitgliedersprechstunde.
Wie ist die Resonanz und welche Themen liegen den Mitgliedern auf den Herzen?
Walther: Die Resonanz der Mitglieder ist durchweg positiv. Sie schätzen den direkten Kontakt zu uns Vorständen. Denn auch hier bieten wir die Sprechstunde mit regionalem Bezug an – so hat jedes Mitglied die Möglichkeit, persönlich mit „seinem“ Vorstand zu sprechen. Die Themen sind dabei bunt gemischt. Es geht um die Bewertung der Qualität unserer Bank oder auch um die empfundene Kundennähe. Ebenso werden Entscheidungen diskutiert, die unser Filialnetz oder digitale Entwicklungen betreffen.
Welchen Stellenwert besitzt das Thema Mitgliedschaft generell für die VR-Bank Mittelfranken West?
Walther: Mitglieder sind die Basis unserer Bank – wir existieren durch und für unsere Mitglieder. Ihnen gehört die Bank. Daher hat das Thema bei uns einen sehr hohen Stellenwert und ist zudem ein großes Unterscheidungsmerkmal zu allen anderen Bankengruppen in Deutschland. Wir haben uns unseren Eigentümern gegenüber verpflichtet, uns lokal zu verankern, überregional zu vernetzen und demokratisch zu organisieren. Das Prinzip der Genossenschaft hat in den letzten Jahren einen starken Aufschwung erfahren, das möchten wir weiter ausbauen. Aus diesem Grund lassen wir uns regelmäßig neue Mehrwerte für unsere Mitglieder einfallen. Im Jahr 2022 haben wir zum Beispiel für jedes neue Mitglied eine Patenschaft über einen Quadratmeter Blühwiese eingeführt.
Herr Dr. Walther, vielen Dank für Ihre Informationen!
Raiffeisenbank Main-Spessart: Pro Jahr netto 1.000 bis 1.300 neue Mitglieder
Eine der VR-Banken in Bayern mit der höchsten Mitgliederquote ist die Raiffeisenbank Main-Spessart. Nahezu 47.000 der Kundinnen und Kunden sind gleichzeitig Teilhaber. Das entspricht nach Berechnung des Kreditinstituts einem Anteil von rund 78 Prozent, wie Hilmar Ullrich nicht ohne Stolz berichtet. Der Leiter Marketing & Kommunikation verweist darauf, dass pro Jahr netto rund 1.000 bis 1.300 neue Mitglieder hinzukommen. Diese Entwicklung soll weitergehen, betont Ullrich: „Natürlich wird es immer schwerer, neue Mitglieder zu gewinnen, je mehr Teilhaber wir haben. Nichtsdestotrotz verfolgen wir weiterhin die Vision einer reinen Mitgliederbank. Wir sind überzeugt, dass wir mit den Vorteilen weitere Menschen zur Mitgliedschaft animieren können“, betont Ullrich.
Zu den Vorteilen zählt der Marketingleiter vor allem das Bonusprogramm VR-AktivPlus. Je aktiver die Mitglieder sind, desto mehr Punkte können sie sammeln. Dadurch erhalten sie neben einer Dividende auch eine Rückvergütung in Höhe von 1 Euro je Bonuspunkt. Dazu kommen weitere finanzielle Vorteile. Ein Beispiel ist der spezielle Strom- und Gastarif des kommunalen Energieversorgungsunternehmens „Die ENERGIE“ mit besonders günstigen Konditionen und einem jährlichen Bonus. Den Tarif gibt es seit 2020. Er richtet sich ausschließlich an die Mitglieder der Raiffeisenbank Main-Spessart. „Das Angebot hat sich bis zu den jüngsten Kapriolen auf dem Strommarkt sehr gut entwickelt, mittlerweile haben sich 1.500 Haushalte für unseren Tarif entschieden“, sagt Ullrich.
Neben dem Strom- und Gastarif hat die Raiffeisenbank Main-Spessart weitere Leistungen im Portfolio, die zunächst einmal nichts mit dem klassischen Kerngeschäft zu tun haben. Beispielsweise ist das Institut an der regionalen Gutscheinplattform „Maingutschein.de“ beteiligt und kooperiert eng mit der Marke „Strom vom Dach“ der Energiegenossenschaft GenoEnergie Karlstadt. Weitere Projekte sind in Planung. Hinter den Initiativen steht die Absicht, die Mitglieder bestmöglich zu fördern, erklärt Ullrich. „Wir möchten mehr bieten als das reine Bankgeschäft. Mit unseren Leistungen, unserem Netzwerk und unserer Expertise können wir die Mitglieder auch in anderen Bereichen unterstützen. Diese Philosophie kommt sehr gut an“, sagt Ullrich.
In der Region bestens vernetzt
Sehr wichtig für die Raiffeisenbank Main-Spessart ist zudem das Engagement für die Region. „Wir tragen den Namen unseres Heimatlandkreises nicht nur im Namen, sondern sind auch die einzige Bank mit Sitz vor Ort. Das ist als emotionaler Faktor nicht zu unterschätzen“, betont Ullrich. Dementsprechend hat sich das Kreditinstitut auf die Fahne geschrieben, die Heimat im Sinne der Mitglieder zu fördern und sich zur „Genossenschaft für Main-Spessart“ weiterzuentwickeln.
Das geschieht beispielsweise über ein Vereins-Förderprogramm und weitere Spendenprojekte. So hat die Bank zu Beginn der Corona-Pandemie eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen, um die lokale Brauerei Martinsbräu zu unterstützen. 61.000 Euro kamen zusammen. Ein weiteres Beispiel: Die Raiffeisenbank Main-Spessart hat der Kommune Karlstadt 2015 ein ehemaliges Raiffeisenlager im Stadtteil Wiesenfeld günstig zur Verfügung gestellt. Dort entstand ein Geschäft für die ländliche Nahversorgung, das jüngst von der Vereinigung der Bürger- und Dorfläden in Deutschland als „Fünf Sterne Dorfladen“ ausgezeichnet wurde. Ullrich: „Das Projekt zeigt beispielhaft, dass wir uns mit vielen Partnern wie Kommunen, Bauunternehmen oder Energieversorgern vernetzt haben, um gemeinsam die Regionalentwicklung voranzutreiben. Schließlich profitieren alle, wenn die Region lebenswert bleibt und beispielsweise neue Arbeitsplätze entstehen.“
Die Bedeutung der Mitgliedschaft für die Bank gibt Hilmar Ullrich gemeinsam mit Personalleiterin Stefanie Baumann jährlich im Rahmen von Workshops an neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Azubis weiter. Dabei gehen sie zunächst auf das Leben und Wirken der Genossenschaftspioniere Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch ein. Anschließend erklären sie die genossenschaftlichen Prinzipien und das Konzept der Mitgliedschaft. „Auf diese Weise zeigen wir den neuen Kolleginnen und Kollegen, was unsere Bank besonders macht. Das passt bestens in die heutige Zeit, in der viele Menschen eine sinnstiftende Tätigkeit ausüben möchten“, sagt Ullrich. Er ist sich sicher: „Die Mitgliedschaft ist der Kern von Genossenschaftsbanken. Wenn wir es schaffen, die dahinter stehende Ideen und die dazugehörigen Vorteile noch stärker nach draußen zu tragen, können wir viele weitere Menschen von dieser Philosophie überzeugen.“