#GenerationZUKUNFT: Die Volksbank Raiffeisenbank Dachau hat ein komplett neues Konzept zur Ansprache junger Kunden entwickelt. „Profil“ hat die Macher besucht.
Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021 müssen Banken bei Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Sonderbedingungen grundsätzlich die Zustimmung des Kunden einholen. Sie dürfen diese nicht mehr als erteilt voraussetzen, sofern der Kunde nicht innerhalb einer gewissen Frist widerspricht. Bei den Kreditinstituten führt das Urteil zu einer hohen Arbeitsbelastung, denn sie müssen bei AGB-Änderungen jeden betroffenen Kunden einzeln kontaktieren und um Zustimmung bitten.
Neben der Atruvia haben sich mittlerweile weitere Dienstleister am Markt etabliert, die den Banken diese Arbeit zumindest teilweise abnehmen. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat den Markt sondiert und sich für eine Kooperation mit der indiwe GmbH aus Karlsruhe entschieden. Das Unternehmen hat sich mit der Anwendung „Marketingfabrik“ auf automatisierte Kundenkommunikation und gezielte Marketingaktionen spezialisiert. Gemeinsam unterstützen GVB und indiwe die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken dabei, bei AGB-Änderungen die Zustimmung der Kunden einzuholen.
Vierköpfige Projektgruppe
Die VR-Bank Passau nutzt das Angebot der indiwe. „Wir wollten unsere AGB-Sonderbedingungen ändern und zugleich zum 1. Oktober 2022 die Gebühren anpassen. Dazu haben wir das Einverständnis unserer Kunden benötigt“, berichtet Projektleiterin Simone Klein aus dem Prozess- und Projektmanagement der VR-Bank Passau. Zur vierköpfigen Projektgruppe zählten neben Klein noch je eine Kollegin beziehungsweise ein Kollege aus dem Vertrieb, dem Vertriebs-Controlling sowie dem Online-Marketing. Anfang April 2022 sei sie durch ein Webinar des GVB auf die Marketingfabrik aufmerksam geworden, berichtet die Projektmanagerin. Nachdem auch das Team von dem Grundkonzept sehr angetan war, gab Klein die Informationen an den Vorstand weiter und knüpfte erste Kontakte mit den Ansprechpartnern der indiwe. In der Folge waren sich Bank und Dienstleister schnell einig, bereits Ende April 2022 war der Vertrag fixiert.
Fixer Termin für Druck und Versand der Unterlagen
Terminlich hatte das Projekt einen Fixpunkt: „Um die Gebührenanpassung wie geplant zum Oktober 2022 umzusetzen, mussten wir die Zustimmungsunterlagen auf Papier im Sommer versenden. Für Druck und Versand hatten wir fixe Termine bei unserem Dienstleister Schwäbisch Hall Facility Management gebucht. Wenn wir diese versäumt hätten, wäre es nahezu unmöglich geworden, kurzfristig Ersatz zu finden. Deswegen war es wichtig, dass wir uns an diese zeitlichen Vorgaben halten“, berichtet Klein. Das hätten die Verantwortlichen der indiwe zugesagt. „Außerdem hat das Angebot preislich gepasst“, sagt die Projektmanagerin.
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Der rechtzeitige Versand der Unterlagen auf Papier bestimmte den zeitlichen Ablauf, doch die VR-Bank Passau wollte ihre Kunden auf möglichst vielen verschiedenen Kanälen ansprechen. Die Wahl fiel schließlich neben dem klassischen Brief auf eine Ansprache per E-Mail sowie über das elektronische Postfach im Onlinebanking. Außerdem wurden die Servicemitarbeiter mit einer kleinen Meldung auf die ausstehende Zustimmung hingewiesen, wenn sie am Schalter Kontakt mit dem Kunden hatten und dessen Daten am Bankarbeitsplatz aufriefen.
