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Wie wird das Wetter heute? Wann hat Cäsar gelebt? Warum ist der Himmel blau? Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, Antworten auf solche Fragen im Internet zu suchen. Doch in der Arbeitswelt kommt diese Entwicklung nur schleichend an. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der meisten Unternehmen ist es häufig mit einigem Aufwand verbunden, zentrale Informationen zu finden. Datenbanken, Organisationshandbücher oder Dokumentensammlungen sind meist nicht sehr benutzerfreundlich angelegt. „Während sich die Welt weitergedreht hat und wir bequem per Sprachfunktion das Fernsehprogramm wechseln, muss man auf der Arbeit umständlich suchen, um etwa die Telefonnummer eines Kollegen zu finden“, fasst Fabian Schneider den Stand zusammen. Er leitet das Innovationsmanagement bei der VR Bank Metropolregion Nürnberg.

Das Kreditinstitut entstand 2021 aus einer Dreierfusion der VR-Bank Erlangen-Höchstadt-Herzogenaurach, der Volksbank Raiffeisenbank Nürnberg und der VR meine Bank. Der Zusammenschluss bot die Chance, die interne Kommunikation auf den Prüfstand zu stellen und neu zu gestalten. „Wir wollten den Kolleginnen und Kollegen ein innovatives Produkt an die Hand geben, damit sie sich in der neuen Bank schnell zurechtfinden können“, erklärt Schneider. Dazu hat das Institut einen Chatbot namens Mia entwickelt. Die smarte Kollegin ist seit Ende Juli 2021 im Dienst.

​​​​​​​ZWF Innovationspreis für Mia

Für den Chatbot Mia erhielt die VR Bank Metropolregion Nürnberg dieses Jahr den ZWF Innovationspreis der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die Entscheidung wurde Ende Oktober 2022 beim digitalen Marketing- und VertriebsForum des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) verkündet (siehe dazu den Bericht in „Profil“ 11/2022). Weitere Informationen zu Mia gibt es im ZWF-Innovationspool.

Sechs zentrale Vorteile

Einen Chatbot für die interne Kommunikation einzusetzen bietet aus Sicht von Innovationsmanager Fabian Schneider mehrere Vorteile:

  • Die Mitarbeiter können gezielt nach Informationen suchen. Es reicht aus, ein oder mehrere Schlagwörter einzugeben. „Das ist gleichbedeutend mit einem Paradigmenwechsel: Anstatt selbst zu suchen, wird der Chatbot beauftragt“, erklärt Schneider.
  • Die Mitarbeiter sparen Zeit bei der Suche nach Informationen und können sich stattdessen ihren eigentlichen Aufgaben widmen.
  • Die Bank schafft ein Mitarbeiter-Erlebnis, da der Chatbot ein modernes, innovatives und zeitgemäßes Tool sei, betont Schneider: „In der privaten Kommunikation ist das Chatten per Smartphone längst zum Alltag geworden. Mit dem Chatbot zahlen wir auf diese Entwicklung ein.“
  • Der Chatbot lässt sich gut in die bestehenden Strukturen integrieren. Bei Bedarf kann er beispielsweise auf Datenbanken oder das Organisationshandbuch verlinken.
  • Der Chatbot beantwortet fallabschließend wiederkehrende Fragen, zum Beispiel, was bei der Umstellung des TAN-Verfahrens zu beachten ist. Dadurch entlastet er langfristig die Mitarbeiter in den unterstützenden Bereichen der Bank. Sie müssen solche Fragen nicht mehr persönlich beantworten.
  • Durch den Chatbot kann die Bank analysieren, welche Fragen die Mitarbeiter stellen und welche Themen sie interessieren. Darauf kann sie dann zielgenau reagieren. „Selbstverständlich erfüllen wir dabei die Datenschutzbestimmungen. Wir sehen lediglich, was gefragt wird, und nicht, wer gefragt hat“, betont Schneider.

Wie Mia funktioniert

Und so funktioniert der Chatbot: Die Mitarbeiter der VR Bank Metropolregion Nürnberg starten auf ihren PCs oder Laptops das Programm „Frag Mia!“. Auf der Benutzeroberfläche können sie nun Buttons mit vorgegebenen Themen wie „Verschmelzung“, „Zuständigkeiten-Liste“ oder „TAN Verfahren Umstellung“ anklicken. Dann erhalten sie alle relevanten Informationen auf einen Blick oder können ihr Anliegen weiter spezifizieren. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Fragen über die Tastatur einzugeben. Dabei reichen Schlagwörter aus, es können aber auch ganze Sätze eingetippt werden.

