Qualität: Die fränkischen Winzergenossenschaften behaupten sich mit hochwertigen Weinen am Markt. Doch Klimawandel, Lieferengpässe und Strukturwandel erfordern neue Strategien.
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Impulsgeber und Vorausdenker: Hermann Mengler, Weinfachberater beim Bezirk Unterfranken, ist laut Fachzeitschrift „Vinum“ eine der 25 wichtigsten Weinpersönlichkeiten Deutschlands. Er habe den Qualitätssprung des Silvaners in den vergangenen zwei Jahrzehnten maßgeblich mitgestaltet, lobt die „Vinum“-Redaktion – und verlieh ihm den Ehrentitel „Doc Silvaner“.
Herr Mengler, in den 1990er-Jahren und um die Jahrtausendwende galt Wein vom Main nicht gerade als Qualitätstropfen, oder?
Hermann Mengler: Vor zwei Jahrzehnten war Frankenwein in der Tat ein ziemlicher Ladenhüter. Viele Winzer haben Weine produziert, ohne auf den Markt zu schauen. Das Motto lautete: Je mehr, desto besser. Darunter litt jedoch die Qualität und als Konsequenz das Image des Frankenweins.
Was ist seitdem passiert?
Mengler: Um die Jahrtausendwende haben die Winzer umgedacht. Sie haben neue Konzepte entwickelt und sich darauf konzentriert, qualitativ hochwertige Weine herzustellen. So hat Franken eine neue Identität mit eindeutigem Profil und Fokus auf die Leitrebsorte Silvaner erhalten. Die Zahlen verdeutlichen diese Entwicklung: Im Jahr 2000 (über-)lagerten 806.000 Hektoliter Wein in den fränkischen Kellern. 2021 waren es weniger als ein Drittel davon, nämlich 256.000 Hektoliter. Die Winzer stellen heute also nicht mehr die Quantität, sondern die Qualität in den Mittelpunkt ihres Handelns. Das honorieren die Menschen: Frankenwein ist heute nicht mehr Ladenhüter, sondern Bestseller.
Was haben die fränkischen Winzergenossenschaften zu dieser Entwicklung beigetragen?
Mengler: Die Genossenschaften haben an den positiven Veränderungen einen wesentlichen Anteil. Ohne sie wäre es, in der Breite und Geschwindigkeit, nicht möglich gewesen, die Weinqualität auf das heutige hohe Level zu bringen. Beispielsweise gehörten die Genossenschaften zu den ersten Unternehmen, die sich mengenmäßig eingeschränkt haben und nicht mehr vorwiegend auf möglichst hohe Erträge gesetzt haben. Sehr wichtig war zudem die Einführung der sogenannten Bonitur. Dabei machen die Genossenschaften genaue Vorgaben zur Traubenqualität und wie diese erreicht werden sollen. Das System steuert die Arbeit im Weinberg. So erhalten die Unternehmen genau die Qualität, die sie für den Markt benötigen.
„Ich predige guten Wein und ich trinke guten Wein.“
Die Fachzeitschrift „Vinum“ hat Ihnen den Ehrentitel „Doc Silvaner“ verliehen. Wie würden Sie Ihre Arbeit beschreiben?
Mengler: Kernziel unserer Tätigkeit in der Fachberatung für Kellerwirtschaft des Bezirks Unterfranken ist es, Entscheidungshilfen für die Winzerinnen und Winzer zu geben. Beim Weinbau gibt es keinen Königsweg. Viele Aspekte wie Weinstile, Rebsorten oder Vermarktungsstrategien müssen beachtet werden. Daher setzen wir auf eine individuelle Beratung – jeweils zugeschnitten auf das Weingut oder die Genossenschaft. Nicht umsonst lautet mein Motto: Ich predige guten Wein und ich trinke guten Wein.
Wie sehen Sie Weinfranken heute im Vergleich zu anderen Weinbaugebieten aufgestellt?
