Im Fokus: Akzeptanz der Energiewende, Austausch von Finanzdaten, Herausforderungen für VR-Banken.
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Die Bayerische Staatsregierung hat sich ein anspruchsvolles Ziel gesetzt: Bis 2040 soll der Freistaat Bayern klimaneutral sein. Das bedeutet, dass sie fünf Jahre schneller als Deutschland und sogar zehn Jahre schneller als die Europäische Union sein möchte. Das geht nur mit einer hohen Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern. Am besten gelingt dies, indem man sie direkt an der Energiewende beteiligt. Denn wenn die Menschen bei Veränderungen in ihrer Region nicht ausreichend eingebunden werden und keine Mitbestimmungsmöglichkeit haben, wie will man sie dann für Energieprojekte vor der Haustüre gewinnen? Besonders deutlich hat sich dies etwa in der Gemeinde Mehring im Landkreis Altötting gezeigt. Dort hat sich Anfang 2024 die Mehrheit der Menschen in einem Bürgerentscheid gegen einen Windpark im Altöttinger Forst ausgesprochen.
Kommunen und Genossenschaften als Partner vor Ort
Für den Erfolg von Projekten im Bereich Erneuerbare Energien ist die Akzeptanz der Menschen vor Ort entscheidend. Besonders gut gelingt dies, wenn Energiegenossenschaften als starke Partner mit Projektentwicklern und Kommunen zusammenarbeiten. Denn sie vereinen in einzigartiger Weise regionale Wertschöpfung und Fachwissen. Auch den Kommunen kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Sie können sich selbst beteiligen und relevante Informationen zu Energieprojekten bereitstellen. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister leisten zudem durch ihren regelmäßigen Kontakt zu den Menschen vor Ort wichtige Überzeugungsarbeit. Gemeinsam können Kommunen und Genossenschaften so eine nachhaltige und dezentrale Energieerzeugung voranbringen und die Energiewende in Bayern erfolgreich gestalten.
Gesetzentwurf mit Licht und Schatten
Das Bayerische Wirtschaftsministerium hat den Verbänden einen Gesetzentwurf zur Anhörung zukommen lassen, in dem es verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten von Kommunen und Bürgern an Wind- und Solaranlagen vorsieht. Das Gesetz soll die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung steigern. Positiv hervorzuheben ist, dass der Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums nur wenig neue Bürokratie – und damit Kosten – verursachen würde. Dennoch gibt es aus Sicht des GVB noch erheblichen Änderungsbedarf.
Kommunal- und Bürgerbeteiligung sind nicht dasselbe
Hauptkritikpunkt an dem Gesetzentwurf ist, dass genossenschaftliche Unternehmen, die ein entscheidender Bestandteil der Energiewende sind, mit keinem Wort erwähnt sind. Nach aktuellem Stand bezieht sich der Entwurf lediglich auf Kommunen und natürliche Personen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie man genossenschaftliche Unternehmen im Bereich der Wind- und Solarenergie, von denen es in Bayern aktuell bereits über 350 gibt, unberücksichtigt lassen kann. Und deren Zahl nimmt weiter zu. Allein dieses Jahr sind bereits 19 Energiegenossenschaften mit Unterstützung des Genossenschaftsverbands Bayern gegründet worden, die einen wichtigen Beitrag zur klimaneutralen Energieversorgung Bayerns leisten.
Echte Bürgerbeteiligung ist der Goldstandard
Möglichkeiten, sich an der Energiewende zu beteiligen, gibt es viele. In ihrer Wertigkeit sind diese jedoch unterschiedlich – und dies sollte sich auch im Gesetz niederschlagen. Die beste Form, um die Bürgerinnen und Bürger einzubinden, ist die echte Bürgerbeteiligung. Echte Bürgerbeteiligung bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur langfristig finanziell an Projekten teilhaben, sondern durch Mitwirkungs- und Mitspracherechte auch Einfluss auf die Geschäftspolitik des Wind- oder Solarunternehmens nehmen können. Das lässt sich realisieren, indem Bürgerinnen und Bürger oder lokale Bürgerenergiegesellschaften Geschäftsanteile oder auch ganze Windenergie- sowie Photovoltaik-Freiflächenanlagen erwerben.
