Neugründung: Im unterfränkischen Wombach haben sich die Menschen zusammengetan, um die traditionelle Bäckerei zu erhalten. Ein Ortsbesuch.
Alles war geregelt. Nachdem die Chefin der ehemaligen Bäckerei Schleich in Malgersdorf im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn verstorben war und sich die Nachfolge innerhalb der Familie schwierig gestaltete, wollte ein Investor das Geschäft übernehmen. „Doch kurz vor dem Torschluss am 1. Juli 2023 platzte der Deal“, erzählt Erster Bürgermeister Franz Josef Weber. Den Mitarbeitern wurde gekündigt. Malgersdorf, das zwischen 1.200 und 1.300 Einwohner hat, stand plötzlich ohne Bäckerei da. „Bürgermeister, du musst was machen“, hörte Weber plötzlich von allen Seiten.
Von der Dringlichkeit und der Bedeutung der Bäckerei für den Ort überzeugt werden, das musste der Malgersdorfer Bürgermeister nicht. „Die Bäckerei liegt ganz zentral am Dorfplatz. Um die Lebensqualität in unserem Ort, gerade auch für ältere Leute, zu sichern, brauchten wir eine Lösung – und das möglichst schnell“, erzählt Weber. Es ging darum zu verhindern, dass ein Makler eingeschaltet wird, der einen externen Investor auftut, und sie als Dorfgemeinschaft dann auf das zentral gelegene Objekt keinen Einfluss mehr haben.
Der Familie Schleich lag das Lebenswerk ihrer Eltern und Großeltern in Malgersdorf am Herzen. „Die Familie war sehr interessiert daran, dass wir für den 1755 gegründeten Betrieb eine Lösung finden“, erinnert sich der Bürgermeister. Könnte möglicherweise kurzfristig noch ein privater Investor gefunden werden? „Doch viel mehr schwebte mir vor, dass sich viele aus dem Dorf beteiligen und engagieren“, sagt Weber. Dabei war er sich aber auch der ungewöhnlichen Größenordnung des Geschäfts bewusst. „Von der Größe her ist es kein Dorfladen mehr, aber auch noch kein Supermarkt.“
Malgersdorf braucht eine schnelle Lösung
Viel Zeit zum Grübeln und Pläneschmieden blieb nicht. Der Druck auf Weber nahm zu: „Bürgermeister, dir muss doch was einfallen!“ Und genau das passierte: Weber liebäugelte mit dem Gedanken, zusammen mit etwa 150 bis 200 Leuten eine Genossenschaft zu gründen. Der Kontakt mit Max Riedl von der Gründungsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern war rasch hergestellt. Riedl prognostizierte, dass die Gründung etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen würde. „Doch diese Zeit hatten wir nicht“, berichtet Weber. „Die Mitarbeiter wurden bereits abgeworben. Für den Erfolg eines solchen Projekts ist aber gerade das Personal ausschlaggebend. Es musste schneller gehen. Wir standen brutal unter Zeitdruck.“
Ohne die nächste Gemeinderatssitzung abwarten zu können, musste das Malgersdorfer Gemeindeoberhaupt handeln und entwickelte folgende Idee: Die Gemeinde wird das Gebäude kaufen und an eine Genossenschaft verpachten. Weber rief eine Sondersitzung des Gemeinderats ein. „Das eine oder andere Gemeinderatsmitglied war skeptisch. Denn es blieb vorab keine Zeit für die üblichen Berechnungen und Pläne.“ Doch Weber überzeugte seinen Gemeinderat, in diesem Fall einen ungewöhnlichen Weg zu gehen: Ein Risiko einzugehen und ein „bisserl ins Blaue“ zu planen. Doch dank des Expertenteams des GVB sei dies möglich gewesen.
Was macht die GVB-Gründungsberatung genau?
Was machen eigentlich die Gründungsberaterinnen und -berater des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB)? „Wir begleiten und beraten die Gründer auf dem Weg von der ersten Idee bis zur Eintragung der Genossenschaft in das Genossenschaftsregister“, erklärt Max Riedl, einer von fünf Gründungsberatern und -beraterinnen beim GVB. Am Anfang gehe es darum, den Gründern das Modell Genossenschaft und seine Grundwesensmerkmale zu erläutern. Oft sei das in der Ausführlichkeit aber gar nicht mehr nötig, berichtet Riedl. „Viele Gründer sind schon gut informiert, wenn sie auf den GVB zukommen.“
Häufig lägen die Tücken einer Genossenschaftsgründung im Detail. Hier könne er seine langjährige Erfahrung einbringen, erklärt Riedl. „Wer eine Genossenschaft gründen will, braucht in jedem Fall eine Satzung und einen belastbaren Business-Plan“, sagt Riedl. Hierzu biete der GVB vielfältige Unterstützungsleistungen an, zum Beispiel eine Mustersatzung.
Der GVB unterstütze aber auch bei anderen Fragen, die bis zur Gründung geklärt sein sollten. Wie sieht das Geschäftsmodell konkret aus? Wie muss sich die Genossenschaft personell und finanziell aufstellen, um den in der Satzung genannten Unternehmenszweck zu erfüllen? Wie finanziert sich die Genossenschaft? Welche Fördermöglichkeiten gibt es? Wie stellen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft langfristig dar? Im Idealfall gibt es auch schon einen konkreten Zeit- und Vorhabenplan für das Projekt, zu dessen Zweck die Genossenschaft gegründet werden soll. „In der Gründungsberatung sprechen wir solche Themen an. Je klarer die Genossenschaftsgründer wissen, was sie wollen und worauf es ankommt, desto besser gelingt der Start“, sagt Riedl.