Mengler: Sehr gut, denn die Weinqualität in Franken ist mittlerweile auf einem Top-Niveau. Auch beim touristischen Angebot brauchen wir uns nicht zu verstecken. Hervorzuheben sind besonders die Gästeführungen. Es gibt keine bessere Möglichkeit, um die Weinberge, die Winzerorte, die Weingüter und die Winzergenossenschaften näher kennenzulernen. Wenn man weiß, woher der Wein stammt, schmeckt er gleich noch einmal so gut.
Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Mengler: Aktuell kommt ein Großteil der Gäste nicht wegen des Weins nach Franken. Sondern, weil sie die Orte besichtigen oder die Natur erleben möchten. Der gute Wein ist dann das i-Tüpfelchen. Unser Ziel in der Weinwirtschaft muss es jedoch sein, dass die Menschen in erster Linie wegen des Weins nach Franken kommen und beispielsweise eine ein- oder zweiwöchige Genussreise unternehmen. Und dann vor Ort merken, wie viel die Region noch zu bieten hat. In anderen Weinbaugebieten wie dem Burgund oder Piemont ist es absolut üblich, dass die Menschen hauptsächlich wegen des Weins kommen. Das Ziel ist ambitioniert ich weiß, aber wenn wir vorne mitspielen wollen, müssen wir dorthin kommen. Um das zu erreichen, muss die regionale, „große“ Weinqualität Frankens noch mehr in den Fokus rücken.
„Die Winzergenossenschaften spielen eine ganz wichtige Rolle im fränkischen Weinbau.“
Sie haben bereits gesagt, dass die fränkischen Winzergenossenschaften einen hohen Anteil an den positiven Veränderungen in Franken hatten. Welche Bedeutung messen Sie den Genossenschaften für den fränkischen Weinbau heute zu?
Mengler: Die Winzergenossenschaften spielen eine ganz wichtige Rolle im fränkischen Weinbau, vor allem auch im Zusammenspiel mit Kleinbetrieben, Weingütern und dem Weinhandel. Auch weinbaupolitisch sitzen sie konstruktiv mit allen Institutionen an einem Tisch. Alleingänge werden so vermieden. Ohne sie würde es keine Marktstabilität geben. Die Winzergenossenschaften bewirtschaften rund 30 Prozent der Rebfläche. Würden sie die daraus entstehende Weinmenge nicht gebündelt auf den Markt bringen, dann würden die Preise stark unter Druck geraten, weil jedes Weingut und jeder Winzer seinen Wein selbst vermarkten müsste. In diesem Zusammenhang ist es sehr bedauerlich, dass die Zahl der Genossenschaftsmitglieder in den vergangenen Jahren rückläufig ist. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Trend gestoppt wird.
Silvaner ist die Leitrebsorte des Weinbaugebiets. Warum passen Silvaner und Franken so gut zusammen?
Mengler: Weil sich die Eigenschaften so gut ergänzen. Wortkarg sind die Menschen in Franken – und auch die Silvanerweine weisen keine aufdringliche Aromatik oder Säure auf. Sie glänzen eher durch Langlebigkeit. Auch die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, der Silvaner eignet sich als Solist, als Begleitung zum Essen und zum Lagern. Dazu kommt: Nirgendwo auf der Welt wächst der Silvaner besser als in Franken. Grundlage dafür ist die einmalige Triasformation, bestehend aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper. Das Nebeneinander dieser drei Gesteinsarten prägt die Landschaft in Franken und deren Weine und findet sich so in keinem anderen Weinbaugebiet.
Kann Franken auch Weine jenseits des Silvaners?
Mengler: Die Silvanerrebe ist zwar die fränkische Leitrebsorte und deren Anbaufläche steigt stetig, dennoch sind aktuell nur rund ein Viertel der Rebfläche mit Silvaner bestockt. Insofern ist noch viel Platz für andere Rebsorten. Mengenmäßig spielen bei den Weißweinen besonders Müller-Thurgau, Bacchus und Riesling eine große Rolle. Im Trend liegen derzeit die Sorten Weißer Burgunder und Sauvignon Blanc, ihr Anteil nimmt stetig zu. Auch qualitativ müssen wir uns nicht verstecken: Bei nationalen und sogar internationalen Weinwettbewerben werden fränkische Weine jenseits des Silvaners regelmäßig ausgezeichnet.
Wie sieht es beim Rotwein aus?