Eine angemessene Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sollte mindestens 20 Prozent der Geschäftsanteile umfassen und eine Sperrminorität enthalten, um Mitbestimmung und Verantwortung zu gewährleisten. Beteiligungsberechtigt sollten hierbei natürliche Personen und Bürgerenergiegenossenschaften sein, die im (Nachbar-)Landkreis ihren Haupt- oder Neben(wohn)sitz haben. Hierfür baucht es großzügige Lösungen. Räumliche Bedingungen für eine Beteiligung wie maximale Entfernungen des Wohn- oder Unternehmenssitzes zur Anlage verkennen die dünne Bevölkerungsdichte in den ländlichen Regionen. Zeitliche Bedingungen wie die Dauer der Ansässigkeit vor Ort sind grundsätzlich abzulehnen. Denn sie schließen Neugründungen von Gesellschaften zum Bau oder Betrieb einer Erneuerbare-Energien-Anlage aus.
Alternative Beteiligungen sind nur zweitbeste Lösung
Nachrangdarlehen, wie sie das Gesetz vorsieht, sind nur die zweitbeste Möglichkeit, um Bürgerinnen und Bürger in Erneuerbare-Energien-Projekte einzubinden. Zwar können solche Fremdkapitallösungen ein geeignetes Finanzierungsinstrument sein, sie haben aber im Vergleich zur echten Bürgerbeteiligung mehrere Nachteile. Zum einen schließen sie eine Mitsprache und Mitwirkung an Projekten aus, zum anderen erstreckt sich eine finanzielle Beteiligung lediglich auf eine begrenzte Zeit. Zur Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung ist dieses Mittel nicht die beste Lösung. Eine derartige Unterscheidung in der Wertigkeit sollte daher im Gesetzgebungsverfahren unbedingt noch eingefügt werden.
Entschädigung von 4,08 Euro im Jahr schafft keine Akzeptanz
Völlig unzureichend ist die im Gesetzentwurf enthaltene Auszahlung von 0,1 Cent pro Kilowattstunde (kWh) an Bürgerinnen und Bürger, die im Umfeld einer Windenergie- oder Freiflächen-PV-Anlage leben. Hierbei handelt es sich nicht um eine Beteiligung, wie es im Gesetzentwurf formuliert ist, sondern lediglich um eine Entschädigung, die weder finanzielle Partizipation noch Mitsprache- oder Mitwirkungsrechte bedeutet.
Auch die Höhe an sich ist zu kritisieren. Denn 0,1 Ct/kWh würden für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Bayern eine durchschnittliche Zahlung von gerade einmal 4,08 Euro pro Jahr bedeuten. Mit solchen Beträgen schafft man keine Akzeptanz für die Energiewende und bietet auch keine Chance für regionale Wertschöpfung. Darüber hinaus kann es negative Auswirkungen haben, wenn bei der Bevölkerung das Gefühl entsteht, dass ihre Zustimmung günstig erkauft werden soll und sie dafür praktisch kein Mitspracherecht haben. Zudem ist nicht nachvollziehbar, wie die Zahlung an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger erfolgen soll.
Bayerischer Landtag ist nun gefordert
Der Entwurf der Bayerischen Staatsregierung für ein Bürgerenergiebeteiligungsgesetz ist eine gute Grundlage, um die Energiewende in Bayern zu beschleunigen. Spürbar positive Auswirkungen wird dieses Gesetz jedoch nur haben, wenn erstens die genossenschaftliche Rechtsform ausdrücklich und angemessen berücksichtigt wird. Zweitens muss hervorgehoben werden, dass es einen Unterschied zwischen Kommunal- und Bürgerbeteiligung gibt. Drittens sollte echte Bürgerbeteiligung gegenüber Nachrangdarlehen oder Ausgleichszahlungen prioritär behandelt werden. Diese und weitere Punkte hat der Genossenschaftsverband Bayern auch in einer Stellungnahme gegenüber dem Bayerischen Wirtschaftsministerium deutlich gemacht und mit Änderungsvorschlägen unterlegt. Den Abgeordneten des Bayerischen Landtags kommt nun die Aufgabe zu, diese Defizite des Gesetzentwurfs zu beheben.
Stefan Müller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern.
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