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Menschen bilden auf einer Wiese einen Kreis.

Genossenschaftsgründungen liegen im Trend. Das haben bereits die bundesweiten Gründungszahlen für das letzte Jahr bestätigt. Wir hatten in unserer Genossenschaftsstatistik beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) 129 Genossenschaftsgründungen für 2023 registriert. Ein Höchststand, den wir schon seit zehn Jahren nicht mehr erreicht hatten.

Die positive Stimmung unter den Gründungswilligen scheint auch im Jahr 2024 ungebrochen. Mit 93 Gründungen zum dritten Quartal liegen wir nur leicht unter dem Vorjahreskurs. Das Auf und Ab der gesamten Gründungszahlen lässt sich vor allem an der Entwicklung der Energiegenossenschaften nachzeichnen, denn Sie machen etwa ein Drittel der gesamten Gründungen aus. Zum aktuellen Stand sind es 53 Gründungen im Bereich der genossenschaftlichen Energiewende.

Wärmewende treibt Gründungen voran

Die Dominanz der Energiegenossenschaften in der Statistik ist insoweit kein neues Phänomen. Neu ist allerdings der Schwerpunkt, denn es dominieren nicht mehr die Geschäftsmodelle zur Stromproduktion durch Wind- oder Solaranlagen, sondern die Wärmeversorgung. Konkret geht es hierbei um den Betrieb eines gemeinsamen Nahwärmenetzes über die Genossenschaft. Eine individuelle Heizung im eigenen Heim wird dadurch überflüssig.

Unter dem Dach des DGRV gibt es rund 250 dieser genossenschaftlichen Wärmenetze, die teilweise schon seit Jahrzehnten ihre Mitglieder zuverlässig mit kostengünstiger und nachhaltiger Energie versorgen. Sie nutzen häufig die Abwärme von Biogasanlagen landwirtschaftlicher Betriebe vor Ort. Es gibt aber auch andere Wärmequellen, wie etwa der Betrieb einer eigenen Biomasseanlage oder die Abwärmenutzung von einem Rechenzentrum oder einer Waffelbäckerei. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt.

Mit Blick voraus stellt sich die Frage, wie groß das Gründungspotenzial in diesem Bereich ist und welche Hürden gegebenenfalls abgebaut werden müssten. Die Folgen des Krieges in der Ukraine und andere Einflussfaktoren auf die langfristigen Energiepreise haben zwar so mancher Gründungsinitiative zu einer schnelleren Entscheidung verholfen. Doch ein Selbstläufer ist die Hebung des großen Gründungspotenzials nicht.

Das liegt beispielsweise an der Finanzierungssituation. Die Wärmenetzinfrastruktur wird von Banken oftmals nicht als Kreditsicherheit anerkannt. Hier könnte ein bundesweites Bürgschaftsprogramm hilfreich sein, das unkompliziert über die Investitionsbanken der Länder ausgereicht werden könnte. Vorbild ist Schleswig-Holstein, das ein entsprechendes Bürgschaftsprogramm hat. Ein bundesweites Programm ist leider nicht in Sicht.

Ein anderes Thema sind die bürokratischen Anforderungen. Wärmegenossenschaften sind rechtlich gesehen „normale“ Wärmeversorgungsunternehmen. Für sie gelten daher die gleichen gesetzlichen Regelungen und Anforderungen, die auch große Versorger mit Tausenden von Anschlüssen und einer Vielzahl von Mitarbeitenden erfüllen müssen. Diese Anforderungen sollten größengerecht gestaltet werden. Bürokratische Entlastung für kleine Akteure könnte über eine aktuell vom Bundeswirtschaftsministerium geplante Verordnung (AVBFernwärmeV) erreicht werden. Das konkrete Ergebnis hierzu steht aber noch aus.

Ein dritter Aspekt in diesem Zusammenhang ist das zu Jahresbeginn in Kraft getretenen „Wärmeplanungsgesetz“. Hiermit wurde die Vorgabe erteilt, dass die rund 11.000 Kommunen in Deutschland bis spätestens Mitte des Jahres 2028 eine Wärmeplanung haben müssen. In größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern soll diese Planung bereits bis zum 30. Juni 2026 vorliegen.

Genossenschaften können hierbei eine der Optionen sein und sollten deshalb – neben anderen bürgerschaftlichen Initiativen – im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung frühzeitig, laufend und umfassend beteiligt werden. Wichtig ist, dass Kommunen nicht erst mit der Beteiligung von bürgerschaftlichen Akteuren beginnen, wenn die Wärmeplanung bereits abgeschlossen ist. Insoweit ist vorab das Wissen über die genossenschaftliche Option besonders wichtig. Nur dann wird sich der Handlungsdruck in den Kommunen auch in genossenschaftlichen Gründungszahlen niederschlagen.

Große Vielfalt an Gründungen

Neben dem dominierenden Trend im Energiebereich gibt es eine große Vielfalt an Gründungsmotiven. Bedeutend sind hierbei Gründungskonzepte, die im Zusammenhang mit der Förderung der Heimatregion stehen. Dieses zentrale Motiv kann sich in Gründungen in den unterschiedlichsten Branchen widerspiegeln, wie beispielsweise im Handel.

Bei den Genossenschaften im Einzelhandel geht es zumeist um die Sicherstellung der Nahversorgung in ländlichen Regionen. Gemeinschaftliche Lebensmittelgeschäfte sollen an solchen Standorten erfolgreich wirtschaften, von denen sich die Lebensmittelriesen bereits zurückgezogen haben. Das ist oft kein einfaches Unterfangen, funktioniert aber insbesondere in Ortschaften besonders gut, bei denen es ein aktives Dorfleben mit engagierten Vereinen und anderen Bürgerinitiativen gibt.

