Wie die Bürgerenergie Chiemgau eG erfolgreich mit den Kommunen vor Ort zusammenarbeitet
Weil der Gesetzgeber die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) kontinuierlich zurückfährt, werden alternative Konzepte zur Stromnutzung von Photovoltaikanlagen immer interessanter. Das stellen auch die Bürgerenergiegenossenschaften fest. Mieterstrom-Modelle bieten hierbei neue Ansätze.
Was ist Mieterstrom?
Mieterstrom kombiniert lokal erzeugten Direktstrom einer Solaranlage, eines Blockheizkraftwerks (Kraft-Wärme-Kopplung) oder einer Windkraftanlage mit Netzstrom zu einem Stromprodukt für private und gewerbliche Endverbraucher. Dabei übernimmt der Anlagenbetreiber beziehungsweise ein Kooperationspartner die Rolle des Stromversorgers und liefert den Strom, der in oder auf dem Haus erzeugt wird, direkt an die Verbraucher in dem Gebäude. Überschüssiger Strom wird vom Netzbetreiber abgenommen und vergütet.
Zusätzlichen Strom kann der Anlagenbetreiber von einem beliebigen Lieferanten beziehen. Dazu dient der Netzanschluss: Er puffert die Differenz zwischen dem aktuell vor Ort produzierten Strom und der aktuellen Nachfrage im Haus, um eine kontinuierliche Versorgung der Verbraucher sicherzustellen. Diese haben dabei immer das Recht, statt dem Mieterstromlieferanten einen alternativen Versorger zu wählen.
Im Vergleich zum Strombezug über das normale Netz fallen beim Mieterstrom verschiedene Preisbestandteile nicht an. Das macht Mieterstrom-Modelle nicht nur für Energiegenossenschaften, sondern auch für Verbraucher interessant. So müssen für den im oder auf dem Haus erzeugten Strom weder Netzentgelte noch Stromsteuer oder netzseitige Umlagen entrichtet werden. Die EEG-Umlage reduziert sich auf 40 Prozent. Bei entsprechender vertraglicher Gestaltung besteht damit ein großes Potenzial, Strom wirtschaftlich zu produzieren. Denn anders als bei üblichen Vermarktungsmodellen kann der Anlagenbetreiber bei einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsplanung mit einer ausreichenden Marge kalkulieren, ohne dass die Nebenkosten den Strompreis zu sehr in die Höhe treiben.
Mieterstrom schneidet besser ab
Bayerische Energiegenossenschaften setzen bereits seit einigen Jahren Mieterstrom-Modelle um, insbesondere mit Solaranlagen. Wirtschaftliche Projekte haben beispielsweise die Bürger Energie Region Regensburg eG (BERR) und die Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG umgesetzt. Bereits seit 2014 beliefert die BERR die Wohnanlage „Haus mit Zukunft“ der NaBau eG im Regensburger Stadtteil Burgweinting mit Mieterstrom. Die Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 97,9 Kilowatt (kWp) versorgt die Mieter, die Haustechnik, die Wärmepumpe und eine Ladesäule für Elektroautos mit Strom. Damit gehört die BERR zu den Mieterstrom-Pionieren. Weitere Projekte sind bereits in der Fertigstellung.
Die BENG eG hat Ende Oktober 2017 eine Photovoltaik-Mieterstromanlage in der Caramanicostraße in Kirchheim bei München mit 58 kWp in Betrieb genommen. Dort profitieren die Bewohner des Gebäudes in zweifacher Hinsicht: Als Mieterstromkunde sparen sie nicht nur Stromkosten, sondern sie werden auch mit dezentral erzeugter, erneuerbarer Energie versorgt. Darüber hinaus können sie sich als Mitglied der BENG eG an der PV-Anlage auf dem Dach des Gebäudes beteiligen.
Neuer Zuschlag für Erzeuger
Am 29. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag als weiteren Anreiz für bestimmte neue Solaranlagen einen speziellen Mieterstromzuschlag nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen, den die Erzeuger zusätzlich zur Vergütung durch den Mieter erhalten. Damit will der Gesetzgeber neue Impulse setzen, insbesondere in Städten Solaranlagen zu installieren und Mietern eine größere Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen. Der Mieterstromzuschlag wurde am 22. November 2017 von der EU-Kommission beihilferechtlich genehmigt.
