Bildung: Fundiertes Wissen schützt bei der Geldanlage vor Fehlentscheidungen. Doch insbesondere in Schulen wird das notwendige Rüstzeug nur bedingt vermittelt.
Herr Reinke, wie lief das Geschäftsjahr 2019 für Union Investment – insbesondere in Bayern?
Hans Joachim Reinke: Mit 14,3 Milliarden Euro haben wir bis Ende Oktober den sehr guten Nettoabsatz des letzten Jahres wiederholen können. Die „Assets under Management“ stiegen im Vergleich zum Vorjahr um rund neun Prozent auf 360,1 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Faktor für das Wachstum sind neben der Altersvorsorge und der Einmalanlage die Sparpläne, die zunehmend an Beliebtheit gewinnen. Dies sehen wir auch in Bayern, wo der Bestand an Fondssparplänen in den ersten zehn Monaten dieses Jahr um knapp 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen ist.
„Unter dem Strich werden die Sparer jeden Tag ärmer.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) behält ihre Niedrigzinspolitik auch unter der neuen Präsidentin Christine Lagarde bei. Was bedeutet das für die Sparer in Deutschland?
Reinke: Wir werden noch eine sehr lange Zeit sehr niedrige Zinsen haben. Entsprechend gravierend sind die Auswirkungen für die Sparer, die hauptsächlich auf Sparbuch, Tagesgeld oder andere kaum verzinste Anlageformen setzen. Denn unter dem Strich werden sie jeden Tag ärmer. In Zeiten politischer Börsen und niedriger Zinsen sehen wir uns daher in der Verantwortung, den Blick unserer privaten und institutionellen Kunden für die langfristigen Notwendigkeiten in der Geldanlage zu schärfen und sie für ihre jeweilige Situation mit passenden Lösungen zu unterstützen. Dafür sind wir zusammen mit unseren Partnerbanken gut aufgestellt, die Zahlen des ersten Halbjahres bestätigen unseren Weg.
Welche Alternativen gibt es im Zeitalter der Niedrigzinsen zum klassischen Sparbuch und zum Tagesgeld?
Reinke: Wir versuchen, gemeinsam mit den Beratern in unseren Partnerbanken, den Sparern mit passenden Lösungen dabei zu helfen, ihre Sparziele auch in diesem schwierigen Umfeld zu erreichen. Dabei sehen wir uns als genossenschaftliche Fondsgesellschaft in einer besonderen Verantwortung, da die langjährigen Kundenbeziehungen zumeist geprägt sind von einer starken Verbundenheit zwischen Kunden und Bank. Deshalb ist es gemeinsam mit unseren Partnern in der genossenschaftlichen FinanzGruppe unser Anspruch, einen langfristigen Nutzen zu stiften und unsere Kunden bestmöglich dabei zu unterstützen, Vermögen aufzubauen. In der aktuellen Marktsituation sind Investmentfonds das geeignetste Mittel dafür.
Hat das Niedrigzinsumfeld Auswirkungen auf das Anlageverhalten der Sparer?
Reinke: Wie wir in unserem Anlegerbarometer festgestellt haben: Ja und Nein. Die gute Nachricht der aktuellen Befragung unter den Finanzentscheidern in den Haushalten: Deutsche Anleger lassen sich durch die Nullzinspolitik der europäischen Zentralbank nicht entmutigen und sparen eifrig weiter. 78 Prozent legen derzeit monatlich Geld auf die hohe Kante. Das ist der höchste Stand seit fünf Jahren. Die schlechte Nachricht: Rund drei Viertel halten unter dem Aspekt der Sicherheit auch weiter am Sparbuch fest, wohlwissend, dass es derzeit kaum noch Erträge abwirft. Dabei ist mehr als jedem Zweiten bekannt, dass es trotz der niedrigen Zinsen Geldanlagen gibt, mit denen man attraktive Erträge erzielen kann. Fast zwei Drittel halten es für attraktiv, ihr Geld in Aktien und Aktienfonds anzulegen. Und genau hier müssen wir zusammen mit den genossenschaftlichen Banken ansetzen. Denn wie die Umfrage ebenfalls herausgefunden hat, nimmt sich gut jeder Dritte erst dann Zeit für seine finanziellen Angelegenheiten, wenn sein Bankberater ihn darauf anspricht. Dabei erwarten knapp zwei Drittel von ihm, dass er ihnen bei den mageren Zinsen Alternativen vorschlägt und erläutert. Dem Bankberater kommt somit auf dem Weg zu mehr Aktien eine bedeutende Funktion zu.
„Der Fondssparplan ist das beste Mittel gegen zitternde Hände.“
Viele Deutsche scheuen vor Aktien zurück, weil sie Angst vor Kursverlusten haben. Wie lassen sich diese und weitere Ängste im Bereich der Wertpapieranlage nehmen?
Reinke: Die Deutschen sind kein Volk der Aktionäre und legen immer noch großen Wert auf Sicherheit. Das Problem dabei ist nur, dass heute Sicherheit zum Risiko geworden ist, da man unter dem Strich Geld verliert. Somit müssen die Anleger zumindest einen Teil ihres Gelds in Wertpapiere investieren, wenn sie ihr Vermögen vermehren wollen. In Zeiten niedriger Zinsen und volatiler Kapitalmärkte wird der Blick der Anleger daher stärker auf langfristige Ansparprozesse gelenkt. Nicht nur die Diversifikation über mehrere Anlageklassen, sondern auch die Diversifikation über die Zeit prägt das Sparverhalten. Viele bevorzugen daher Fondssparpläne, um das vermeintliche Problem des richtigen Einstiegszeitpunkts zu vermeiden. Der Vorteil von Fondssparplänen ist, dass viele Anleger nicht mehr auf die Kursschwankungen schauen, da sie in jedem Monat nur einen kleinen Betrag anlegen und ein Kursrückgang dann emotional nicht so schmerzt. Der Fondssparplan ist somit das beste Mittel gegen zitternde Hände, wie einst Börsenexperte André Kostolany nervöses Anlegerverhalten bezeichnete.