Zu Beginn konnte Mia vor allem Fragen zur Fusion beantworten. Zum Beispiel: Ändern sich die Kontonummern? Wie lauten die neue Bankleitzahl oder die juristische Adresse? Bekommen die Kunden eine neue Girocard? „Es ging uns darum, dass die Mitarbeiter erste Erfahrungen mit Mia sammeln. Die Verschmelzung war die ideale Gelegenheit, um zu zeigen, was der Chatbot leisten kann“, erklärt Schneider. Seitdem sind weitere Themengebiete hinzugekommen. Besonders gerne wird die Funktion „Wer macht was?“ genutzt. Dort gibt es eine Übersicht über alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank samt ihren Zuständigkeiten und Kontaktdaten. Das sei ein großer Mehrwert, da sich durch den Zusammenschluss viele Zuständigkeiten und Ansprechpartner geändert haben, bekräftigt Schneider.

Woher kommt der Name Mia?

„Wir haben uns intuitiv für einen weiblichen Namen entschieden und anschließend nach beliebten Frauennamen recherchiert. Unser Antrieb war, einen möglichst kurzen und prägnanten Namen zu finden. Mia ist sehr einprägsam und hat daher gut zu unseren Anforderungen gepasst“, erklärt Fabian Schneider.

Welche Fragen werden die Mitarbeiter stellen?

Neben Fabian Schneider hat vor allem Michael Reinl die Entwicklung des Chatbots vorangetrieben. Reinl ist Teil des Teams Innovationsmanagement bei der VR Bank Metropolregion Nürnberg, insgesamt gibt es in der Abteilung vier Mitarbeiter sowie einen Werkstudenten. Die Arbeiten am Chatbot starteten im Frühjahr 2021. Erste Aufgabe war, ein Konzept zu erstellen. „Wir haben uns sehr genau überlegt, welche Anforderungen der Chatbot erfüllen soll. Besonders wichtig war uns, zu ermitteln, welche Themengebiete die Kolleginnen und Kollegen interessieren und welche Fragen sie wahrscheinlich stellen werden“, erzählt Reinl. Begleitet wurde die Bank dabei durch die Selected Ideas GmbH. Das Gemeinschaftsunternehmen einiger Experten und mehrerer VR-Banken unterstützt als strategischer Partner bei digitalen sowie innovativen Projekten. „Uns war wichtig, einen flexiblen Chatbot-Anbieter zu finden, welcher sich in die IT-Architektur von Volksbanken und Raiffeisenbanken einfach integrieren lässt. So können bei Bedarf weitere interessierte VR-Banken schnell loslegen und wir den Erfolg multiplizieren“, sagt Klaus Artmann, Geschäftsführer der Selected Ideas GmbH.

Nachdem das Konzept stand, machte sich die VR Bank Metropolregion Nürnberg gemeinsam mit der Selected Ideas GmbH auf die Suche nach einem passenden Dienstleister. Chatbots von drei Unternehmen wurden intensiv unter die Lupe genommen. Am Ende setzte sich die Chatbot-Software „Kiko“ der Agentur 1.000 Grad Digital aus Leipzig durch. „Uns hat überzeugt, dass Kiko die Fragen sehr genau erkannt hat, dass die Daten auf deutschen Servern liegen und dass das Preis-Leistungs-Verhältnis gestimmt hat“, sagt Fabian Schneider.

Chatbot ist nach dem MVP-Prinzip entwickelt

Anschließend arbeitete das Projektteam eine Woche lang intensiv am Chatbot. „Wir haben uns fünf Tage zu einem Design-Sprint zurückgezogen und nur auf Mia fokussiert“, erklärt Reinl. Am Ende stand der erste Prototyp. Entwickelt wurde der Chatbot nach dem sogenannten MVP-Prinzip (Minimum Viable Product), das auch die Atruvia verwendet. Das bedeutet: Das Produkt wird allen Nutzern oder einer bestimmten Nutzergruppe zur Verfügung gestellt, sobald es grundlegend funktionsfähig ist. Die Entwicklung läuft auf Basis des Nutzerfeedbacks weiter. „Das Vorgehen war sinnvoll, weil wir so schnell wie möglich die Rückmeldungen der Kollegen einsammeln und auf dieser Basis Verbesserungen umsetzen wollten“, sagt Reinl.