Dadurch werden Mieterstrom-Modelle für Genossenschaften noch einmal interessanter, weil die Stromvergütung durch den Zuschlag steigt. Das kommt auch den Mietern zugute, die einen preiswerten Zugang zu klimafreundlichem Sonnenstrom erhalten. Mit dem Zuschlag eröffnen sich für Genossenschaften neue Geschäftsmodelle sowie interessante Möglichkeiten der Mitgliederförderung und Kundenbindung. So könnten sie zum Beispiel eine umweltfreundliche und preisgünstige Quartiersversorgung sicherstellen.
Der Zuschlag muss nicht speziell beantragt werden. Es handelt sich dabei um einen gesetzlichen Anspruch nach dem EEG. Allerdings sind – wie bei allen Ansprüchen nach dem EEG – Melde- und Mitteilungspflichten zu beachten. Der Zuschlag richtet sich nach der Anlagengröße und liegt derzeit – abhängig von der Degression – zwischen 3,7 und 2,11 Cent pro Kilowattstunde. Dieser wird für einen Zeitraum von 20 Jahren gewährt, zuzüglich des Jahres der Inbetriebnahme der Anlage.
Wann gibt es einen Zuschlag für Mieterstrom?
- Die Solaranlage darf maximal 100 kWp leisten.
- Der Zuschlag wird zusätzlich zum Strompreis des Mieters gewährt.
- Der Strompreis darf 90 Prozent des Grundversorgungstarifs nicht überschreiten.
- Die Zuschlagshöhe liegt je nach Größe der PV-Anlage derzeit zwischen 3,7 und 2,11 ct/kWh.
- Mindestens 40 Prozent der Gebäudefläche muss zum Wohnen genutzt werden.
- Der Strom wird in dem Wohngebäude verbraucht, auf dem sich die PV-Anlage befindet. Möglich ist auch ein Verbrauch in einem anderen Wohngebäude oder in einer Nebenanlage, wenn ein räumlicher Zusammenhang besteht.
- Die jährliche Fördergrenze liegt bei 500 MW neu installierter Leistung in Deutschland.
Damit der Mieterstromzuschlag gewährt wird, darf die Solaranlage eine maximale installierte Leistung von 100 kWp nicht überschreiten. Zudem darf der mit dem Mieter vereinbarte Strompreis maximal 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs betragen. Die Fläche des Gebäudes muss mindestens zu 40 Prozent zu Wohnzwecken genutzt werden. Außerdem ist es erforderlich, dass der Strom in dem Wohngebäude, auf dem sich die Solaranlage befindet, oder in räumlicher Nähe ohne die Nutzung des öffentlichen Stromnetzes in einem anderen Wohngebäude oder einer Nebenanlage verbraucht wird. Dazu gehört zum Beispiel eine Ladestation für Elektrofahrzeuge in der Garage.
Wenn der Strom aber auf einem Nichtwohngebäude erzeugt wird, zum Beispiel auf dem Flachdach der Garage oder dem Carport, wird kein Mieterstromzuschlag gewährt. Jedes Jahr werden zudem nur bis zu insgesamt 500 Megawatt neu installierte Anlagenleistung in Deutschland gefördert. Für Überschussstrom, der in das Netz des öffentlichen Versorgers eingespeist wird, besteht weiterhin Anspruch auf die EEG-Vergütung oder die Marktprämie.
Kooperation mit Wohnungsverband
Die Einführung des Mieterstromzuschlags hat der GVB zum Anlass genommen, Gespräche mit dem Verband bayerischer Wohnungsunternehmen e.V. (VdW Bayern) aufzunehmen, um mögliche Kooperationen auszuloten. Ziel ist es, durch die Zusammenarbeit zwischen Wohnbaugenossenschaften beziehungsweise Wohnbaugesellschaften und Energiegenossenschaften Mieterstrom-Vorhaben in Bayern als Leuchtturmprojekte umzusetzen. Daraus sollen Muster entwickelt werden, die sich auf andere Vorhaben übertragen lassen. Unter anderem nahmen Vertreter des VdW Bayern am Tag der bayerischen Energiegenossenschaften in Beilngries teil, um erste Kontakte zu knüpfen. Der GVB wird über die Fortschritte der Gespräche berichten.
Daniel Caspari ist Referent für Energiegenossenschaften beim Genossenschaftsverband Bayern. Er ist unter energie-gvb@gv-bayern.de oder 089 / 2868-3577 erreichbar.