Verantwortung: Die Politik macht es sich zu leicht, wenn sie dem Finanzsektor Vorgaben zur Nachhaltigkeit macht, die eigentlich auf die Realwirtschaft zielen.
Die Europäische Union verfolgt das Ziel, bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Brundtland-Kommission definierte bereits im Jahr 1987 eine wirtschaftliche Entwicklung als nachhaltig, wenn sie „den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, zu beeinträchtigen“. Darauf aufbauend wurde mit dem Pariser Klimaabkommen ein Grundsatzvertrag zur Bekämpfung des Klimawandels abgeschlossen. Die Europäische Union hat sich ambitionierte Klima- und Energieziele gesetzt, die sie bis 2030 erreichen möchte. Hierzu gehören die Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990, die Erhöhung des Anteils erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch auf einen Mindestanteil von 32 Prozent sowie die Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 32,5 Prozent im Vergleich zu einem „Business as usual“-Szenario.
Green Bonds sollen es richten
Die EU bezieht die europäischen Finanzmärkte in ihre Nachhaltigkeitsstrategie und ihre Klimaschutzpläne ein. So soll unter anderem ein Markt für grüne Anleihen („Green Bonds“) geschaffen werden. Dabei handelt es sich um Anleihen, die nur dann die Kennzeichnung „grün“ erhalten, wenn sich der Emittent verpflichtet, den Erlös transparent in klimarelevante oder umweltfreundliche Projekte zu investieren. Die „Climate Bond Initiative“ und die „International Capital Market Association“ haben dazu private Standards vorgeschlagen. Diese haben Dynamik in den bisher kleinen Markt gebracht. Zunehmend zeigen die Investoren Interesse an Green Bonds, so dass es für die Politik opportun erscheint, diesen Trend zu verstärken.
„Das Entstehen einer grünen Anleihenblase und das Platzen dieser Blase wäre nicht nur für den Finanzsektor desaströs, sondern auch für den Klimaschutz.“
Die USA haben jedoch gezeigt: Politik über die Lenkung von Kapitalströmen zu gestalten, kann durchaus riskant sein. Dort haben politische Ziele das Entstehen der US-Subprime-Immobilienblase mitverursacht. Mit dem sogenannten „Community Reinvestment Act“ wollte die US-Regierung Investitionen in den Wohnungsbau ankurbeln. Benchmarks für die Kreditvergabe sollten die Banken dazu bringen, mehr Immobiliendarlehen an die US-Haushalte auszureichen, selbst bei einer schlechten Bonität. Die Folgen sind bekannt. Parallele Entwicklungen in Europa sind nicht ausgeschlossen. Die EU sollte nicht den gleichen Fehler begehen und das Finanzsystem übermäßig beanspruchen, um ökologische Ziele zu erreichen. Das Entstehen einer grünen Anleihenblase und das Platzen dieser Blase wäre nicht nur für den Finanzsektor desaströs, sondern auch für den Klimaschutz, da Anleger üblicherweise Investitionen meiden, bei denen sie in der Vergangenheit Geld verloren haben.
Umsetzung der Klimaziele kostet 7 Billionen US-Dollar pro Jahr
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, wird der Gesamtinvestitionsbedarf in verschiedenen Studien auf jährlich 6 bis 7 Billionen US-Dollar beziffert. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Überblicksstudie ermittelt. Das globale Emissionsvolumen an Green Bonds summierte sich im Jahr 2017 dagegen nur auf 157 Milliarden US-Dollar. Um die angestrebten klimaverträglichen Gesamtinvestitionen von bis zu 7 Billionen US-Dollar pro Jahr zu finanzieren, müssten sich die grünen Anleiheemissionen also um das 45-Fache erhöhen.
Was ist „grün“?
Aktuell arbeitet die Europäische Kommission an einer Klassifikation („Taxonomie“) umweltverträglicher Investitionsprojekte. Hierdurch sollen die Kapitalströme hin zu grünen Investitionsprojekten gelenkt werden. Genau genommen handelt es sich bei der Taxonomie um die Einteilung von Investitionsprojekten in die Kategorien „umweltverträglich“ oder „umweltschädlich“. Die Taxonomie entscheidet darüber, ob Emittenten grüne Anleihen ausgeben dürfen oder davon ausgeschlossen sind. Über eine starre Taxonomie werden die Kapitalströme stark beeinflusst, so dass die Lenkungsfunktion des Markts durch wirtschaftspolitische Ziele beeinträchtigt werden könnte.
