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Bereits seit einigen Jahren kursieren Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB), digitales Zentralbankgeld zu entwickeln. Derzeit befindet sich der „digitale Euro“ in einer ersten Untersuchungsphase, die bis Herbst 2023 andauern soll. Zwar dürfte es von da an bis zur Marktreife noch mindestens drei weitere Jahre dauern. Dennoch lohnt sich bereits heute die Auseinandersetzung mit der digitalen Zentralbankwährung, auch CBDC (Central Bank Digital Currency) genannt.

Braucht es einen digitalen Euro?

Es ist richtig, dass die EZB das Thema verfolgt. Sie scheint jedoch von der Sorge getrieben zu sein, gegenüber anderen Ländern und Währungsräumen nicht den Anschluss zu verlieren. Die Sorge ist auf den ersten Blick berechtigt: In Schweden wird bereits mit einer E-Krona experimentiert und auch die US-amerikanische Notenbank FED hat das Thema CBDC in den Fokus gerückt. Jedoch sollte klar sein, dass es sich bei der Währung, dem Zahlungsverhalten und der Art, wie Geldströme fließen, um ein sensibles und zentrales Thema für unseren Wirtschaftskreislauf handelt. Es berührt außerdem wesentliche Bürgerrechte: Wer weiß, wie und was ich einkaufe, kennt mich sehr gut. Daher darf die Entwicklung eines digitalen Euro nicht zu einem Wettlauf um die schnellste Umsetzung ausarten.

Vielmehr muss es darum gehen, wohlüberlegt zu hinterfragen, wie und wo ein digitaler Euro einen Mehrwert bieten kann, mit welchen Risiken er behaftet ist und wie dies in eine möglichst gute Balance gebracht werden kann. Dazu sollte zunächst unterschieden werden: zwischen einem digitalen Euro, den Privatpersonen unmittelbar als digitales Bargeld einsetzen können, und einem digitalen Euro für den Zahlungsverkehr zwischen Banken, dem sogenannten Interbankenmarkt.

Braucht es den digitalen Euro für den Interbankenmarkt?

Am Interbankenmarkt schlummern die größten Potenziale für eine digitale Form des Zentralbankgelds: Wird der digitale Euro so ausgestaltet, dass er möglichst verzögerungsfrei und über Ländergrenzen hinweg für Zahlungen zwischen Finanzinstituten eingesetzt werden kann, könnten große Effizienzpotenziale gehoben werden. Denn durch Verzögerungen im Zahlungsablauf zwischen Banken wird Liquidität gebunden. Sie „schwebt“ sozusagen im System und fehlt im Zweifel an anderer Stelle – beispielsweise für die sehr kurzfristige Kreditvergabe.

Diese Verzögerungen können insbesondere dann auftreten, wenn Zahlungen Ländergrenzen überschreiten. Jüngst wurde gezeigt, dass die grenzüberschreitende Transaktionsgeschwindigkeit mit einer CBDC von den derzeit üblichen zwei Tagen auf wenige Sekunden verkürzt werden kann. In einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt wäre der digitale Euro für den Interbankenmarkt damit eine zeitgemäße Antwort darauf, wie Zahlungen möglichst schnell und idealerweise kostengünstig zwischen Finanzinstituten ausgetauscht werden.

Braucht es einen digitalen Euro für jeden?

Die EZB will mit dem digitalen Euro – neben der Version für den Interbankenmarkt – auch ein digitales Bargeldabbild für Privatpersonen schaffen. Die Schweizer Notenbank ist da kritischer und erteilte einer digitalen Zentralbankwährung für Privatpersonen zum breiten Einsatz für alltägliche Transaktionen laut Handelsblatt eine Absage. Das macht sie nicht ohne Grund. Denn: Die persönliche Freiheit der Bezahlmethode ist ein hohes Gut. Mit kaum einer anderen Information kann so viel über die Verhaltensweise von Bürgerinnen und Bürgern herausgefunden werden wie mit den Bezahlmustern. Daher ist Bargeld so wichtig: Keine andere Bezahlmethode garantiert einen so hohen Anonymitätsgrad.

Im digitalen Umfeld ist es wichtig, dass sich Bürger zwischen einer Vielzahl von Anbietern, seien es Banken, Kreditkartenunternehmen oder Fintechs, entscheiden können. Das schützt den Kunden vor der einseitigen Abhängigkeit gegenüber einzelnen Unternehmen. Kommt ein digitaler Euro für Privatpersonen, muss diesem Aspekt höchste Priorität eingeräumt werden. Einen gläsernen Bürger durch digitales Bargeld darf es nicht geben.

Wenn sich die EZB für die Einführung eines digitalen Euro für Bürgerinnen und Bürger entscheidet, muss er ein Abbild von Bargeld in der virtuellen Welt sein. Er darf nicht verzinst werden, muss auch offline nutzbar sein und als sogenannte Inhaberversion ausgestaltet werden. Außerdem darf jede Privatperson nur so viel digitale Euro halten, wie die persönliche digitale Geldbörse, die sogenannte Wallet fasst.

Dieses Haltelimit schützt zum einen davor, dass eine öffentliche Institution wie die EZB einen zu breiten Einblick in das Zahlungsverhalten der Bürger erhält. Daneben ist die Ausgestaltung als Inhaberversion zentral für die Stabilität unseres Finanzsystems. Heute generieren Banken mit jedem Euro, den Kunden bei ihnen einzahlen, rund zehn Euro Kredit, man spricht vom sogenannten Giralgeld. Könnten Kunden ihre Einlagen unbegrenzt in den digitalen Euro umschichten, wäre Banken schnell die Grundlage für die Kreditvergabe entzogen, der Wirtschaftskreislauf käme in weiten Teilen zum Erliegen.

Verdrängt der digitale Euro das Bargeld?

Ein digitaler Euro der EZB darf immer nur eine Ergänzung zu bestehenden Geldformen und Bezahlmethoden sein. Eine Verdrängung von Bargeld muss verhindert werden, da keine andere Bezahlform besser die persönlichen Daten schützt. Daher sollte sich der digitale Euro für Bürgerinnen und Bürger stets daran orientieren, was Bargeld leistet. Es ist unverzinst, anonym und sinnvoll nur bis zu einem gewissen Volumen zu halten. Ausfälle von Zahlungssystemen und Diskussionen über Blackouts beim derzeitigen Energieengpass erinnern uns zudem immer wieder daran, dass echtes Bargeld die einzige Möglichkeit ist, Zahlungen auch in Krisen und Ausnahmesituationen tätigen zu können. Bargeld muss auch deswegen erhalten bleiben.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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