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In den 1920er-Jahren wurde der ehemalige Steinbruch auf der Schönau in der mittelfränkischen Stadt Weißenburg für Theateraufführungen entdeckt. Ganz in der Nähe eines Schauplatzes, an dem bereits im 18. Jahrhundert Freilichtaufführungen stattfanden, wurde 1929 das Bergwaldtheater gegründet. „Doch ein Jahrhundert später war die Naturbühne ein wenig in Vergessenheit geraten“, erzählt Maximilian Hetzner aus Weißenburg.

Groß aufgezogene Theaterproduktionen

Von den 1950er- bis 1970er-Jahren hatten die Städtischen Bühnen Nürnberg das Weißenburger Freilufttheater zwar für Aufführungen genutzt. Auch Musicalproduktionen oder Kindertheaterinszenierungen belebten in den vergangenen Jahren immer wieder die Naturbühne. Zuletzt gab es sogar ein Musikfestival, das zahlreiche Besucher anlockte. So richtig aus dem Dornröschenschlaf erwachte das Bergwaldtheater im Jahr 2019 mit der Aufführung von „Der Lebkuchenmann“, einem Stück, das der österreichische Autor Franz Griebl alias Franzobel geschrieben hatte.

Franzobel, im Jahr 2017 als Bayerischer Buchpreisträger ausgezeichnet, hatte als Stadtschreiber der mittelfränkischen Stadt ein Stück über die Geschichte Weißenburgs für die Inszenierung auf der Naturbühne verfasst. „Ganz groß haben wir unser erstes Theaterprojekt aufgezogen“, berichtet Hetzner, Heilpraktiker und Mitglied im Weißenburger Stadtrat. „Rund 150 Leute auf der Bühne, zudem engagierten wir Profi-Schauspieler und den bekannten Regisseur Georg Schmiedleitner. Es war ein verrücktes Stück, das die ganze Stadt beschäftigt hat. Kleiner werden, das können wir ja dann immer noch, dachten wir uns“, erinnert sich Hetzner.

Doch es kam anders: Drei Jahre später, 2022, folgte ein weiteres großes Theaterprojekt: „Der größte Glückskeks“ von Clemens Berger mit dem niederbayerischen Schauspieler Sigi Zimmerschied in einer Hauptrolle.

Jetzt im Jahr 2025 steht das nächste große Projekt an: Erneut wird die Naturbühne zum Schauplatz eines Stücks, das ein Stadtschreiber für die Kleinstadt in Mittelfranken schreibt. Wieder steht eine Uraufführung auf dem Programm. Hinter den Kulissen gibt es allerdings eine große Veränderung: Um weiter Theateraufführungen auf ihrer Naturbühne organisieren zu können, haben die Weißenburger eine Genossenschaft gegründet. Maximilian Hetzner ist mittlerweile Vorstandsvorsitzender der Theatergenossenschaft: „Die Theaterbürger – Weißenburg führt sich auf“.

Bürger spielen für Bürger

Im März 2024 wurde die gemeinnützige Genossenschaft „Die Theaterbürger – Weißenburg führt sich auf“ gegründet und als Mitglied im Genossenschaftsverband Bayern aufgenommen. Mitglied kann jede oder jeder werden, der die Genossenschaft bei der Umsetzung ihrer Projekte unterstützen möchte. Ein Mitwirken vor oder hinter der Bühne ist nicht erforderlich, aber bei Interesse natürlich möglich. Denn die Mischung macht’s: „Wer uns dabei unterstützen will, ist herzlich willkommen! Ob als Schauspielerin oder Schauspieler, als Helferin oder Helfer, als Genossin oder Genosse oder am besten alles auf einmal“, heißt es auf der Webseite der „Theaterbürger“. Dort findet man auch die Satzung und das Beitrittsformular.

Am Samstag, 25. Januar, und Sonntag, 26. Januar, jeweils ab 14 Uhr findet das Casting-Wochenende für die neue Produktion in der Roßmühle 10 in Weißenburg statt. Im neuen Stück gibt es eine Vielzahl an Rollen, die es zu besetzen gilt.

Hindernisse und Herausforderungen bei Inszenierungen

„Bürgertheater ohne Barrieren“ haben sich die Weißenburger Theaterschaffenden auf die Fahnen geschrieben. „Ohne Barrieren“ – denn wer Kulturprojekte – und auch größere – umsetzen möchte, sieht sich schnell mit Hindernissen und Herausforderungen jeglicher Art konfrontiert.

