Gewinnermodell: Mit Agri-PV können Landwirte ihre Flächen doppelt nutzen. Für die VR-Bank Rottal-Inn ist die Finanzierung solcher Anlagen ein wichtiges Geschäftsfeld.
Korbinian Hutter ist Landwirt und betreibt im Peißenberger Ortsteil Fendt einen Bauernhof mit 25 Milchkühen und Jungvieh. Neuerdings genießen seine Tiere einen ganz neuen Komfort. Sie haben eine Weide mit Dach über dem Kopf. Denn auf 8,5 Hektar erstrecken sich Photovoltaik-Module über dem Dauergrünland des Landwirts, mit 2,20 Meter an der Unterkante so hoch aufgeständert, dass die Kühe ohne Einschränkungen darunter grasen und wiederkäuen können. Das tun sie ganz entspannt. „Die Module spenden den Kühen Schatten, das schätzen sie, besonders an heißen Tagen“, erzählt Hutter. Kühe mögen es eher kühl.
Und auch dem Gras macht die Verschattung durch die Module nichts aus, im Gegenteil. „Das Gras wächst sogar besser, wahrscheinlich, weil die PV-Anlage das Kleinklima verändert. Unter den Modulen wird es im Frühjahr leichter warm, weil dort nicht so viel Wind weht, deshalb fängt das Gras eher an zu wachsen. Mehr Wind würde die Fläche auskühlen und die Verdunstung erhöhen“, sagt der Landwirt. Auch der Regen findet seinen Weg auf den Boden, das Wasser kann zwischen den Modulen abtropfen. So ist sichergestellt, dass die Pflanzen auf der gesamten Fläche ausreichend Wasser erhalten. Für eine zuverlässige Aussage sei es aber nach einer Saison noch zu früh, die Module würden erst seit Frühjahr stehen.
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Agri-PV vereint Landwirtschaft und Energiewende
Verantwortlich für die großzügigen Schattenplätze auf der Kuhweide ist die Energiegenossenschaft Oberland – wobei sie natürlich nicht in erster Linie auf das Tierwohl abzielt, sondern auf den Stromertrag aus der PV-Anlage. Agri-Photovoltaik oder kurz Agri-PV heißt das Modell, mit dem Äcker und Wiesen für die Erzeugung von Sonnenstrom genutzt werden können, ohne die landwirtschaftliche Verwendung zu beeinträchtigen. So kommen sich Landwirtschaft und Energiewende weniger ins Gehege, weil bei Agri-PV keine Flächen aus der Agrarnutzung herausgenommen werden müssen.
Insgesamt fünf Agri-PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von zusammen etwa 30 Megawatt und einem Investitionsvolumen von rund 20 Millionen Euro hat die Energiegenossenschaft Oberland im Frühjahr 2024 mehr oder weniger parallel errichtet. Drei Anlagen befinden sich auf Peißenberger und Pollinger Gemeindegebiet in den Ortsteilen Fendt, Strallen und Roßlaich. Hinzu kommen je eine Agri-PV-Anlage in Schongau und in Ohlstadt. An den Start gegangen war die Genossenschaft mit zwei herkömmlichen Freiflächen-PV-Anlagen. „Diese Anlagen haben in der Zeit, als sich wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine die Strompreise überschlagen haben, sehr viel Liquidität in unsere Kassen gespült. Dieses Geld wollten wir in die Energiewende reinvestieren“, erzählt Alexander Rossner, der zusammen mit Susanne Seeling und Stefan Sendl den Vorstand der Energiegenossenschaft Oberland stellt. Ende 2022 begann der Vorstand, sich ernsthaft mit dem Thema Agri-PV zu beschäftigen, im Juli 2023 stand die Finanzierung und ein Generalunternehmer wurde damit beauftragt, die Anlagen zu planen und zu errichten. Baubeginn war im Frühjahr 2024, bis zum Herbst 2024 waren alle Anlagen fertiggestellt und abgenommen.
Die Agri-PV-Anlage in Fendt in Zahlen
Die Agri-PV-Anlage der Energiegenossenschaft Oberland in Fendt bei Peißenberg erstreckt sich über 8,5 Hektar Dauergrünland. Auf der Fläche befinden sich 13.070 aufgeständerte Photovoltaik-Module. Die installierte Leistung beträgt 7,4 Megawatt, die Genossenschaft kalkuliert mit einem durchschnittlichen Jahresertrag von 8.540 Megawattstunden. Damit lassen sich rechnerisch 2.450 Haushalte mit Grünstrom versorgen.