„Was als scheinbar langweiliger Ladenhüter begann, ist zur zentralen Lösung in der Evolution des Sparens geworden.“
Hans Joachim Reinke über Fondssparpläne
Welche Bedeutung hat das monatliche Fondssparen mit kleinen Beiträgen für Union Investment und die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken?
Reinke: Fondssparpläne haben einen sehr großen Anteil am Neugeschäft und sind eine wichtige Stütze bei den Nettozuflüssen. Die Aussage „Kleinvieh macht auch Mist“ trifft hier besonders zu, zumal Fondssparpläne in der Regel lange bestehen bleiben. In den letzten fünf Jahren stieg die durchschnittliche Sparrate pro Kunde um 30 Prozent auf 157 Euro monatlich. Bei neuen Sparplänen, die in den letzten zwölf Monaten abgeschlossen wurden, liegt der Durchschnitt sogar bei 215 Euro. Dazu kommt die Allokation der regelmäßigen Spargelder, die uns besonders freut. So sind heute 96 Prozent unserer Sparpläne in Aktien-, Misch- oder Offenen Immobilienfonds angelegt. Vor fünf Jahren waren es noch 77 Prozent. Der Schwerpunkt liegt dabei mit 85 Prozent auf Aktien- und Mischfonds. Das zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Menschen zu renditeträchtigeren Geldanlagen zu bewegen.
Für welche Zielgruppe eignet sich diese Form der Geldanlage?
Reinke: Fondssparen ist nicht nur ein Thema für Wertpapierinteressierte. Es ist ein Thema für alle – vom Kleinsparer bis zum vermögenden Kunden. Daher sind wir stolz, dass es uns zusammen mit den genossenschaftlichen Banken gelingt, über ratierliche Sparpläne auch wertpapierunerfahrene Menschen für eine ausgewogenere Geldanlage zu gewinnen. Der Fondssparplan ist heute dort angekommen, wofür er vor fünfzig Jahren konzipiert wurde. Was als scheinbar langweiliger Ladenhüter begann, ist zur zentralen Lösung in der Evolution des Sparens geworden.
„Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sind bei den Produktabschlüssen von MeinInvest führend.“
In der jüngeren Vergangenheit haben die sogenannten Robo-Advisor an Bedeutung gewonnen. Union Investment setzt in diesem Bereich auf MeinInvest. Wie kommt der digitale Anlageassistent bei den Kunden der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken an?
Reinke: MeinInvest wird in vielen Banken eingesetzt, um eine moderne und vor allem onlinebasierte Geldanlage anzubieten. Die Besonderheit bei MeinInvest ist, dass Kunden dieses Produkt sowohl mit Hilfe des digitalen Anlageassistenten in wenigen Minuten selbstständig online als auch gemeinsam mit einem Bankmitarbeiter in der Filiale oder telefonisch begleitet abschließen können. Die Banken und auch die Kunden schätzen diese Flexibilität und Einfachheit. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sind bei den Produktabschlüssen von MeinInvest führend. Bereits 91 Institute haben unser Angebot in ihr Produktportfolio aufgenommen.
Vor kurzem haben Sie Ihr Produktangebot um VermögenPlus erweitert. Mit dieser Lösung lassen sich Fondsvermögen verwalten. Ist dieses Produkt ebenfalls bei den bayerischen Banken vertreten?
Reinke: Wir haben im Juli dieses Jahres VermögenPlus in unser Angebot im Bereich Finanzportfolioverwaltung aufgenommen. VermögenPlus ist eine hochwertige Fondsvermögensverwaltung, die besonders für das Betreuungskundensegment geeignet ist. Die Kunden schätzen hier vor allem die Kombination aus persönlicher Beratung und der professionellen Vermögensverwaltung durch die Experten von Union Investment. Daher wird VermögenPlus sehr positiv angenommen. In Bayern haben die ersten Banken VermögenPlus bereits erfolgreich eingeführt – darunter auch Pilotbanken, die deutschlandweit als erstes mit der Lösung gestartet sind. Zahlreiche weitere Banken führen derzeit den Freischaltprozess für VermögenPlus durch.
Wagen Sie zum Abschluss eine Prognose: Wie werden sich die Aktienmärkte 2020 entwickeln?
Reinke: Das Kapitalmarktumfeld bleibt aussichtsreich. Für das Börsenjahr 2020 erwarten wir gute Startbedingungen, da sich die geopolitischen Risikofaktoren wie Handelsstreit und Brexit beruhigen sollten. Die Geldpolitik bleibt locker, verliert aber an Wirkung. Für die Börsen kommt es 2020 damit stark auf die Konjunktur an. Wir erwarten zwar ein langsameres Wachstum als in den Vorjahren, rechnen aber nicht mit einer Rezession. Es spricht daher viel für chancenorientierte Anlagen. Dazu gehören auch Aktien, wenngleich hohe Bewertungen und geringeres BIP-Wachstum das Kurspotenzial begrenzen.
Herr Reinke, vielen Dank für das Gespräch!
Hans Joachim Reinke startete seine berufliche Laufbahn 1987 bei der Volksbank Wachtberg. 1991 kam er zur Union Investment Gruppe, wo er zunächst als Vertriebsberater und dann als Bezirksdirektor Vertrieb tätig war. 2004 wurde er zum Vorstandsmitglied der Union Asset Management Holding berufen. Seit 2010 ist Reinke Vorstandsvorsitzender der gesamten Union Investment Gruppe.