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Herr Müller, die Volks- und Raiffeisenbanken sind ein wichtiger Kreditgeber für den Mittelstand: Wie viel davon entfällt auf das bayerische Handwerk?

Stefan Müller: Volks- und Raiffeisenbanken sind verlässliche Partner des Mittelstands und das Handwerk ist eine der zentralen Kundengruppen. Per Ende Juni dieses Jahres entfielen etwa 45 Milliarden Euro an Krediten auf das Handwerk. Diese Summe unterstreicht die Bedeutung des Handwerks für die Banken und die enge Verbindung zu diesem wichtigen Wirtschaftszweig, der Bayern am Laufen hält.

Wie finanziert sich ein Handwerksunternehmen im Regelfall?

Müller: Handwerksbetriebe setzen in der Regel auf klassische Unternehmenskredite. Hinzu kommen Förderkredite, etwa von der LfA oder der KfW, die durch die Volks- und Raiffeisenbanken vermittelt werden. Die genossenschaftlichen Institute übernehmen dabei nicht nur die Vermittlung, sondern auch eine Beratungsfunktion. So tragen sie dazu bei, dass Handwerksbetriebe die für sie besten Finanzierungsoptionen finden und nachhaltig in ihre Zukunft investieren können.

Was schaffen Handwerkerinnen und Handwerker hauptsächlich per Finanzierung an?

Müller: Häufig geht es bei den Finanzierungen um langfristige Investitionen. Dazu zählen insbesondere der Bau oder die Erweiterung von Produktions- und Lagerstätten, die Anschaffung von technischen Geräten und Maschinen sowie Investitionen in den Fuhrpark. Diese Bereiche sind zentral, um den Betrieb zu modernisieren und die Effizienz zu steigern. In Zukunft dürfte das Thema Nachhaltigkeit bei Investitionen eine immer größere Rolle spielen.

Welche Veränderungen im Kreditgeschäft bemerken Sie durch die stagnierende Wirtschaft?

Müller: Die Wachstumsverlangsamung war in den letzten Monaten spürbar. Auch die bayerischen Unternehmen können sich der Wachstumsschwäche nicht gänzlich entziehen. Allerdings sehen wir leichte Erholungstendenzen: Im ersten Halbjahr war das Neugeschäft bei Unternehmenskrediten um etwa 1,5 Prozent höher als im ersten Halbjahr 2023. Dies lässt hoffen, dass die Wirtschaft langsam wieder ein wenig an Fahrt aufnimmt, auch wenn dieser Prozess Zeit in Anspruch nehmen wird. Die Entwicklung zeigt, dass viele Betriebe trotz unsicherer Zeiten bereit sind, zu investieren.

„Impulse für den Wohnungsbau sind unumgänglich.“

Wie stark ist der Einbruch im Wohnungsbau bemerkbar?

Müller: Der Einbruch war erheblich. Das Neugeschäft mit Wohnungsbaukrediten an private Haushalte stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar von 5,7 Milliarden Euro auf 6,2 Milliarden Euro. Trotz leichtem Aufwärtstrend blieb das Neugeschäft jedoch deutlich hinter den Vorjahren zurück. Im ersten Halbjahr 2022 wurden noch 12,2 Milliarden Euro neue Wohnungsbaukredite an private Haushalte vergeben. Impulse für den Wohnungsbau sind unumgänglich. Mit verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten und steuerlichen Anreizen hat die Bundesregierung bereits Schritte in die richtige Richtung getan. Angesichts des hohen Wohnungsbedarfs reichen diese aber noch nicht aus.

„An einem entschlossenen Abbau von Bürokratie führt kein Weg vorbei. Daher hat der GVB 36 konkrete Vorschläge entwickelt, wie sich bürokratische Auflagen im Bankenbereich abbauen lassen.“

Was ist die größte Wachstumsbremse für Betriebe?

Müller: Das sind aus meiner Sicht zwei Aspekte: der Fachkräftemangel sowie die überbordenden bürokratischen und regulatorischen Auflagen. An einem entschlossenen Abbau von Bürokratie führt kein Weg vorbei. Daher hat der GVB 36 konkrete Vorschläge entwickelt, wie sich bürokratische Auflagen im Bankenbereich abbauen lassen, beispielsweise bei Informations- und Dokumentationspflichten. Das wäre ein wertvoller Beitrag, um Kreditinstitute zu entlasten, und ihnen wieder mehr Raum für ihre eigentliche Aufgabe zu geben: die Finanzierung des Mittelstands und des Handwerks – insbesondere bei dessen nachhaltiger und digitaler Transformation.

Die Transformation der Wirtschaft verlangt auch dem bayerischen Handwerk einiges ab. Wie reagieren die Volks- und Raiffeisenbanken darauf?

Müller: Volks- und Raiffeisenbanken finanzieren die Transformation, stehen dem Handwerk mit fachkundigen Beraterinnen und Beratern zur Seite und suchen nach Fördermöglichkeiten. Als Allfinanzanbieter helfen die Banken auch weiter, wenn es um die Risikoabsicherung geht, oder bei Liquiditätsfragen und beim Vermögensmanagement. Die Handwerksunternehmen haben mit den Volks- und Raiffeisenbanken einen verlässlichen und kompetenten Partner an ihrer Seite.

Das Interview von Jens Christopher Ulrich erschien in der Deutschen Handswerks Zeitung vom 8. November 2024, Ausgabe 21.

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