Zukunftsbauer: Die bayerischen Molkereigenossenschaften helfen ihren Mitgliedern dabei, den Wandel in der Landwirtschaft zu gestalten. Zwei Beispiele aus der Praxis.
Werte und Wissen rund um die Landwirtschaft zu vermitteln, darum geht es bei dem Ende 2022 ins Leben gerufenem Pädagogikkonzept der Molkerei Berchtesgadener Land. „Wir wollen fundiert aufklären“, sagt Eva Lederer, die bei der Genossenschaftsmolkerei mit Akteuren aus unterschiedlichen Abteilungen das Konzept entwickelt hat. Der Gedanke dahinter: Am allerbesten können Kinder die Arbeit von Landwirten oder die Abläufe in einer Molkerei verstehen, wenn sie direkt vor Ort alles begutachten und gleich dort ihre Fragen stellen können.
Montags und mittwochs begrüßt Eva Lederer Schulklassen, meist im Grundschulalter, in der Molkerei in Piding. Treffpunkt ist bei der „Alm“ im Eingangsbereich. „Dort lassen wir zunächst gemeinsam den vorangehenden Bauernhof-Besuch Revue passieren“, erzählt die Projektleiterin. Seit Juni 2023 nahmen bereits rund 1.300 Kinder in Piding an einer Führung teil. Fünfte und sechste Schulklassen kämen auch gelegentlich, um sich zu informieren. Bei älteren Schulklassen bieten sich dann eher die für Erwachsene gestalteten Führungen an.
Erst auf den Bauernhof, dann zur Molkerei
Bevor eine Schulklasse die Molkerei besucht, hat sie bereits einen der Bauernhöfe erkundet, der von einem Mitglied der Genossenschaft bewirtschaftet wird. „Dort erfahren die Kinder aus erster Hand allerlei Wissenswertes über die Landwirtschaft“, sagt Lederer. 35 Genossenschaftsmitglieder hat die Molkerei mittlerweile zu „Markenbotschaftern“ ausgebildet, die als zertifizierte Erlebnisbäuerinnen Kindern die Landwirtschaft näherbringen. „Dass es unsere Kulturlandschaft in dieser Form gibt, ist der Verdienst unserer Bauernfamilien“, betont Lederer. Zu dem Pädagogikkonzept gehört es daher, dass die Schülerinnen und Schüler von den Landwirtinnen selbst über den Hof geführt werden. „Dieser vorangehende Bauernhof-Besuch ist verpflichtend für unsere Führungen hier.“ Erst nach einem Hofbesuch begibt sich eine Schulklasse auf dem Molkerei-Gelände gemeinsam mit Eva Lederer auf die Spuren der Milch.
Mit den Markenbotschaftern Landwirtschaft erleben
Die Genossenschaftsmolkerei Berchtesgadener Land möchte Landwirtschaft und Gesellschaft zusammenbringen. Dazu bildet sie Landwirtinnen und Landwirte der 1.600 Mitgliedsbetriebe zu Markenbotschaftern aus. Sie alle verfügen über die staatliche Qualifizierung „Erlebnisbauernhof“ und werden regelmäßig geschult sowie vernetzt. Bei Hofbesuchen von Schulklassen werden sie bei der Vorbereitung und Umsetzung aktiv unterstützt. Zweimal im Jahr finden „Markenbotschafter-Tage“ statt.
Die Führung startet dort, wo die Milch in der Molkerei angeliefert wird. Lastwagen fahren auf der Produktionsstätte vor. Die großen Lkw mit den riesigen Tanks begeistern die Kinder, die nun während der Führung Warnwesten tragen. Auch wenn so manches Kind für den Rest des Tages am liebsten nur die einfahrenden Lkw beobachten würde, geht es weiter über das Gelände, etwa in die Abtankhalle oder zur Flaschenabfüllanlage. Denn auch dort, das merken die Kinder schnell, bekommen sie hautnah viele interessante Eindrücke von den Abläufen in einer Molkerei. Und Lederer beobachtet auch viel. Sie kann Stadt- von Landkindern unterscheiden. Doch sie betont auch: „Es gibt keine falschen Fragen.“ Sowohl bei den Hofbesuchen als auch bei den Führungen kann Lederer so Missverständnisse, die den landwirtschaftlichen Alltag betreffen, aus dem Weg räumen.