Konzept aus mehreren Bausteinen
Nach dem Vertragsabschluss tauschten sich die Projektteilnehmer über den technischen Ablauf sowie das Konzept aus. Dabei wurden Fragen diskutiert wie: Zu welchen Terminen sprechen wir die Kunden an? Über welche Kanäle? Welche Kunden nehmen wir von der Aktion aus? Mit welchen Texten sollen die Kunden abhängig vom Kommunikationskanal angesprochen werden? Der modulare Aufbau des Angebots sowie die ganze Palette der technischen Möglichkeiten seien der Bank sehr entgegengekommen, berichtet Klein. „So konnten wir uns die Bausteine aussuchen, die am besten zu uns gepasst haben.“ Der Konzeptvorschlag sowie die Terminzusage seien der Türöffner für die indiwe gewesen.
Anschließend implementierte das Team der indiwe die Systemanforderungen der VR-Bank Passau in die Marketingfabrik und gewährte den berechtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bank Zugriff auf die Webanwendung. Die Projektgruppe bereitete die Individuelle Datenauswertung (IDA Select) zur Selektion der Kunden sowie den Datenaustausch vor. Zudem erarbeitete sie die Texte für die Webseite, das elektronische Postfach und die gedruckten Medien. Diese hatten zwar den gleichen Inhalt, mussten aber individuell auf den jeweiligen Kommunikationskanal zugeschnitten werden. Die Projektgruppe war auch die Schnittstelle zu Marketing und Vertrieb, um die Berater und Servicemitarbeiter mit den nötigen Informationen zu versorgen, damit sie die Kunden anschließend um Zustimmung zu den geänderten AGB bitten konnten.
Datenschutz war Teil der Vertragsprüfung
Im nächsten Schritt selektierte die Bank die zu kontaktierenden Kunden und importierte die Datensätze in die Anwendung. Der Schutz der Daten hat beim Transfer oberste Priorität. Diese werden nur über sichere Kanäle übertragen, der Datenschutz war ein wesentlicher Teil der Vertragsprüfung. „Sonst hätte unser Datenschutzbeauftragter seine Zustimmung gar nicht gegeben“, sagt Simone Klein. Auch die Daten für den Versand der postalischen Unterlagen durften nur nach klaren Vorgaben und separater Freigabe durch die Bank weitergegeben werden. Ein automatisierter Datenaustausch zwischen Marketingfabrik und Banksystem ist nicht möglich, da es keine direkte Schnittstelle gibt.
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Insgesamt bat die Bank ihre Kunden in drei Wellen um Zustimmung zu den AGB-Änderungen, da viele bei nur einmaliger Ansprache nicht reagierten. Dabei wurden die verschiedenen Kommunikationskanäle auch kombiniert beziehungsweise variiert, um die Kunden bestmöglich zu erreichen. Die indiwe bereitete die Datensätze in der Marketingfabrik entsprechend auf und übernahm die Kundenansprache über die verschiedenen Kanäle. Sobald ein Kunde seine Zustimmung zu den AGB-Änderungen gegeben hatte, wurde das im IT-System der Bank vermerkt.
Damit sowohl die indiwe als auch die Bank täglich genau im Bilde waren, über welche Kanäle die Kunden angeschrieben wurden und welche bereits zugestimmt haben, wurden die Daten täglich ausgetauscht und auf den aktuellen Stand gebracht. „So haben wir sichergestellt, dass kein Kunde auf einem Kanal doppelt kontaktiert oder nochmal angeschrieben wurde, obwohl er bereits zugestimmt hat“, berichtet Kein. Insgesamt wurden rund 50.000 Kunden angesprochen, davon rund 30.000 per normaler Post.
Schnelle Unterstützung zu jeder Zeit
Das Team der indiwe unterstützte das Projektteam der VR-Bank Passau bei der Aufbereitung der Daten und bei der Nutzung der Marketingfabrik. Diese sei einfach aufgebaut und in vielen Fällen selbsterklärend, damit seien die Kolleginnen und Kollegen gut zurechtgekommen, betont Klein. Zudem können sich die Nutzer direkt in der Anwendung über ein Ticketsystem an die Experten der indiwe wenden. Die Rückmeldung sei immer prompt gekommen. „Das Team rund um die Marketingfabrik hat uns zu keiner Zeit allein gelassen. Wir wurden gut durch das Programm navigiert und bei Fragen waren die Wege immer kurz“, sagt die Projektmanagerin.