Bei ihren bisherigen Produktionen arbeitete die Laiengruppe eng mit der Stadt Weißenburg zusammen. „Doch die Stadt möchte die Organisation unserer Inszenierungen nicht mehr übernehmen“, sagt Hetzner und erklärt: „Eine städtische Verwaltung kann oft nicht so schnell reagieren, wie der Theaterbetrieb es erfordert. So war unser Kulturamt trotz all des Engagements überfordert.“ Die Laiengruppe wollte aber nicht aufgeben. Die Theaterbegeisterten begannen sich umzuhören und verschiedene Modelle durchzuspielen. „Von der Struktur her erschienen uns sowohl die Gründung eines Vereins als auch einer gemeinnützigen GmbH als zu schwach.“

In die richtige Richtung stieß die Kulturschaffenden aus Mittelfranken der Münchner Musik- und Kabarettveranstalter Till Hofmann, mit dem sie in Kontakt traten: „Macht doch eine Genossenschaft“, lautete dessen Vorschlag.  Auf diese Idee kam der Kulturmanager aus gutem Grund: Er selbst ist einer der Vorstände von Bellevue di Monaco, dem Wohn- und Kulturzentrum für geflüchtete Menschen und interessierte Münchnerinnen und Münchner. Ihr Projekt ist eine Sozialgenossenschaft mit über 750 Mitgliedern, mit der sie mitten in München ein Gebäude renoviert haben, in dem sie nun Beratungen anbieten, Raum für Veranstaltungen haben und ein Kulturprogramm auf die Beine stellen.

Die Genossenschaft ermöglicht Kulturproduktionen

Gemeinschaftlich eine Genossenschaft gründen, so kann es funktionieren. Um den Gewinn des Einzelnen geht es bei den Projekten der Weißenburger Theaterschaffenden nicht. Vielmehr um die Weiterführung ihrer Produktionen auf demselben Niveau wie bei „Der Lebkuchenmann“ und „Der größte Glückskeks“.

„Die Naturbühne überlässt uns die Stadt Weißenburg kostenlos für unsere Produktionen“, sagt Hetzner. Doch für Aufführungen braucht es so viel mehr als ein paar Bretter, die laut Friedrich Schiller die Welt bedeuten. „Wir haben ein paar kleine Gebäude, eine Umkleide, natürlich Toiletten“, zählt der Vorstand der „Theaterbürger“ auf. Doch es geht nicht nur um die Instandhaltung und das Betreiben der Infrastruktur. Mit Georg Schmiedleitner haben die Weißenburger einen professionellen Regisseur engagiert. Für Produktionen in dieser Größenordnung bedarf es zudem einer Produktionsleitung. Es geht um die Dramaturgie, das Bühnenbild, die Kostüme und Maske. Die Bühne muss gekonnt ausgeleuchtet werden, der Ton muss stimmen, Musik kommt hinzu. Das Marketing und der Kartenvorverkauf müssen gestemmt werden, ein Sicherheitsdienst ist an den Aufführungstagen vor Ort.

„Und neben all den Laien-Schauspielern auf der Bühne verpflichten wir eben noch wenige professionelle Schauspieler. Denn prominente Gesichter ziehen die Leute an“, sagt Hetzner. Um Theater zu verwirklichen, um aus dem Text ein bildgewaltiges Gesamtkunstwerk zu schaffen, benötigt man Geld. Kultur funktioniert leider nicht ohne ein stimmiges Finanzkonzept – da hilft all der Feuereifer allein nichts, den die Weißenburger für ihre Theaterinszenierungen aufbringen.

Vereint durch die Begeisterung fürs Theater

„Ein harter Kern an Akteuren“ aus Weißenburg setzte gemeinsam mit dem Gründungsteam des Genossenschaftsverbands Bayern die Gründungspläne um. „Unser Gründerkreis besteht aus einem Buchhändler, einem Zeitungsredakteur, einem Rentner, einer Stadtführerin, einer Büro-Angestelltem, einem Einzelhändler, einem Unternehmer, einem Künstler, einem Elektriker und mir, einem Osteopathen“, zählt Hetzner auf. „Uns vereint die Begeisterung für das Theater, eine Genossenschafts-Gründung war für uns aber Neuland.“

So galt es zum Beispiel, einen Steuerberater zu finden oder sich Gedanken zu machen, wer für den Vorstand und den Aufsichtsrat der Genossenschaft infrage kommt. Sponsoren und finanzielle Förderer hatten sie bereits, wie die Wilhelm und Christine Hirschmann Stiftung oder die Sparkassen Kultur Stiftung Weißenburg in Bayern. „Und auch die Stadt Weißenburg fördert uns drei Jahre lang mit 300.000 Euro, pro Jahr also 100.000 Euro.“