Schwierigkeiten gibt es in der aktuellen Situation leider bei den genossenschaftlichen Unverpacktläden, die in den vergangenen Jahren zunehmend im städtischen Umfeld gegründet wurden. Aufgrund der aktuellen Preisentwicklungen und Kaufzurückhaltung scheint der allgemeine Konsumtrend weg von Bio- und Markenprodukten auch diese Läden zu erreichen. In den letzten Monaten mussten leider einige Läden wieder geschlossen werden.

Neben dem Handel haben Genossenschaften für die regionale Entwicklung oftmals sehr individuelle Ansätze. Vielfach werden leerstehende Gebäude wiederbelebt. Das kann ein alter Bahnhof, ein ungenutztes Akademiegebäude oder ein geschlossenes Dorfgasthaus sein. Das Gebäude wird gekauft und in der Regel umgebaut und renoviert. Allen Ideen ist gemein, dass man wieder einen sozialen Treffpunkt im Ort haben möchte.

Mit einer ähnlichen Motivation werden beispielsweise auch regionale Brauereien gegründet. Neben dem Brauereibetrieb und der Brautradition in einem Ort geht es auch hier durchaus um die Rettung eines historischen Gebäudes. Und wie immer auch um die Gemeinschaft vor Ort.

Angesichts der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Strukturverarmung in ländlichen Regionen wird der Gründungsbereich rund um die regionale Entwicklung weiter an Bedeutung gewinnen. Das ist insbesondere auch im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung zu sehen. Hier können genossenschaftliche Zusammenschlüsse von Ärzten für die Gesundheitsversorgung oder von Krankenhäusern für die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zukünftig eine bedeutendere Rolle spielen.

Novellierung des Genossenschaftsgesetzes

Abschließend soll noch ein Blick auf die Rahmengesetzgebung der Genossenschaften gelegt werden. Denn im Berliner Politikbetrieb wird derzeit eine Novellierung des Genossenschaftsgesetzes verhandelt. Die Gründung von Genossenschaften ist auch dort ein Thema.

Das zuständige Bundesjustizministerium hatte am 4. Juli 2024 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform vorgelegt. Die Novellierung hat drei Stoßrichtungen: Die digitale Modernisierung des Genossenschaftsrechts voranbringen, die Attraktivität der eingetragenen Genossenschaft erhöhen und Maßnahmen gegen unseriöse Genossenschaften ergreifen.

Zwischenzeitlich sind bereits einige Bestandteile des Reformvorhabens gesetzgeberisch umgesetzt worden. Die digitale Modernisierung wurde im Wege eines gesetzgeberischen „Huckepackverfahrens“ über das Bürokratieentlastungsgesetz IV vom 26. September 2024 vorgezogen. Im Genossenschaftsgesetz ist damit schon jetzt die Schriftformerfordernis weitestgehend durch die Textform ersetzt worden.

Dies betrifft vor allem den digitalen Beitritt zu einer Genossenschaft, aber auch die Errichtung der Satzung bei der Gründung oder die Kündigung der Mitgliedschaft. Außerdem werden digitale Versammlungsformate rechtssicherer gemacht, indem Mitglieder in hybriden General- oder Vertreterversammlungen für eine Übergangszeit auch ohne entsprechende Satzungsregelung rechtssicher digital abstimmen können.

Diese Regelungen werden voraussichtlich keine Genossenschaftsgründungen auslösen, aber zumindest die Handhabung der Genossenschaftsverwaltung vereinfachen. Davon profitieren insbesondere auch junge Genossenschaften.

Es gibt aber noch nicht umgesetzte Bestandteile des Reformvorhabens, die Auswirkungen auf das Gründungsgeschehen haben könnten. Geplant sind insbesondere Regelungen, die die Attraktivität der Rechtsform verbessern sollen, unter anderem soll der Gründungsprozess vereinfacht und beschleunigt werden. Ein wesentlicher Vorschlag hierbei sind kürzere Fristen für die Eintragungen beim Registergericht.

Hervorzuheben ist eine vorgesehene Klarstellung in § 1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz. Zukünftig soll die Förderung der Mitglieder ausdrücklich auch mittelbar erfolgen können. Diese Formulierung soll explizit ins Genossenschaftsgesetz aufgenommen. Der Anlass für diese Klarstellung kommt aus dem Bereich der Energiegenossenschaften – und damit schließt sich der Kreis zu den aktuellen Gründungsthemen. Die Förderung der Mitglieder einer Genossenschaft, die zum Beispiel ausschließlich an Windenergieanlagen beteiligt ist, erfolgt nur mittelbar. Und deshalb wäre eine entsprechende rechtssichere Regelung hier sehr hilfreich.

Ein möglicher direkter Gründungsimpuls aus diesen gesetzlichen Neuregelungen ist nicht zu erwarten. Eine Novellierung hat aber auch immer einen indirekten positiven Effekt. Schließlich bieten die gesetzlichen Neuerungen einen Anlass zur Kommunikation oder zum Austausch mit beratenden Einrichtungen wie den Kammern und Verbänden. Es wäre sehr zu wünschen, dass mit dem neuen Gesetz auch die Bekanntheit und die Aufmerksamkeit für die genossenschaftliche Rechtsform gesteigert wird.
 

Dr. Andreas Wieg ist Leiter Vorstandsstab beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) und für die Gründungsthemen im Spitzenverband verantwortlich.

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