Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Ein kalter Tag in der zweiten Septemberhälfte, die Sonne scheint auf den Hof der Winzergenossenschaft DIVINO in Nordheim am Main. Kellermeister Felix Reich grüßt ein Mitglied, das seine Lese vom Traktoranhänger in die Edelstahlwanne der Traubenannahme kippt. Innerhalb von Minuten verdunkelt eine dicke Regenwolke den Hof. Es folgt ein kurzer, aber heftiger Schauer, dann setzt sich die Sonne wieder durch. „Im Sommer wollte der Himmel keinen einzigen Tropfen Regen hergeben. Ausgerechnet jetzt schüttet es aus jeder noch so kleinen Wolke, obwohl wir das zur Lese gar nicht gebrauchen können“, beschwert sich Reich.

Die spontane Klage des Kellermeisters beschreibt ziemlich genau die Herausforderungen der Winzer in diesem Jahr. Im Sommer setzte langanhaltende Trockenheit den Rebstöcken zu. Wochenlang hatte es nicht geregnet. „Das ist problematisch, weil die Traube ohne Wasser nicht genügend Nährstoffe aufnehmen kann. Die Beeren können verschrumpeln, zudem droht ihnen Sonnenbrand“, erklärt Reich. Der Regen kam pünktlich Anfang September zum Beginn der Weinlese. Dann aber brauchen die Winzer idealerweise trockenes Wetter. Denn wenn der Boden aufgeweicht ist, kommen die Maschinen nicht in die Weinberge. Außerdem könnten die Trauben zu viel Wasser aufnehmen, sich ausdehnen und platzen. Auch Fäulnis droht bei zu viel Niederschlag. „In Bezug auf das Wetter hatten wir ein schwieriges Jahr“, fasst Reich zusammen.

Trotz der herausfordernden Saison ist der Kellermeister zufrieden mit der Lese. Mengenmäßig liegt die Divino nur leicht unter dem langjährigen Durchschnitt. Rund 90 Prozent einer normalen Ernte hat die Genossenschaft heuer eingefahren. Auch die Qualität stimmt. „Mit den gelieferten Trauben können wir gut arbeiten. Ich freue mich auf die Arbeit im Keller“, betont Reich.

Alte Rebstöcke kommen mit der Dürre besser zurecht

Eine Stunde später, wenige Kilometer südlich, hat der Regen wieder eingesetzt. Frank Dietrich, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender der Winzerkeller Sommerach eG, hat deshalb ins „Weinreich“ geladen. In der Vinothek präsentiert und verkauft die Genossenschaft ihre Produkte. Unterhalb liegt der Gewölbekeller, in dem der Wein ausgebaut wird, oben gibt es Verkostungszimmer und eine Weinschule.

Auch den Sommeracher Winzern hat die Dürre zu schaffen gemacht. Vor allem Weinberge mit jungen Rebstöcken seien nicht gut mit den trockenen Bedingungen zurechtgekommen, berichtet Dietrich. Bleibt der Niederschlag aus, kämpfen Rebe, Trauben und Blätter um das verbliebene Wasser. Im schlimmsten Fall stirbt der ganze Stock ab. Um ihn zu retten, schneiden die Winzer alle Trauben und Blätter ab. So kann die Pflanze bis ins nächste Jahr überleben. „Der Ertrag liegt dann jedoch bei null“, betont Dietrich.

Deutlich besser halten ältere Rebstöcke ab 20 Jahre Lebensdauer die Dürre aus. Die Wurzeln reichen bis zu zehn Meter tief, die Pflanze kann auf Wasservorräte in der Erde zurückgreifen. Generell gibt es einige Rebsorten, die mit der Hitze besser zurechtkommen. Die fränkische Leitrebsorte Silvaner gehöre dazu, erklärt der Vorstandschef der Winzerkeller Sommerach eG.

Wegen der Dürre hat die Genossenschaft nur rund 75 Prozent einer durchschnittlichen Ernte gelesen. „Das tut schon weh, wir hätten uns mehr gewünscht“, sagt Dietrich. Die geernteten Trauben würden jedoch eine hohe Qualität aufweisen. „Wir rechnen mit einem fantastischen Jahrgang“, betont er.

Top-Qualitäten zuerst geerntet

Andreas Oehm, Vorstandsvorsitzender der Winzergemeinschaft Franken eG (GWF), berichtet von einer vergleichsweise hektischen Ernte. Das liegt einerseits am Regen. Andererseits hat sich dieses Jahr witterungsbedingt die Lese-Reihenfolge geändert. Normalerweise ernten die Winzer zunächst frühreife Sorten wie Bacchus oder Müller-Thurgau. Heuer konnten jedoch die Top-Lagen schon zu Beginn gelesen werden, weil sie durch die langanhaltende Wärme viel früher als normal die gewünschte Qualität hatten. Auch normalerweise spätreife Sorten wie Sauvignon Blanc waren bereits Anfang September erntereif.

Eine gute Entwicklung? Oehm ist zwiegespalten. Auf der einen Seite freut er sich, dass die Genossenschaft die Lese besser planen kann. „Auf diese Weise können wir die Flächen so ernten, wie wir sie für unser Sortiment benötigen“, erklärt er. Auf der anderen Seite findet die Lese in immer kürzerer Zeit statt. Das ist mit viel Aufwand und Stress verbunden. „In Zukunft wird es wohl häufiger solche Jahre wie dieses geben“, sagt Oehm.

Der Vorstandschef der GWF kann sich noch gut an das Weinjahr 2020 erinnern. Damals hatte Frost einen Großteil der Ernte vernichtet. „Deshalb sind wir mit der Menge zufrieden, auch wenn wir uns etwas mehr erhofft hätten“, betont Oehm. Wichtig sei, dass die Qualität stimmt: „Vor allem im gehobenen Sortiment wird es ein hervorragender Jahrgang.“

Weinbaupräsident Artur Steinmann: Gute Ernte

Wegen der Trockenheit haben viele Winzer bereits Ende August und Anfang September mit der Weinernte begonnen. Offiziell eröffnet wurde die Lese in Franken am 12. September durch Ministerpräsident Markus Söder. Mit dabei war Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands. Er zieht ein positives Fazit zur Weinsaison: „Wir erwarten in Franken eine leicht unterdurchschnittliche Erntemenge. Zunächst hatten wir aufgrund der Dürre mit einem noch geringeren Ertrag gerechnet. Diese Befürchtung hat sich aber zum Glück nicht bewahrheitet“, erklärt er. Sehr zufrieden ist Steinmann mit der Qualität der Trauben. Der Regen Anfang September habe den Beeren gutgetan. „Ich bin überzeugt, dass 2022 ein toller Weinjahrgang wird“, betont der Weinbaupräsident.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Felix Reich, Kellermeister bei der Divino Nordheim Thüngersheim eG, zieht Bilanz zur Weinlese 2022 in Franken. Video: Florian Christner, Christof Dahlmann und Karl-Peter Lenhard (Schnitt).

Artikel lesen
Topthema