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Am 27. März 2020 verhängte die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde im Zuge der Corona-Krise ein faktisches Dividendenverbot bis mindestens Oktober 2020. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 30. März nachgezogen und ihre Erwartungshaltung an die ihr unterstellten Institute deutlich verschärft.

Die BaFin setzte mit ihrer ausgesprochenen Erwartungshaltung ein deutliches Zeichen. Sie erwartet von den Banken, dass sie bis mindestens Oktober keine Dividende ausschütten. Aus Sicht einer regionalen, mittelständischen Genossenschaftsbank schüttelt man den Kopf und fragt sich, wie es zu einer solchen Entscheidung kommen konnte. Erst durch den Einsatz der genossenschaftlichen Bankenverbände konnte die Bankenaufsicht überzeugt werden und erlaubt jetzt eine institutsindividuelle Regelung der Dividendenausschüttung.

Aufsicht wirft alle Banken in einen Topf

Bekannt ist, dass die BaFin eine solche Erwartungshaltung nicht von sich aus aussprach, sondern lediglich die Regelungen der Europäischen Bankenaufsicht umsetzte. Klar ist aber auch, dass die BaFin mit der uneingeschränkten Weitergabe einer solchen Regelung alle Banken in einen Topf warf und die institutsindividuellen Begebenheiten außer Acht ließ. Dies stellte einen massiven Eingriff in die genossenschaftliche Autonomie dar und wurde bereits von vielen Seiten stark kritisiert.

Es entstand der Eindruck, dass die Aufsichtsbehörden nicht zwischen den verschiedenen Bankengruppen differenzieren wollten. So scheint es das Schicksal der Genossenschaftsbanken zu sein, dass deren Gesellschaftsform allgemein zu wenig bekannt ist und gleichzeitig zu wenig Beachtung findet. Kaum einem in der Gesellschaft sind die Prinzipien einer Genossenschaftsbank geläufig und auch in der Schule oder im Studium findet diese Rechtsform meist keinerlei Beachtung.

Genossenschaftliches Motto ist aktueller denn je

Dabei kann das genossenschaftliche Prinzip auf eine mittlerweile über 170-jährige Geschichte zurückblicken und sollte spätestens mit der UNESCO-Aufnahme als immaterielles Kulturerbe im Jahr 2016 in aller Munde sein. Gleichzeitig ist das genossenschaftliche Motto „Was einer nicht schafft, das schaffen viele!“ aktueller denn je.

Mit diesem Motto sind die Genossenschaftsbanken seit jeher sehr gut gefahren und haben gemeinsam Wirtschaftskrisen, Weltkriege und Währungsreformen überstanden. Nimmt man die Höhe der Steuerzahlung als Gradmesser von Erfolg, so haben die Genossenschaftsbanken im Jahr 2018 insgesamt 2,08 Milliarden Euro an Steuern gezahlt. Dies wird lediglich durch die Sparkassen mit einem Steueraufkommen von knapp 2,7 Milliarden Euro übertroffen. Zum Vergleich: Großbanken haben den Steuerzahler im Jahr 2018 sogar knapp 100 Millionen Euro gekostet.

Dieser Erfolg führt bis heute dazu, dass noch nie ein Kunde oder ein Mitglied einer Genossenschaftsbank Angst um seine Einlagen haben musste. Im Gegenteil, insgesamt schenken heute über 18,5 Millionen Mitglieder den Genossenschaftsbanken ihr Vertrauen. Verbunden damit ist allerdings auch das Vertrauen auf eine regelmäßige Beteiligung an dem Gewinn „ihrer“ Bank.