Für Mia gab es zunächst einen Testlauf mit ausgewählten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ende Juli 2021 – rund drei Monate nach Start des Projekts – wurde der Chatbot dann für die gesamte Belegschaft ausgerollt. Um Mia bekannt zu machen, hat sich die Bank einiges einfallen lassen. Beispielsweise haben Schneider und Reinl abends auf den Schreibtischen der Kollegen Flyer mit Infos zu Mia verteilt. Oder ein Video gedreht, in dem ein Kollege verzweifelt am Computer sitzt, dann mit Mia die Lösung findet und zu tanzen beginnt. Oder Plakate aufgehängt, auf denen die Gesichter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehen sind und dazu der Spruch: „Mia kennt mich – Sie auch?“ „Um einen Chatbot zu nutzen, muss man sein gewohntes Verhalten verändern. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die Kolleginnen und Kollegen aktiv auf die Vorteile des Chatbots hinzuweisen“, erklärt Schneider.

Bank entwickelt Mia laufend weiter

Seit dem Start hat das Projektteam den Chatbot weiterentwickelt. Das Augenmerk liegt vor allem darauf, Mia weitere Themengebiete und Antworten anzutrainieren. Dazu analysieren Reinl und Schneider, welche Fragen nicht erkannt wurden oder wo Mia nicht weiterwusste. In Abstimmung mit den jeweiligen Fachabteilungen sorgen sie dafür, die passende Antwort zu hinterlegen.

Derzeit nutzt rund ein Drittel der Belegschaft der VR Bank regelmäßig den Chatbot. Schneider und Reinl sind zufrieden, hoffen aber darauf, die Attraktivität weiter zu steigern. Dazu sollen beispielsweise neue Features ergänzt werden. „Als wir die Funktion ,Wer macht was?‘ eingeführt haben, sind die Zugriffszahlen sprunghaft angestiegen. Wir arbeiten deshalb intensiv daran, den Chatbot weiter zu verbessern“, betont Schneider. Der Innovationsmanager räumt ein, dass es auch durchaus kritische Stimmen zu Mia gab, vor allem zur Einführung. „Es wurde erwartet, dass der Chatbot alle Fragen perfekt erkennt und immer die passende Antwort liefert. Dem konnten wir nach so einer kurzen Entwicklungszeit nicht gerecht werden. Mittlerweile können die Kollegen besser einschätzen, was Mia leisten kann und was nicht“, erklärt er.

Mia: Mensch oder Maschine

Menschen sprechen am liebsten mit anderen Menschen. Deshalb ist es auch bei einem Chatbot wichtig, dass dieser menschlich dargestellt wird. „Wir haben einige Small-Talk-Themen aufgenommen, damit die Kolleginnen und Kollegen gerne mit Mia sprechen“, betont Michael Reinl. Auf die Frage, wie alt sie ist, antwortet Mia beispielsweise: „Ich bin alt genug, um Fragen kompetent zu beantworten.“ Ob sie schön ist? Darauf gibt Mia folgende philosophische Antwort: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“ Es sei schon spannend, welche Fragen die Kollegen stellen würden, erzählt Reinl. Seine Favoriten: Kannst Du mir eine Leberkässemmel bestellen? Wann ist Feierabend? Haben Pinguine Knie? (Ja, Pinguine haben Knie).

In die Zukunft gedacht

Für die weiter entfernt liegende Zukunft hat sich die VR Bank Metropolregion Nürnberg in Bezug auf Mia ambitionierte Ziele gesetzt. Die Vision ist, dass Mia überall am Arbeitsplatz präsent ist und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufend unterstützt. Beispielsweise könnte Mia künftig robotergesteuerte Prozesse auslösen oder als First Level Support eigenständig bei IT-Problemen weiterhelfen. „Unser langfristiges Ziel ist es, ein Smart Office zu schaffen und die Kolleginnen und Kollegen so zu entlasten, dass sie mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben“, bekräftigt Schneider.

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