Mengler: Franken ist Weißweinland, dazu stehen wir. Dennoch ist weniger als ein Fünftel der Rebfläche mit roten Rebsorten bestockt. Man findet sie vor allem auf Böden aus Buntsandstein in Churfranken. An Sorten zu nennen sind vor allem Domina und Spätburgunder.
„Allen Akteuren in Weinfranken ist bewusst, dass der Klimawandel die zentrale Herausforderung ist.“
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die fränkischen Winzerinnen und Winzer?
Mengler: Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung, das ist allen Akteuren in Weinfranken bewusst. Wie dringend wir Strategien entwickeln müssen, haben uns die vergangenen Jahre gezeigt. Ob Starkregen, Frost im späten Frühjahr, oder anhaltende Trockenheit: Seit 2018 gab es kein Jahr ohne Extremsituationen. Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass wir bis in die 2030er Jahre Zeit haben, um Lösungen zu finden. Aber das hat sich als Trugschluss erwiesen. Wir müssen jetzt umdenken und umsteuern.
Was folgt daraus?
Mengler: Es stellen sich unzählige Fragen, auf die wir Antworten finden müssen. Zum Beispiel: Wie gehen wir mit dem Wassermangel um? Was bedeutet es für die Reben, wenn die Ultraviolettstrahlung zunimmt und der Anteil an Ozon in der Luft weiter ansteigt? Welche Rebsorten sind widerstandsfähig? Wie hoch muss die Laubwand sein? Wie können wir die Resistenz der Pflanzen erhöhen? Und so weiter.
Wie weit sind Sie beim Finden von Lösungen?
Mengler: Zunächst einmal ist wichtig, dass die Probleme klar benannt sind. Nun geht es in der Tat darum, passende Strategien zu entwickeln. Denn mit vielen der heute gebräuchlichen Mittel und Methoden stoßen wir an unsere Grenzen. Es braucht also neue Ansätze. Die gibt es auch und sie werden im Zusammenspiel mit Weinbaubetrieben und Forschungseinrichtungen, wie Universitäten weltweit vorangetrieben. Schließlich betrifft der Klimawandel alle. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Insofern sind alle Beteiligten in der Weinwirtschaft aufgefordert, die Anstrengungen beim Bewältigen des Klimawandels deutlich zu intensivieren.
„Der Silvaner ist äußerst widerstandsfähig – aber das ist natürlich keine Garantie für die Zukunft.“
Was bedeutet der Klimawandel speziell für den Silvaner?
Mengler: Zunächst einmal stimmt mich positiv, dass die Silvanerrebe in den vergangenen 360 Jahren alle Veränderungen überstanden hat. Ob kleine Eiszeit, Reblaus, eingeschleppte Pilzkrankheiten, Frostereignisse, oder aktuell die Hitze mit Trockenheit: Die Rebsorte ist äußerst widerstandsfähig. Aber das ist natürlich keine Garantie für die Zukunft. Dass der Silvaner mit heißen Temperaturen zurechtkommt, sehen wir im Elsass, wo es durchschnittlich wärmer und noch trockener ist als in Franken. Dort sind etwa zehn Prozent der Rebflächen mit Silvaner bestockt. Zudem führen wir ab nächstem Jahr in Südfrankreich bei Montpellier einen Feldversuch durch. Wir werden dort Silvaner anbauen, um zu schauen, wie die Rebsorte bei noch heißeren Temperaturen zurechtkommt.
Nun haben wir viel über Frankenwein gesprochen. Welchen Tipp haben Sie für jemanden, der zum ersten Mal eine Weinreise nach Franken unternimmt?
Mengler: Wer sich dafür entschieden hat, nach Franken zu reisen, hat die wichtigste Entscheidung bereits getroffen. Ich empfehle, zu Beginn unsere Weinhauptstadt Würzburg anzusteuern. Erster Anlaufpunkt ist die Alte Mainbrücke. Dort nimmt man sich ein Glas Silvaner und lässt das Ambiente auf sich wirken. Alles andere kommt dann automatisch. So lässt es sich leben wie Gott in Franken.
Herr Mengler, vielen Dank für das Gespräch!