Gewinnermodell: Mit Agri-PV können Landwirte ihre Flächen doppelt nutzen. Für die VR-Bank Rottal-Inn ist die Finanzierung solcher Anlagen ein wichtiges Geschäftsfeld.
Herr König, die Bundesnetzagentur wird die Mehrkosten für die Netzintegration der Erneuerbaren Energien ab 2025 nach einem neuen Schlüssel auf die Netzentgelte umlegen. Was heißt das für die Stromkunden in Bayern, insbesondere im ländlichen Raum?
Franz König: Das kommt ganz auf die Region an. Pauschal lässt sich sagen: In Gebieten, wo die Netzbetreiber viel Geld investieren müssen, um das Stromnetz für die Integration der Erneuerbaren Energien fit zu machen, werden die neuen Regelungen zu deutlich niedrigeren Netzentgelten führen. Das kann bis zu 40 Prozent Unterschied ausmachen. Damit sinken dann auch die Strompreise für die Endkunden, da die Netzentgelte Bestandteil des Strompreises sind. Nachdem Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Freiflächen-Photovoltaik- und Windkraftanlagen vorwiegend im ländlichen Raum errichtet werden, werden die ländlichen Regionen auch besonders von sinkenden Netzentgelten profitieren. In Gegenden mit wenig Zubau an Erneuerbaren Energien kann es dagegen sein, dass die Strompreise steigen. Aber das liegt bei einer Umlage in der Natur der Sache. Insgesamt ist die neue Regelung sehr zu begrüßen, denn sie sorgt dafür, dass die Kosten für die Integration der Erneuerbaren Energien in die Stromnetze zwischen Stadt und Land gerechter verteilt werden.
Was ändert sich durch den neuen Umlagemechanismus für die bayerischen Energiegenossenschaften, nicht nur die genossenschaftlichen Energieversorger?
König: Wenn Energiegenossenschaften durch geringere Netzentgelte ihren Mitgliedern und Kunden günstigere Stromtarife anbieten können, steigern sie ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Region gegenüber anderen Anbietern. Das betrifft sowohl die genossenschaftlichen Energieversorger als auch Energiegenossenschaften, die sich die Energiewende auf ihre Fahnen geschrieben haben. Denn viele von ihnen bieten mittlerweile in Kooperation mit einem Versorger selbst regionale Stromtarife an. Häufig stammt ein Teil des Stroms aus eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen.
„Ich gehe davon aus, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien an Fahrt gewinnt.“
Welche Bedeutung hat der neue Umlagemechanismus für den Fortschritt der Energiewende?
König: Ich gehe davon aus, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien an Fahrt gewinnt. Die Akzeptanz von Energiewende-Projekten in der Bevölkerung wird wachsen, weil die neuen Regeln für eine positivere Stimmung sorgen. Bisher haben die Gegner der Energiewende gerne ins Feld geführt, dass durch den Anschluss der Anlagen an das Stromnetz die Netzentgelte steigen. Dieses Argument ist nun entschärft. Insofern werden die meisten Energiegenossenschaften von den neuen Regelungen profitieren – einerseits durch eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit bei den Stromtarifen und andererseits durch eine höhere Akzeptanz der Bürger bei der Planung und Umsetzung von Energiewende-Projekten.
„Niedrigere Strompreise sind ein bedeutender Standortvorteil, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Kommunen.“
Welche Auswirkungen sehen Sie über die Gestaltung der Strompreise und eine höhere Akzeptanz der Energiewende hinaus?
König: Niedrigere Strompreise sind ein bedeutender Standortvorteil, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Kommunen. Wir sehen, wie insbesondere produzierende Unternehmen seit der Energiekrise unter den hohen Stromkosten ächzen. In Regionen, wo der neue Umlagemechanismus die Netzentgelte reduziert, werden die Betriebe bei den Stromkosten entlastet. Wenn die Menschen weniger für ihren Strom bezahlen müssen, stärkt das die Kaufkraft in der Region. Auch das ist ein Standortvorteil. Schließlich profitieren auch die Kommunen, die sich bei der Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben leichter tun, wenn die Stromkosten niedriger sind. Diese Betriebe zahlen dann wiederum Gewerbesteuer an die Kommunen. Und sie beziehen ihren Strom möglicherweise von einer Energiegenossenschaft vor Ort. Die neuen Regeln stärken also insgesamt alle Regionen mit einem hohen Zubau an Erneuerbaren Energien, die durch die bisherige Berechnung der Netzentgelte unverhältnismäßig stark belastet wurden.
„Der GVB war bundesweit der erste Verband, der bereits vor Jahren eine gerechtere Verteilung der Netzentgelte gefordert hat.“
Der GVB wirbt bereits seit Jahren für eine gerechtere Verteilung der Netzentgelte. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die jetzigen Änderungen?
König: Das ist auf alle Fälle ein großer Erfolg für den GVB und die bayerischen Energiegenossenschaften. Der GVB war bundesweit der erste Verband, der eine gerechtere Verteilung der Netzentgelte gefordert hat. Wir haben die Forderung bereits zur Bundestagswahl 2017 an die Politik herangetragen. Als Vorsitzender des GVB-Fachausschusses Energiegenossenschaften war ich bei vielen Gesprächen mit der Politik, Behörden und Fachverbänden dabei. Dabei haben wir das Thema über viele Jahre hinweg immer wieder angesprochen. Insofern ist es wirklich auch dem beharrlichen Wirken des Verbands zu verdanken, dass der Umlagemechanismus nun geändert wurde.
Herr König, herzlichen Dank für das Interview!