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Herr Professor Lesch, Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Wo stehen wir in dem Bemühen, dieses Ziel zu erreichen?

Harald Lesch: Wir sind leider viel zu langsam. Deshalb muss die Zivilgesellschaft die Energiewende mit eigenen Initiativen vorantreiben. Den Energiegenossenschaften kommt dabei eine ganz besondere Bedeutung zu.


Welche Bedeutung haben Genossenschaften für die Energiewende?

Lesch: Transparenz, Bürgerbeteiligung, örtlicher Bezug und unmittelbarer Erfolg beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind wichtige Voraussetzungen für das Gelingen der Energiewende. Sie lassen sich in Genossenschaften schnell realisieren.

„Unser Geld bleibt vor Ort und alle Beteiligten können vom Erfolg einer Energiewende in Bürgerhänden profitieren.“

Wo liegen die Vorteile einer Energiewende in Bürgerhand?

Lesch: Unser Geld bleibt vor Ort und alle Beteiligten können vom Erfolg einer Energiewende in Bürgerhänden profitieren. Die Akzeptanz vor Ort steigt und damit kann die Energiewende gelingen. Ohne Bürgerhände und Bürgerherzen wird es nicht gehen.


Was sagen Sie Menschen, die sich für die Mitgliedschaft in einer Energiegenossenschaft interessieren?

Lesch: Anteile zeichnen, mitmachen und dabei sein, mit Rendite. Nicht irgendwo und irgendwie, sondern sinnvoll und vor Ort.

Zur Person

Harald Lesch ist Professor für theoretische Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Lehrbeauftragter für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München. Bekannt ist er aus der Wissenschaftsreihe „Leschs Kosmos“ sowie der Terra-X-Doku „Faszination Universum“, die beide im ZDF ausgestrahlt werden. In seinem Youtube-Kanal „Terra X Lesch & Co“ beantwortet der Astrophysiker jede Woche Fragen aus der Wissenschaft. Außerdem hat sich Lesch als Sachbuchautor einen Namen gemacht. Die Energiewende und der Kampf gegen den Klimawandel gehören zu den Themen, die der Professor in seinen Sendungen immer wieder aufgreift.

Sie sind selbst Mitglied der Energiegenossenschaft Ilmtal eG mit Sitz in Weimar. Was hat Sie zum Beitritt bewogen?

Lesch: Ich bin schon immer ein großer Fan von Genossenschaften. Sie sind wichtig für unser demokratisches Zusammenleben. Die Freunde und Genossen in Weimar sind ein prima Beispiel dafür. Deshalb bin ich dort Mitglied.


Mit welchen Herausforderungen haben Energiegenossenschaften zu kämpfen?

Lesch: Es ist ein großes Problem, genügend Dächer zu finden für Photovoltaik und Flächen für Windräder. Oft ist genug Geld da, aber es kann nicht investiert werden, weil die Anlagen fehlen.

„Los jetzt, Mitglied werden und investieren!“

Welche Rahmenbedingungen bräuchte es, um den Energiegenossenschaften die Arbeit zu erleichtern?

Lesch: Wir brauchen eine starke, deutliche öffentliche Unterstützung durch Politik, Verbände, Kirchen, Gewerkschaften und andere. Es ist einfach noch viel zu wenig bekannt, dass wir alle an der Energiewende beteiligt sein können. Los jetzt, Mitglied werden und investieren!


Wie bewerten Sie das bisherige Engagement von Politik, Wirtschaft und Bürgern, um die Energiewende in Deutschland voranzutreiben?

Lesch: Viele haben den „Schlag noch nicht gehört“. Es wird zu viel verdrängt, zu viel genörgelt und zu wenig gehandelt und umgesetzt. Der deutsche Perfektionismus bremst uns immer wieder aus. Zu oft geht es um ein „Weiter wie bisher“ und zu wenig um „Zukunft anders gestalten“.

„Deutschland traut sich keine industrielle Revolution mehr zu.“

Worauf führen Sie die zögerliche Umsetzung der Energiewende zurück?

Lesch: Es herrscht eine eigenartige Abneigung gegen die erneuerbaren Energien. Wenn ich nur daran denke, dass es Verbände gibt, die von einer „Verspargelung der Landschaft“ sprechen und mit vermeintlichen Naturschutzargumenten den Ausbau der Windkraft verhindern. Photovoltaik sollte längst auf allen Dächern sein, ist es aber nicht. Warum? Keine Ahnung, weshalb wir in den letzten 20 Jahren hier nicht schon viel weitergekommen sind. Deutschland traut sich keine industrielle Revolution mehr zu.


Was macht Ihnen Hoffnung, dass die Energiewende trotz aller bremsenden Kräfte doch noch ein Erfolg wird?

Lesch: Die wachsende Zahl von Verbündeten, die Druck auf die Gesetzgebung und den Ausbau der erneuerbaren Energien ausüben.


Herr Professor Lesch, vielen Dank für das Interview!
 

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