Hoher Erklärungsbedarf auf Vertreterversammlungen

Durch die ausgesprochene Erwartungshaltung der BaFin wurde dieses Vertrauen der Kunden gestört. Im Unterschied zu einer Aktiengesellschaft können die Mitglieder einer Genossenschaftsbank ihre Mitgliedsanteile jederzeit zurückgeben. Im Vertrauen auf eine regelmäßige Dividendenzahlung kann die Folge eines Dividendenverbots die vermehrte Rückgabe von Geschäftsanteilen und damit ein Abschwächen der Eigenkapitalbasis der Genossenschaftsbanken zur Folge haben. Damit wären die Anstrengungen der einzelnen Institute und gleichzeitig der Wunsch der Bankenaufsicht nach mehr Eigenkapital ad absurdum geführt. Sicherlich ist ein Verzicht auf eine Dividendenzahlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für viele Mitglieder nachvollziehbar. Wenn es „ihrer“ Bank finanziell schlecht gehen sollte, beteiligen sich die Mitglieder über die Kürzung oder Nichtauszahlung der Dividende an der Situation. Dies ist aktuell allerdings bei einem sehr großen Teil der Institute keineswegs der Fall und so blieb das Dividendenverbot für die Mitglieder intransparent, stiftete Unruhe und verursachte hohen Erklärungsbedarf auf den Vertreterversammlungen.

Auch auf die einzelne Genossenschaftsbank hätte die Aussprache eines Dividendenverbots direkt spürbare Auswirkungen. Als Eigentümer der Zentralbank fehlen den Genossenschaftsbanken durch die Nichtausschüttung einer Dividende der DZ Bank dieses Jahr deutlich über 300 Millionen Euro. Gleichzeitig zahlten die deutschen Genossenschaftsbanken im Jahr 2018 eine durchschnittliche Dividende von 4,0 Prozent an ihre Mitglieder, was einem nicht unerheblichen Betrag im dreistelligen Millionenbereich entsprach. Insgesamt also eine enorme Summe, die nun für die von der Bundesregierung gewünschte Förderung der Wirtschaft und zur Erhöhung der Kauflaune fehlen würde.

Individuelle Lösungen statt einheitlichem Verbot

Bereits im März hat sich der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) für eine institutsindividuelle Lösung der Dividendenausschüttung stark gemacht. Nachdem Ende Juli 2020 bekannt wurde, dass der European Systemic Risk Board (ESRB) eine Empfehlung an alle Aufsichtsbehörden innerhalb der EU versandt hatte, aus welcher hervorging, dass das Dividendenverbot bis mindestens 1. Januar 2021 verlängert wird und sich auch die EZB dieser Empfehlung anschloss, wurde der BVR erneut aktiv.

So konnte letztendlich eine institutsindividuelle Lösung mit der Bankenaufsicht vereinbart werden, die gerade nicht auf ein einheitliches Dividendenverbot, sondern auf die individuelle wirtschaftliche Situation der einzelnen Genossenschaftsbank abzielt. Auch wenn die Auszahlung der Dividende an viele Bedingungen geknüpft ist, können die Volksbanken und Raiffeisenbanken die für den Herbst geplante Dividendenzahlung nun guten Gewissens durchführen, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

Unterstützung durch den Genossenschaftsverband Bayern

Bereits im Frühjahr 2020 hat die BaFin angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie die dringende Empfehlung abgegeben, bis Oktober 2020 keine Dividende auszuschütten. Anfang September 2020 sind BaFin und Bundesbank erneut an die Verbände der Kreditwirtschaft herangetreten, um eine neue Anzeigepflicht für Institute einzuführen, die ab Oktober 2020 eine Dividendenausschüttung planen. Die Meldung soll vor dem bindenden Beschluss der General- beziehungsweise Vertreterversammlung über die Ausschüttung erfolgen. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt betroffene Banken bei der Anzeige. Weitere Informationen gibt es im Mitgliederbereich der Webseite des Verbandes.

Das waren gute Nachrichten für die Institute und die 18,5 Millionen Mitglieder, die ihrer Bank das Vertrauen geschenkt haben. Weiterhin wird es die Aufgabe aller Beteiligten sein, im Spannungsfeld der Themen Finanzmarktstabilität, soziale Marktwirtschaft und freiheitlich demokratische Grundordnung die besten Lösungen für unser Land zu finden.
 

Thomas Höbel ist Vorstandssprecher der Volksbank Raiffeisenbank Dachau. Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form zuerst auf der Webseite „Der Bank Blog“ erschienen.

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