Suche nach Partnern mit dem Maschinenring
Um die Flächenkonkurrenz zwischen der Landwirtschaft und den Erneuerbaren Energien zu überwinden, beschloss die Genossenschaft, weitere PV-Anlagen so hoch aufzuständern, dass darunter Tiere weiden können. Außerdem gibt es für Agri-PV-Anlagen eine höhere EEG-Vergütung. Zusammen mit dem Maschinenring Oberland suchte die Genossenschaft Landwirte, die sich vorstellen konnten, Flächen für Agri-PV zur Verfügung zu stellen. Einer der Landwirte, der sich meldete, war Korbinian Hutter aus Fendt. Er verpachtete die direkt an seinen Hof angrenzenden Wiesen an die Energiegenossenschaft. Diese erlaubt ihm im Gegenzug, die Flächen weiterhin kostenlos landwirtschaftlich zu nutzen.
Hutter nennt zwei Gründe, warum er seine Flächen für Agri-PV zur Verfügung gestellt hat. Der erste Grund ist finanzieller Natur: „Unser Betrieb ist mit 25 Milchkühen eigentlich zu klein, um dauerhaft wirtschaftlich zu arbeiten. Dafür müsste ich den Hof eigentlich um 200 Prozent vergrößern“, sagt der Landwirt. Durch die Pachtzahlungen der Energiegenossenschaft kann er nun den Hof in der bisherigen Größe weiterführen, ohne betriebswirtschaftlich ans Limit gehen zu müssen. Der zweite Grund ist ideeller Natur: „Wir legen viel Wert auf regionale Produkte, nur der Strom kommt von irgendwoher. Deshalb ist es mir wichtig, dass auch der Strom aus der Region kommt. Mit der Agri-PV-Anlage auf meinen Flächen kann ich dazu beitragen“, sagt Hutter.
Mehraufwand hält sich in Grenzen
Dafür nimmt er den Mehraufwand gerne in Kauf, der ihm durch die Agri-PV-Anlage auf seiner Fläche entsteht. „Ich muss wegen der Pfosten der Anlage mehr Ausmähen und benötige deswegen wohl auch einen anderen Schlepper“, sagt Hutter. Aber sonst bleibe fast alles beim Alten. „Ich werde die Flächen immer als Sommerweide nutzen, weil sie dem Hof am nächsten liegen. Deswegen ist auch der Maschineneinsatz gering, da ich die Wiesen nicht zur Futterproduktion für den Winter benötige“, sagt Hutter.
Die regionale Energiewende ist auch der Energiegenossenschaft ein wichtiges Anliegen. Die Bürger hatten die Gelegenheit, sich über Nachrangdarlehen an den Agri-PV-Anlagen zu beteiligen und so finanziell zu profitieren. Den Großteil des Investitionsvolumens finanzierte die Energiegenossenschaft über eine örtliche Bank, die für solche Projekte einen regionalen Klimasparbrief anbietet – ein Erfolgsmodell, wie Alexander Rossner betont. „Die Finanzierung kam superschnell zustande, denn die Bürger suchen regionale Anlagemöglichkeiten. Sie haben hohe Nachhaltigkeitsansprüche und wollen wissen, wie ihr Geld arbeitet.“
Rund zehn Prozent Mehrkosten
Im Vergleich mit einer normalen Freiflächen-PV-Anlage seien die Investitionskosten für eine Agri-PV-Anlage moderat höher, berichtet Vorständin Susanne Seeling, im Fall der Anlage in Fendt habe der Kostenunterschied etwas unter zehn Prozent der Investitionssumme betragen. „Die wesentlichen Mehrkosten konzentrieren sich auf die tiefere Gründung der Stahlprofile, die erschwerte Montage der Module und den höheren Materialaufwand beim Stahl“, sagt Seeling. Durch die hohe Aufständerung erhalten die Module auch auf der Unterseite genügend Licht, um Strom zu produzieren. Das können sie auch, sie sind bifazial, die Unterseite besteht aus Glas und Solarzellen. „Bei einfachen Solarmodulen ist die Unterseite foliert. Irgendwann löst sich die Plastikfolierung auf und hängt dann in Fetzen herunter. Das schaut dann nicht mehr so schön aus“, meint Seeling.