Oft habe auch eine schnelle E-Mail gereicht, um die gewünschte Information zu erhalten. Wenn das Anliegen doch mal etwas komplizierter gewesen sei, seien die Experten der indiwe auch kurzfristig telefonisch erreichbar gewesen. „Bevor man per E-Mail komplizierte Fragen formuliert, ergibt sich die Antwort häufig schnell im Gespräch“, ist Klein überzeugt. Durch den Austausch sei es auch möglich gewesen, die Anwendung schnell und zielgenau an die Bedürfnisse der Bank anzupassen. „Es hat beiden Seiten geholfen zu verstehen, was das System mit den Daten macht und welche Feinheiten sich wie auswirken.“
Nach der ersten Versandwelle setzte sich das Team der indiwe mit dem Projektteam der VR-Bank Passau zusammen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und den Verlauf des Projekts intensiv zu analysieren. Zum Projektende erstellte die indiwe dann eine ausführliche Auswertung. Das habe beide Seiten weitergebracht, betont Simone Klein, denn die Erkenntnisse aus dem Projekt mit der VR-Bank Passau lasse die indiwe auch in Verbesserungen ihrer Software fließen. Monatlich stellen die Ansprechpartner der indiwe in der sogenannten Release-Kaffeepause Neuerungen in der Marketingfabrik vor. „Zwischen Banken und dem Team der indiwe gibt es einen sehr regen Austausch“, lobt Klein.
99,4 Prozent Zustimmungsquote nach vier Monaten
Die Zustimmungsquote war auch aufgrund der Zusammenarbeit mit der indiwe überdurchschnittlich hoch. „Wir hatten nach nicht einmal zwei Monaten allein durch die Ansprache über die verschiedenen Kommunikationskanäle eine Zustimmungsquote von gut 80 Prozent erreicht. Bis dahin mussten unsere Berater nicht aktiv auf die Kunden zugehen“, berichtet Klein. Nach vier Monaten lag die Zustimmungsquote Ende Oktober laut Klein bei 99,4 Prozent. „Diese Entwicklung freut uns sehr.“ Durch den modularen Aufbau der Zustimmungsaktion und die Multikanalstrategie sparte sich die VR-Bank Passau zudem den postalischen Versand von mehreren Tausend Vertragswerken mit insgesamt 112 Seiten. „So konnte wir auch noch die Kosten reduzieren“, sagt Klein.
Weitere Kampagnen in der Prüfung
Aktuell überlegt die VR-Bank Passau, weitere Kampagnenformate der Marketingfabrik zu testen. Denkbar wäre etwa, alle Kunden zwischen 20 und 30 Jahren anzusprechen, die zwar ein Girokonto bei der VR-Bank Passau haben, aber kein Bankdepot, gibt Klein ein Beispiel. „Die monatliche Grundgebühr ist bezahlt, die Software implementiert, was also spricht dagegen, die Zusammenarbeit zu vertiefen?“, fragt die Projektmanagerin.
Und auch das Fazit zur bisherigen Zusammenarbeit fällt sehr positiv aus. Besonders hebt Klein die schnellen persönlichen Rückmeldungen durch das Team der indiwe sowie die Zusage hervor, trotz des Zeitdrucks die Versandtermine einzuhalten. „Das war sportlich, aber die Verantwortlichen haben Wort gehalten. Wir fühlen uns in unserer Entscheidung bestätigt“, sagt Klein. Das BGH-Urteil und seine Folgen werden die Banken weiter beschäftigen. Ein großes Kompliment gehe auch an den GVB, betont Klein. „Es war gut, dass sich der Verband frühzeitig nach Alternativen umgeschaut hat, die uns dabei helfen, die Zustimmung der Kunden bei AGB-Änderungen einzuholen. Deshalb: Daumen hoch für die Zusammenarbeit mit der indiwe und dem GVB.“
Ansprechpartner beim GVB
Mittlerweile nutzen über 20 bayerische Volksbanken und Raiffeisenbanken die Marketingfabrik. Der GVB unterstützt und berät seine Mitgliedsbanken bei der technischen Anpassung der Anwendung. Fragen von Mitgliedsbanken des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) zur Marketingfabrik beantwortet Sebastian Scholz, sscholz(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3457. Weitere Information zur Marketingfabrik gibt es im MuV-Manager.