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Worum geht es?

  • Trotz der Corona-Krise besteht für Genossenschaften die Pflicht, eine General- oder Vertreterversammlung einzuberufen und abzuhalten.
  • Genossenschaften, die ihre Versammlung dieses Jahr noch nicht einberufen haben, können dies bis zum Jahresende noch tun.
  • Der Gesetzgeber hat den Genossenschaften für 2020 bei der Durchführung einige Erleichterungen zugestanden.
  • Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die General- oder Vertreterversammlung trotz der Corona-Beschränkungen digital oder als Präsenzveranstaltung durchzuführen.
  • Der GVB berät seine Mitglieder auf Wunsch bei der Vorbereitung und Durchführung der General- oder Vertreterversammlung.

Eine Generalversammlung auf einer Freilichtbühne – so etwas gibt es auch nicht alle Tage. Doch was ist schon normal in Zeiten von Corona, wo es gilt, Abstand zu halten, um sich vor einer Infektion zu schützen? Die Molkereigenossenschaft Allgäu Milch Käse eG aus Kimratshofen jedenfalls machte aus der Not eine Tugend und verlegte ihre Generalversammlung in die Freilichtbühne in Altusried – Corona-konform mit Abstand, Mundschutz und Verpflegungspaket. Theoretisch hätten dort 4.300 Personen Platz nehmen können, doch weil zum anberaumten Termin Versammlungen mit mehr als 400 Personen untersagt waren, buchte die Genossenschaft vorsichtshalber auch noch das Altusrieder Auto-Kino hinzu. Dorthin wäre die Versammlung live übertragen worden. Wegen Corona zogen es dann aber doch viele Mitglieder vor, zu Hause zu bleiben, sodass die Freilichtbühne für die Veranstaltung ausreichte.

Mit der Veranstaltung hat die Allgäu Milch Käse eG dem Recht ihrer Mitglieder Genüge getan. Denn auch in Corona-Zeiten kommen die Genossenschaften nicht umhin, eine General- oder Vertreterversammlung einzuberufen und abzuhalten. Die Hoffnung vieler Kredit-, Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften, dass sich die Pandemie bis zu diesem Herbst beruhigt hat und Veranstaltungen wieder ganz normal möglich sind, hat sich spätestens mit dem neuerlichen Anstieg der Infektionszahlen zerschlagen. Genossenschaften, die 2020 noch keine General- oder Vertreterversammlung abgehalten haben, bleibt daher noch bis zum Jahresende Zeit, dies nachzuholen. Immerhin hat der Gesetzgeber im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) für 2020 Erleichterungen bei der Durchführung beschlossen. Was müssen die bayerischen Genossenschaften dazu beachten?

Was sagt das Gesetz?

Gemäß § 48 Genossenschaftsgesetz (GenG) stellt die General- beziehungsweise Vertreterversammlung den Jahresabschluss fest. Sie beschließt über die Verwendung des Jahresüberschusses oder die Deckung eines Jahresfehlbetrags sowie über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats. Sie hat unter normalen Umständen in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden.

Was unterscheidet die General- von der Vertreterversammlung?

„Bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern kann die Satzung bestimmen, dass die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder (Vertreterversammlung) besteht“, lautet § 43a des Genossenschaftsgesetzes. In diesem Fall ist die Vertreterversammlung das höchste Entscheidungsorgan der Genossenschaft. Vertreter müssen Mitglied der Genossenschaft sein und dürfen weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat angehören.

Aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus hat der Gesetzgeber im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie das Genossenschaftsgesetz modifiziert, um die Durchführung der General- oder Vertreterversammlung im Jahr 2020 zu erleichtern. So kann abweichend von § 48 GenG der Jahresabschluss durch den Aufsichtsrat festgestellt werden. Eine darüber hinausgehende Änderung des § 48 GenG erfolgte nicht. Es bleibt demnach grundsätzlich bei der Regelung, dass die General- oder Vertreterversammlung über die Verwendung des Jahresüberschusses sowie über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats zu beschließen hat.

Darüber hinaus blieb es auch bei der Vorgabe, dass die General- oder Vertreterversammlung grundsätzlich in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden hat. In der Begründung zum Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie führt der Gesetzgeber allerdings aus, dass ein Versäumen dieser Frist keine Sanktionen zur Folge hat und die Fristeinhaltung auch nicht durch ein Zwangsgeld nach § 160 GenG erzwungen werden kann. Mangels Verschulden des Vorstands kann dies im Rahmen der genossenschaftlichen Pflichtprüfung auch nicht dazu führen, dass die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung in Zweifel gezogen werden könnte. Daher bedürfe es keiner Verlängerung der Frist, heißt es in der Gesetzesbegründung. Von einem Verzicht auf die General- oder Vertreterversammlung ist aber auch hier keine Rede.