Potenzielle Gründer können sich auf der Webseite des GVB umfangreich über die Rechtsform sowie die notwendigen Schritte bis zur Gründung informieren. Dazu gibt es zahlreiche Dokumente zum Download, zum Beispiel einen Rechtsformenvergleich, eine Checkliste zur Genossenschaftsgründung, Hinweise zum Geschäftsplan, eine Mustersatzung sowie eine Mustereinladung und ein Protokollmuster für die Gründungsversammlung. Zudem hat der GVB Antworten auf die häufigsten Fragen zur Genossenschaftsgründung zusammengestellt. Für weitere Informationen steht das GVB-Gründungsteam gerne zur Verfügung. Wie eine Gründung im Detail abläuft, beschreibt „Profil“ in der Ausgabe 2/2019 am Beispiel der Bürgerenergie Chiemgau eG.
Ein kleiner Kreis gründet die Genossenschaft
Im kleinen Kreis wurde die Dorfgenossenschaft Malgersdorf gegründet. „Die Familie Schleich, die dem Projekt ja ein Gesicht gibt, ebenso wie die Mitarbeiter gehörten dazu. Ebenso holten wir die Gemeinderäte, den Pfarrer und den Vorstand unserer Raiffeisenbank ins Boot, dazu Experten wie einen Rechtsanwalt, einen Controller, einen Steuerberater, einen Handelsfachwirt, einen Handwerksmeister und mich“, zählt der Bürgermeister auf. „Die Kernmannschaft bestand aus 30 Leuten und so konnten wir einen Vorstand und einen Aufsichtsrat bilden.“
Ein erster riesiger Schritt war geschafft. Doch von Ausruhen konnte keine Rede sein. „In dem Laden war womöglich auch aufgrund der Erkrankung der Vorbesitzerin in den letzten Jahren nicht mehr viel passiert“, erzählt Weber, der nun Vorstand der neu gegründeten Genossenschaft war. „Damit die Bäckerei mit Kühlanlagen und Einrichtung den Anforderungen der heutigen Kunden entspricht, rechneten wir mit einer Investition von etwa einer halben Million Euro.“ Weber und seine Mitstreiter riefen eine Bürgerversammlung unter dem Motto „Unser Dorf – unser Beck, gemeinsam schaffen wir das“ ein, um Geld zu sammeln.
Ein möglichst niedriger Genossenschaftsanteil
„Den einzelnen Genossenschaftsanteil hielten wir mit 100 Euro relativ niedrig“, erklärt der Bürgermeister. „Jeder vom Dorf sollte sich beteiligen können. Wir boten sogar die Möglichkeit an, den Anteil in Raten zu zahlen.“ Für ihre Versammlung zur Werbung von neuen Mitgliedern mieteten sie den Saal der Dorfbrauerei, der für etwa für 300 bis 400 Leute gedacht ist. „Der Saal platzte allerdings bei der Versammlung aus allen Nähten, der Ansturm war enorm“, erinnert sich Weber, dem seine Begeisterung noch heute, ein Jahr später, anzumerken ist. Es wurden zusätzlich Biertische hineingetragen, viele mussten stehen, andere sahen nur zum Fenster in den Saal. Gut 500 Leute zeigten ihr Interesse an der Genossenschaft. „Es war gigantisch!“
„Knapp 400 Mitglieder kamen an diesem Abend hinzu. Mittlerweile sind es um die 800, nicht nur aus Malgersdorf, sondern auch aus den umliegenden Ortschaften. Das hätten wir uns nicht träumen lassen“, sagt Weber. Denn sie alle wissen zu schätzen, dass es beim „da Beck“ bereits ab 5:30 Uhr Backwaren, Kaffee und Sandwiches gibt. „30 Prozent unseres Umsatzes machen wir bereits vor 8 Uhr morgens“, freut sich Weber. „So war es auch beim Eröffnungstag vergangenes Jahr am 11. September 2023. Bereits kurz nach 5 Uhr kam so viel Kundschaft, dass die Feuerwehr alles absperren musste.“
Investitionen und Zukunftspläne
400.000 Euro hat die Genossenschaft in dem Jahr nach der Wiedereröffnung investiert. „Besonders freuen wir uns auch über einen Zuschuss in Höhe von 40 Prozent durch das Amt für ländliche Entwicklung“, sagt Weber. Der Umsatz konnte bereits deutlich ausgeweitet werden. „Er steigt und steigt und steigt“, freut sich der Bürgermeister, der heuer im Juni den Vorstandsvorsitz an Manfred Sperl, einen Handels-Fachwirt, abgegeben hat. „Ich bin aber noch im Aufsichtsrat, kümmere mich um Fördermittel, strategische Aufgaben und habe das betriebswirtschaftliche Controlling im Blick“, sagt Weber und verrät einen großen Zukunftsplan: Wenn demnächst der Dorfplatz in Malgersdorf neugestaltet wird, dann könnte ein Tagescafé die Bäckerei „da Beck“ noch weiter aufwerten. Um sich mitten im Ort zu treffen und in der Genossenschaftsbäckerei verweilen zu können.
Bäckerei „Da Beck“ in der Malgersdorfer Ortsmitte
- Adresse: Landauer Straße 2, 84333 Malgersdorf
- Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag jeweils von 5:30 bis 13 Uhr, Freitag von 5:30 bis 18 Uhr und Samstag von 6 bis 12 Uhr
- Ruhetag: Sonntag