Im März 2024 war es dann so weit: Als Genossenschaft übernahmen die „Theaterbürger“ von der Stadt Weißenburg, dem bisherigen Veranstalter, die operative Umsetzung des Theaterbetriebs auf der Naturbühne im Weißenburger Stadtwald. Gemeinschaftlich können sie als Theatergenossenschaft fortan ihre Inszenierungen entwickeln, produzieren und aufführen. Maximilian Hetzner ist der Vorstandsvorsitzende, Mathias Mayer sein Stellvertreter. „Und jeder kann Mitglied werden“, betont der Vorstand. Gemeinschaftlich werden die Theaterprojekte getragen. Mittlerweile besteht die Genossenschaft aus 150 Mitgliedern. „Gerade haben wir 70 Genossinnen und Genossen neu hinzugewinnen können“, berichtet der Vorstandsvorsitzende.

Die Rohfassung des neuen Stücks steht

Wie bei ihren vorherigen Produktionen auch sollen im Sommer – im Juli 2025 – acht Aufführungen stattfinden. Premiere ist am Samstag, 12. Juli. Der Theater-Autor Roland Spranger war dieses Mal als Stadtschreiber zu Gast in Weißenburg und hat das Stück „Archaeopteryx. Der Stein vergisst nicht“ verfasst. „Eine Rohfassung des Stücks steht“, verrät Hetzner. Eine gemeinsame Lesung des Stücks hat bereits im November 2024 stattgefunden.

Wieder wird viel ehrenamtliches Engagement die Produktion tragen. „Ähnlich wie bei unserer ,Glückskeks‘-Produktion rechnen wir mit etwa 80 Beteiligten vor und hinter der Bühne“, sagt der Vorstand der „Theaterbürger“.

„Es ist etwas Besonderes, wenn so viele Leute aus den unterschiedlichen Bereichen gemeinsam ein Stück entwickeln."

Maximilian Hetzner, Vorstand der Theaterbürger

„Das Casting für die Laien-Schauspieler wird im Januar stattfinden“, kündigt Hetzner an. „Die intensive Probenzeit beginnt ab April/Mai. Und wie gewohnt werden wir drei prominente Schauspieler verpflichten, die eine Gage bekommen.“ Neu sei allerdings, dass die neu gegründete Genossenschaft seit Juni 2024 mit Christian Peter Hauser einen hauptamtlichen Produktionsleiter habe.

Demnach wird unter professioneller Leitung in den kommenden Monaten erneut ein Bürgertheater entstehen. Schon jetzt freut sich Hetzner auf den besonderen „Spirit“, diese Energie, die alle Mitwirkenden vor und hinter der Bühne nicht nur bei den Aufführungen, sondern schon im Entstehungsprozess erfüllt. „Es ist etwas Besonderes, wenn so viele Leute aus den unterschiedlichen Bereichen gemeinsam ein Stück entwickeln“, sagt der Vorstand der Theatergenossenschaft. „Für jeden eine Selbsterfahrung und jedes Mal faszinierend, was unser Regisseur aus einem auf der Bühne herauskitzelt.“

Weiter schwärmt Hetzner davon, wie sich nicht nur der einzelne Akteur entwickelt, sondern auch die Inszenierung selbst: „Ist das Stück bei der Derniere noch dasselbe wie bei der Premiere?“ Hauptsache, die Begeisterung aller Beteiligten ebbt nicht ab, ein kulturelles Projekt in dieser Größenordnung gemeinsam zu stemmen. Die Gründung der Theatergenossenschaft hilft da gewiss, Hindernisse bei der Verwirklichung von Kultur aus dem Weg zu räumen, um dem gesteckten Ziel „Bürgertheater ohne Barrieren“ so nah wie möglich zu kommen.

Aufführungstermine von „Archaeopteryx. Der Stein vergisst nicht“

Die Premiere ist am Samstag, 12. Juli. Auch am Sonntag, 13. Juli, wird gespielt. Weitere Aufführungstermine sind am 18., 19.  und 20. Juli sowie am 25., 26. und 27. Juli – jeweils um 19.30 Uhr.

Karten gibt es beim Kulturamt Weißenburg sowie an allen bekannten Reservix-Vorverkaufsstellen und unter www.reservix.de.

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