Unterstützung durch den GVB

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt seine Mitglieder bei der Abhaltung ihrer General- oder Vertreterversammlung in 2020. Ansprechpartner für Kreditgenossenschaften sind Walter Friedrich, Leiter Marktbereich Nord, wfriedrich(at)gv-bayern.de, 089 / 28 68-35 20 und Siegfried Drexl, Leiter Marktbereich Süd, sdrexl(at)gv-bayern.de, 089 / 28 68-35 40. Gewerbliche/ländliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften richten sich an Udo Löw, Bereichsleiter Prüfung/Betreuung Ware und Dienstleistung, uloew(at)gv-bayern.de, 089 / 2868-3560. Rechtliche Fragen beantwortet Peter Warbanow von der GVB-Rechtsberatung, pwarbanow(at)gv-bayern.de, 089 / 2868-3717.

Weder aus dem Gesetzestext noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich daher ableiten, dass die Genossenschaften in 2020 auf eine General- oder Vertreterversammlung verzichten können. Auch der Fachausschuss für Rechnungslegung und Prüfung des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV), in dem alle genossenschaftlichen Prüfungsverbände vertreten sind, hat in seiner Sitzung vom 3. September 2020 einstimmig diese Auffassung vertreten. Daraus folgt, dass noch im Jahr 2020 zwingend eine General- oder Vertreterversammlung virtuell, in Präsenz oder als Mischform für das Geschäftsjahr 2019 durchzuführen ist. Welche Formen der Durchführung sind in diesem Jahr zulässig?

Präsenzveranstaltung

Die General- oder Vertreterversammlung kann in Form einer Präsenzveranstaltung durchgeführt werden, wenn die zurzeit geltenden Hygienebestimmungen eingehalten werden. Dabei sind gegenwärtig unter anderen folgende Vorgaben zu beachten:

  • Die Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen sind beschränkt. Wie viele Personen an einer Veranstaltung teilnehmen dürfen, kann regional unterschiedlich sein und sich auch kurzfristig durch behördliche oder gesetzliche Vorgaben ändern. Eine Beschränkung der Anzahl der teilnehmenden Mitglieder ist bei einer General- oder Vertreterversammlung jedoch nicht zulässig. Jedem Mitglied muss die Teilnahme ermöglicht werden.
  • Genossenschaften, die eine General- oder Vertreterversammlung in gemieteten Räumen eigenständig planen, müssen ein Hygienekonzept erstellen und durch das zuständige Gesundheitsamt genehmigen lassen.
  • Bei einer Veranstaltung in einem gastronomischen Betrieb ist dagegen der zuständige Betreiber der Lokalität für das Hygienekonzept verantwortlich.

Virtuelle Versammlung

Damit die Genossenschaften auch unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie eine General- oder Vertreterversammlung abhalten können, hat der Gesetzgeber im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie abweichend von § 43 GenG ausnahmsweise die Möglichkeit geschaffen, eine virtuelle Generalversammlung durchzuführen. Über diese gesetzliche Regelung wird es jeder Genossenschaft ermöglicht, eine General- oder Vertreterversammlung auch dann abzuhalten, wenn eine Präsenzveranstaltung nicht durchführbar ist. Grundsätzlich sind bei einer virtuellen Versammlung die gleichen Maßstäbe wie bei einer Präsenzveranstaltung anzuwenden. Dabei muss unter anderem gewährleistet sein, dass

  • das Mitglied persönlich (oder eventuell als Vertretungsberechtigter oder als Bevollmächtigter) an der General- oder Vertreterversammlung teilnimmt,
  • die Legitimation der einzelnen Mitglieder sichergestellt wird,
  • eine (geheime) Wahl durchgeführt werden kann,
  • die Mitglieder ihr Frage-und Auskunftsrecht wahrnehmen können,
  • die Mitglieder die Möglichkeit haben, bei den Wahlen zum Aufsichtsrat (und gegebenenfalls Vorstand) Kandidatenvorschläge zu unterbreiten.