In Fendt wurden die Stahlprofile 2,50 Meter tief in den Boden gerammt. Das sei auch notwendig, meint die Vorständin der Energiegenossenschaft. „Die Module wurden in zwei Reihen montiert, die Unterkante befindet sich bei 2,20 Meter, die Oberkante bei vier Metern Höhe. Die Anlage bietet also viel Angriffsfläche für Wind, außerdem muss sie für eine ausreichende Schneelast dimensioniert sein und der Belastung durch die Tiere standhalten, wenn diese sich zum Beispiel an den Pfosten schubbern. Das ist schon eine Herausforderung für die Statik, dafür muss ein eigenes Gründungsgutachten erstellt werden“, sagt Seeling. Gerammte Stahlprofile haben übrigens noch einen anderen Vorteil: Sollte die Anlage nach Auslaufen der EEG-Vergütung in 20 Jahren nicht mehr rentabel sein, können die Stahlprofile relativ einfach wieder aus dem Boden gezogen und die PV-Anlage rückstandslos abgebaut werden. Es ist also möglich, den ursprünglichen Zustand der Fläche als Grünland wieder herzustellen.
Zur Sicherung reicht ein einfacher Zaun
Auch bei der Montage der Module mussten sich die Monteure erst auf die Höhe einstellen. „Am ersten Tag sind die mit Leitern gekommen, aber damit konnten sie nicht viel ausrichten. Das haben sie dann auch gleich eingesehen und sind am nächsten Tag mit Hebebühnen angerückt“, erzählt Seeling. Immerhin einen Vorteil haben die hoch aufgeständerten Module abgesehen davon, dass die Tiere darunter weiden können: Es reicht ein einfacher Weidezaun, um die Anlage vor unbefugtem Zugriff zu schützen. „Weil alle Komponenten in großer Höhe angeordnet sind, hat die Versicherungskammer Bayern als versicherndes Unternehmen nicht auf der sonst üblichen Umzäunung bestanden. Deshalb ist die optische Wirkung der Anlage auch nicht so massiv, die Gefängnishof-Optik anderer Anlagen konnten wir vermeiden“, sagt die Vorständin.
Noch stehe man ganz am Anfang der Lernkurve, doch die ersten Erfahrungen mit den fünf Agri-PV-Anlagen im Oberland seien positiv, berichtet Seeling. Die Rinder nehmen die Flächen gut an, die Landwirte müssen keine Unterstände für die Tiere schaffen, weil die Module ausreichend Schatten spenden. Außerdem müssen die landwirtschaftlichen Flächen nicht wie bei normalen PV-Freiflächenanlagen umgewidmet werden. Das heißt, sie bleiben als landwirtschaftliche Flächen erhalten und berechtigen den Landwirt, weiterhin Agrarsubventionen zu beziehen. Damit eine Fläche für Agri-PV genutzt werden kann, muss die Norm DIN SPEC 91434 eingehalten werden. Diese bestimmt die Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung (siehe dazu auch den Beitrag „Agri-PV: Ein Gewinnermodell für alle Beteiligten“ in dieser Ausgabe).
Für jede Agri-PV-Anlage eine eigene Gesellschaft
Normalerweise wird die Höhe der EEG-Vergütung von PV-Freiflächenanlagen ab einer installierten Leistung von einem Megawatt durch die Bundesnetzagentur in einer Ausschreibung ermittelt. Das gilt grundsätzlich auch für Agri-PV-Anlagen. Ausnahmen gibt es jedoch für Anlagen von Bürgerenergiegesellschaften. Diese müssen nicht an einer Ausschreibung teilnehmen und erhalten stattdessen nach Antrag einen Fördersatz, dessen Höhe sich nach den Projekten richtet, die bei den Ausschreibungen einen Zuschlag erhalten haben (siehe dazu auch den Beitrag „Was steht drin im neuen EEG?“ in „Profil“ 8/2022).
Der Gesetzgeber gewährt Bürgerenergiegesellschaften diese Ausnahme jedoch nur einmal in drei Jahren für ein Projekt. Deshalb gründete die Energiegenossenschaft Oberland für jede der fünf Agri-PV-Anlagen eine eigene Bürgerenergiegesellschaft mit jeweils 90 bis 120 Mitgliedern, um sich die Ausschreibung zu ersparen. Denn die Teilnahme an einer Ausschreibung würde einen hohen Aufwand bedeuten, ohne dass sich die Genossenschaft sicher sein kann, ob sie überhaupt einen Zuschlag für ihre geplante Anlage erhält. Doch auch die Gründung von fünf Bürgerenergiegesellschaften bedeutete einen hohen Aufwand. „Das war schon ein Wort und hat uns viel Kraft gekostet“, berichtet Vorstand Alexander Rossner.
