Widerspruch: Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Vollendung der Bankenunion kam überraschend. GVB-Präsident Jürgen Gros ist sich sicher: Die Vorschläge des Finanzministers sind unausgegoren und übereilt.
Herr Ferber, Bundesfinanzminister Olaf Scholz kommt der EU beim Streit um die gemeinsame Einlagensicherung auf einmal entgegen. Staatssekretär Jörg Kukies hat bei der Konferenz „Euro Finance Week“ nachgelegt und dringt auf rasche Fortschritte. Sie warnen hingegen vor „Häppchen-Lösungen“ bei der Vollendung der Bankenunion. Was stört Sie an dem Vorstoß von Olaf Scholz?
Markus Ferber: Ich möchte davor warnen, sich beim Thema Bankenunion nun ausschließlich mit der Einlagensicherung zu beschäftigen. Wir haben noch eine ganze Reihe anderer Probleme wie die hohen Bestände ausfallgefährdeter Kredite in den Bankbilanzen, die ungeklärte Rolle von Staatsanleihen und ein Abwicklungsregime, das bestenfalls ausgesprochen uneinheitlich zur Anwendung gebracht wird. Sich jetzt nur mit der Einlagensicherung zu beschäftigen, greift zu kurz. Die Vorschläge von Olaf Scholz wurden von vielen Akteuren so wahrgenommen, dass Deutschland seinen Widerstand gegen die Einlagensicherung aufgibt und das Thema jetzt ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt werden muss – das ist eine gefährliche Dynamik.
„Eine vollvergemeinschaftete Einlagensicherung ist mit dem deutschen Drei-Säulen-Modell und der bewährten Institutssicherung nicht kompatibel.“
Was bedeuten die Vorschläge von Olaf Scholz zur Vollendung der Bankenunion für die deutschen Regionalbanken mit ihrer Institutssicherung?
Ferber: Wenn wir tatsächlich alle anderen relevanten Fragen geklärt haben und dann über ein reines Rückversicherungssystem nachdenken, sehe ich wenig Gefahr. Olaf Scholz hat aber bewusst den Weg für eine teilweise gemeinschaftliche Haftung offen gelassen. Das halte ich für einen schweren Fehler. Wenn wir nämlich diese Tür offen lassen, kommen wir irgendwann fast zwangsläufig zur Vollvergemeinschaftung. Eine vollvergemeinschaftete europäische Einlagensicherung ist mit dem deutschen Drei-Säulen-Modell und der bewährten Institutssicherung aber nicht kompatibel.
Zur Person
Markus Ferber gehört dem Europäischen Parlament seit 1994 an. Der Experte für EU-Finanzpolitik und gebürtige Augsburger ist Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand sowie Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments.
Der Finanzminister schlägt vor, Staatsanleihenportfolios bei Banken erst ab einer kritischen Größe mit Eigenkapital abzusichern. Halten Sie diesen Vorstoß zur Risikominimierung für ausreichend?
Ferber: Staatsanleihen sind grundsätzlich keine risikolosen Finanzinstrumente und sollten auch nicht so behandelt werden. Portfolios erst ab einer gewissen Größe mit Eigenkapital zu unterlegen, adressiert zwar Konzentrationsrisiken, aber nicht die Bonitätsrisiken des herausgebenden Staats selbst. Wenn eine Staatsanleihe ausfällt, fällt sie aus. Das ist schon ab der ersten Anleihe ein Problem, nicht erst ab der hundertsten. Hier müssen wir schon schauen, dass wir das Problem vollumfänglich lösen.
„Die Quote an ausfallgefährdeten Krediten ist in vielen Mitgliedsstaaten nach wie vor viel zu hoch.“
Welche Probleme sollte die EU aus Ihrer Sicht bei der Vollendung der Bankenunion vordringlich angehen?
Ferber: Das Thema Risikoreduzierung sollte weiterhin im Vordergrund stehen. Die Quote an ausfallgefährdeten Krediten ist in vielen Mitgliedsstaaten nach wie vor viel zu hoch. Für neue ausfallgefährdete Kredite haben wir bereits strikte Unterlegungsverpflichtungen geschaffen, das Problem der Bestände muss aber nun ebenfalls angegangen werden. Das ist auch eine Aufgabe der Bankenaufsicht – gerade in Ländern wie Griechenland, Zypern und Italien, wo wir immer noch Quoten im zweistelligen oder hohen einstelligen Bereich sehen.
Herr Ferber, herzlichen Dank für das Interview!