Umweltschutz ist Kindern wichtig
„Nur stumpf Zahlen beten wir nicht runter“, sagt Lederer. „Es geht darum, dass die Kinder bei den Führungen mit allen Sinnen erleben können.“ Um den jungen Besuchern alles anschaulich zu erklären, hat sich Lederer den Gymnastikraum der Molkerei geschnappt und diesen so hergerichtet, dass sie dort vieles kindgerecht und anschaulich erklären kann. Die Kinder erfahren nun zum Beispiel, dass eine Kuh 21 Liter Wasser pro Tag trinkt. Sie begutachten gemeinsam den Identifikationsstempel auf den Verpackungen und erfahren, wie sie künftig beim Einkaufen die regionale Landwirtschaft unterstützen können. Und Lederer zeigt ihnen eine Kiste voller Heu, in der sich aber auch ganz viel Müll versteckt hat. So bekommen die Kinder einen Eindruck davon, wie viel Unrat im Futter der Tiere landen kann, wenn sie achtlos ihren Müll in der Natur fallen lassen. „Die Kinder sind immer ganz aktiv mit dabei“, sagt Lederer. „Umweltschutz und all die damit verbundenen Themen sind ihnen wichtig.“
Ein besonderer Programmpunkt ist das Butterschütteln. Die jungen Molkereibesucher dürfen selbst Butter herstellen und diese dann gleich auf einem Bauernbrot verkosten. „Das fasziniert sie alle sehr“, weiß die Projektleiterin zu berichten.
Etwa zwei Stunden dauert die Molkerei-Führung. „Der Lehrkraft geben wir dann noch ein Quiz für den Unterricht mit. Und die Kinder bekommen eine Bio-Schokoladenmilch und als Andenken einen Radiergummi von uns.“
Viele Anfragen von Schulen dank Mundpropaganda
Die meisten Schulklassen kommen aus dem Berchtesgadener Land, doch sogar aus Traunstein oder vom Chiemsee aus haben manche Schulklassen schon den Weg zur Genossenschaftsmolkerei auf sich genommen. „Zu Beginn habe ich mir noch Gedanken gemacht, wie wir für unser Konzept Werbung machen könnten“, erinnert sich Lederer. „Doch dank der Mundpropaganda kennen mittlerweile so viele Lehrkräfte unser Konzept, dass wir meist im Vorjahr Anfragen für Führungen bekommen.“ Vor den Sommerferien ist das Interesse besonders groß, aber im Grunde genommen finden die Kinderführungen für Schulklassen das ganze Jahr über in Piding statt.
Ob auf einem der Bauernhöfe oder in der Molkerei – mit dem Pädagogikkonzept soll bei den Kindern Begeisterung für die Landwirtschaft geweckt werden. „Und sie sollen ein Bewusstsein dafür bekommen, dass es wertvoll ist, diese zu schützen“, sagt Lederer, die selbst Mutter von zwei Kindern ist. Jeder kann dazu aus gleichen Stücken beitragen. Und so kann die Projektleiterin den jungen Führungsteilnehmern, die auf den Spuren der Milch sind, den Genossenschaftsgedanken erklären. Jedes Mitglied, das zur Molkerei Berchtesgadener Land gehöre, sei wie ein Puzzleteil. „Zusammen sind wir aber erst das große Ganze.“
Die Molkerei Berchtesgadener Land
Als Genossenschaft gehört die Molkerei Berchtesgadener Land komplett ihren 1.600 Mitgliedern, also den Landwirten. Dazu gehören 600 Bergbauern, 400 konventionelle Landwirte und 600 Bio-Landwirte. Gegründet wurde die Molkerei 1927 gemeinsam von 54 Landwirten. Die Genossenschaft zählt heute zu den größten Bio-Molkereien Deutschlands. Sie beschäftigt 500 Mitarbeiter, davon 35 Azubis. Die Molkerei Berchtesgadener Land gibt eine Herkunftsgarantie auf ihre Produkte: Die Milch stammt ausschließlich von den Höfen der Genossenschaftslandwirte, die entlang des nördlichen Alpenkamms zwischen Zugspitze und Watzmann liegen. Heuer wurde die Molkerei Berchtesgadener Land mit dem Großen Preis des Mittelstandes ausgezeichnet. Vor allem das Nachhaltigkeitsengagement, die Bildungsoffensive bei Kindern und die Resilienz des Unternehmens aus Piding haben die Jury überzeugt.