Mehr bürokratischer Aufwand als erwartet
So sehr der Vorstand der Energiegenossenschaft den Fortschritt der Energiewende begrüßt, so hadert er mit den vielen großen und kleinen Steinen, die der Gesetzgeber den Akteuren der Energiewende in den Weg legt. „Wir hatten mehr bürokratischen und gesetzgeberischen Widerstand, als wir erwartet hatten“, gibt Rossner zu. Ein Problem sei, dass sich die Träger öffentlicher Belange im Bauleitplanverfahren zu wenig abstimmen. „Da werden eine Vielzahl von Interessen geäußert, die sich häufig in Einklang bringen ließen, wenn die Behörden nur ein wenig mehr miteinander reden würden“, berichtet der Vorstand. Deshalb sei es wichtig, Interessenträger bei der Planung von Energiewende-Projekten frühzeitig mit an Bord zu nehmen, indem zum Beispiel wichtige Sachverhalte über Voranfragen vor der eigentlichen Bauleitplanung geklärt werden.
Rossner macht drei grundlegende Probleme aus, mit denen alle Energiewende-Projekte zu kämpfen haben: die Unzulänglichkeit der Gesetzgebung, ungelöste Förderkonditionen und unzureichende Netzkapazitäten beziehungsweise der schleppende Netzausbau. „Die Probleme füllen ganze Bücher, aber nichts passiert. Es fehlt der große politische Wurf, um die Energiewende mit Nachdruck umzusetzen, stattdessen haben wir es mit einem gesetzgeberischen Flickenteppich zu tun, der schlimmer nicht sein könnte.“ So stehe zum Beispiel der Vergütungszuschlag für Agri-PV-Anlagen noch unter dem beihilferechtlichen Vorbehalt der EU. „Erst wenn die EU-Kommission ihre beihilferechtliche Genehmigung erteilt, kann der Zuschlag gewährt werden. Bis dahin bleiben alle Vergütungstatbestände auf dem alten Stand. Mir wird angst und bange, wie wir so die Energiewende hinbekommen wollen“, sagt Rossner.
Viel Unterstützung auf lokaler Ebene
Auf lokaler Ebene erfährt die Energiegenossenschaft Oberland jedoch viel Unterstützung für ihre Agri-PV-Anlagen. „Die Begeisterung ist groß. Alle Abstimmungen im Peißenberger Marktgemeinderat sind einstimmig gefallen“, betont Rossner. Wäre es anders gewesen, hätte die Genossenschaft wahrscheinlich auch von einem Engagement abgesehen. „Wir bauen nur dort, wo wir auf einhellige Akzeptanz stoßen. Projekte mit der Brechstange durchdrücken zu wollen, führt nicht zum Erfolg“, sagt Rossner. Die Planung und das Genehmigungsverfahren von der Voranfrage bis zum Baurecht kosteten viel Geld. „Bei knappen Mehrheiten in den Ratsgremien ist uns das Risiko zu hoch, dann ist die Zeit in der betreffenden Gemeinde noch nicht so weit. Schließlich arbeiten wir mit dem Geld unserer Mitglieder und tragen eine hohe Verantwortung dafür, dass dieses Geld gut investiert wird“, betont der Vorstand.
Die hohe Zustimmung zu den Agri-PV-Projekten habe auch damit zu tun, dass sie von einer Bürgerenergiegenossenschaft realisiert werden, ist Rossner überzeugt. „Uns ist es extrem wichtig, auf lokaler Ebene einen Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung zu leisten. Wir kommen aus der Region und investieren in der Region. So halten wir die Wertschöpfung vor Ort“, sagt der Vorstand. Die Genossenschaft suche sich lokale Partner, um ihre Projekte zu verwirklichen, die Gewerbesteuer fließe zu 100 Prozent an die Gemeinde, auf deren Flur sich die Agri-PV-Anlagen befinden. Die Menschen spürten, dass sich die Energiegenossenschaft für ihre Heimat einsetzt. Rossner: „Wären wir als normaler Investor aufgetreten, hätten wir nie die Unterstützung bekommen, wie wir sie als Bürgerenergiegenossenschaft erfahren haben.“