Die Durchführung einer virtuellen General- oder Vertreterversammlung erfordert sowohl bei der Genossenschaft als auch bei den Mitgliedern gewisse technische Voraussetzungen. So benötigen die Mitglieder eine geeignete Hardware (Tablet/Computer) und einen Internetzugang. Die Genossenschaft muss hingegen die technischen Voraussetzungen schaffen, um die allgemeinen Anforderungen wie bei einer Präsenzveranstaltung (siehe oben) zu ermöglichen. Mehrere Anbieter aus dem Genossenschaftsverbund stellen Lösungen für die technische und organisatorische Umsetzung einer virtuellen General- oder Vertreterversammlung bereit.

Umsetzung über VR-Networld

Die VR-Networld fokussiert sich mit ihrem Angebot auf eine sogenannte On-Demand-Durchführung einer digitalen General- oder Vertreterversammlung. Dabei werden die Inhalte der Versammlung zuvor aufgezeichnet und können dann von den Mitgliedern digital abgerufen werden. Optional wird auch eine Live-Variante angeboten. Technisch basiert das Leistungspaket der VR-Networld auf der Kombination bereits bestehender Systeme (digitales Netzwerk für Mitglieder, Livestream-System NetCon, Online-Vertreterwahl über den Anbieter Polyas). Die Raiffeisenbank Straubing hat ihre Vertreterversammlung mithilfe von VR-Networld digital abgehalten. Im Mitgliederbereich der GVB-Webseite berichtet Vorstand Rainer Haas über seine Erfahrungen.

Umsetzung über Conventex

Die Conventex GmbH aus Münster bietet den Volksbanken und Raiffeisenbanken schon seit mehreren Jahren mit der Software Genolive eine Lösung für das Management von Veranstaltungen an. Genolive wurde in den letzten Wochen erweitert, um nun auch vollständig digitale Events wie zum Beispiel digitale Vertreterversammlungen technisch abbilden zu können. Bei der Firma Conventex wird die Veranstaltung mit einem Live-Videostream übertragen, die Genossenschaft wird dabei vor Ort je nach Leistungspaket von mindestens drei Technikern von Conventex unterstützt. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat für seine Mitglieder einen Rabatt auf den Listenpreis für die Durchführung einer digitalen Veranstaltung mit Conventex verhandelt. Die Raiffeisenbank Erding hat ihre Vertreterversammlung mithilfe von Conventex digital abgehalten. Im Mitgliederbereich der GVB-Webseite berichtet Vorstand Helmut Daschinger über seine Erfahrungen.

Im Mitgliederbereich der GVB-Webseite gibt es weitere Informationen zur Durchführung einer digitalen General- oder Vertreterversammlung mit Umsetzungspräsentationen von VR-Networld und Conventex.

Sonstige Varianten

Solange die grundsätzlichen Rechte der Mitglieder bei der General- oder Vertreterversammlung gewährleistet werden (wie oben bei den virtuellen Versammlungen beschrieben), sind auch verschiedene pragmatische Alternativen beziehungsweise Kombinationen zu virtuellen Versammlungen oder Präsenzveranstaltungen denkbar. Möglich ist zum Beispiel eine Präsenzveranstaltung, die gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfindet und per Livestream verbunden ist. Auf diese Weise kann zum Beispiel die Teilnahme aller Mitglieder gewährleistet werden, wenn ein einzelner Veranstaltungsort aus Infektionsschutzgründen nicht alle Mitglieder aufnehmen kann.

Theoretisch lässt das Covid-19-Gesetz auch zu, General- oder Vertreterversammlungen auf dem schriftlichen Weg abzuhalten. Diese Variante wird vom GVB aktuell nicht empfohlen, da nicht ausreichend geklärt ist, wie die Mitgliedsrechte, beispielsweise das Frage- und Auskunftsrecht, anfechtungssicher gewährleistet werden können.

Konsequenzen bei Nichtabhaltung

Die General- oder Vertreterversammlung stellt das wesentliche Instrument zur Wahrung der Mitgliederrechte einer Genossenschaft dar. Sofern der Vorstand beziehungsweise Aufsichtsrat eine Versammlung in 2020 nicht einberuft, beschneidet er die gesetzlichen Rechte der Mitglieder. Insofern würde es sich dabei um einen gesetzlichen Verstoß handeln. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) appelliert deshalb an seine Mitglieder, ihre General- oder Vertreterversammlung – sofern noch nicht geschehen – noch dieses Jahr anzuberaumen und abzuhalten.
 

Udo Löw ist Bereichsleiter Prüfung und Betreuung Ware und Dienstleistung.

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