Zusätzliche Fehlallokationen von Kapital drohen, sollte die Taxonomie bei der Klassifizierung Vorprodukte außer Acht lassen. Denn ein „grünes“ Endprodukt ist in vielen Fällen die Summe aus „nicht grünen“ Vorprodukten. So kann beispielsweise ein Elektroauto als umweltfreundliches Produkt klassifiziert werden, da es eine emissionsarme Mobilität ermöglicht. Dann könnte seine Produktion über grüne Anleihen finanziert werden. Allerdings lassen sich viele einzelnen Komponenten des Elektroautos nicht notwendigerweise als „grüne“ Produkte klassifizieren, wenn sie isoliert betrachtet werden.
Ein Beispiel ist die Batterie. Für die Lieferanten der relevanten chemischen Produkte und Materialien könnte es schwierig werden, grüne Anleihen auszugeben, wenn sich die Taxonomie zu sehr auf Endprodukte konzentriert und den Beitrag von Zwischenprodukten und Rohstoffen zu den grünen Endprodukten vernachlässigt. Eine Folge könnte sein, dass die Kosten zur Finanzierung grüner Endprodukte ansteigen, da die höheren Finanzierungskosten für Vorprodukte an die Hersteller der grünen Endprodukte weitergegeben werden.
Gleiches gilt, wenn Emittenten über Anleihen in die Reduktion ihrer CO2-Emissionen investieren wollen, die dazu benötigte Technologie aber nicht als „grün“ eingestuft wird. Denn nicht nur umweltfreundliche Produkte, sondern auch eine Verringerung des CO2-Ausstoßes schützt das Klima. Falls sich neue Technologien zur CO2-Reduktion wegen der Taxonomie nicht über Green Bonds finanzieren lassen, müssten die Emittenten auf konventionelle Anleihen ausweichen. Werden diese zugunsten von grünen Anleihen weniger nachgefragt, treibt das die Kosten in die Höhe.
Gefahr für die Finanzstabilität
Zusätzlich zu einer grünen Taxonomie wird in Brüssel die Erhöhung der Nachfrage nach Green Bonds durch einen grünen Unterstützungsfaktor in der Eigenkapitalregulierung der Banken diskutiert. Ein solcher Schritt muss kritisch gesehen werden. Da das Eigenkapital einer Bank einen Puffer gegen unerwartete Verluste darstellt, soll die Bankenregulierung sicherstellen, dass die Banken im Verhältnis zu ihrem Risiko ausreichend Eigenkapital halten. Ein grüner Unterstützungsfaktor hätte aber zur Folge, dass die Banken bei grünen Anleihen weniger gegenüber unerwarteten Verlusten abgesichert wären. Das könnte die Finanzstabilität in Europa gefährden.
Bürokratiekosten begrenzen
Standards sind essenziell, damit sich ein Markt für grüne Anleihen entwickeln kann. Anleger benötigen eine Definition von grünen Investitionen sowie eine Definition dessen, was eine grüne Anleihe ist. Darüber hinaus sind Standards für die Offenlegung erforderlich, damit die Anleger leicht auf Informationen über die Umweltverträglichkeit einer Investition zurückgreifen können. Die bisherigen Marktstandards sind für die Investoren wichtig. Darüber hinaus sollte die Politik aber nicht versuchen, Kapitalströme zu stark lenken zu wollen, auch um den langfristigen Charakter grüner Investitionen und den eher kurzfristigen Anlagehorizont der Finanzmärkte in Einklang zu bringen.
Auch wenn Green Bonds grundsätzlich ein sinnvolles Instrument zur Förderung von Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz darstellen, so besteht ein Hauptproblem für die Emittenten von grünen Anleihen darin, dass der Nachweis der Umweltverträglichkeit einer Investition mit Bürokratiekosten verbunden ist – besonders dann, wenn es sich um ein Zwischenprodukt handelt, dessen Umweltverträglichkeit erst im Endprodukt sichtbar wird. Gleiches gilt für Unternehmen, die in emissionsmindernde und energiesparende Technologien investieren. Damit ein Markt für nachhaltige Finanzierung entstehen kann, ist es deshalb auch notwendig, die Bürokratiekosten für die Emittenten in einem sinnvollen Maß zu halten.
Dr. Markus Demary ist Senior Economist für Geldpolitik und Finanzmarktökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).