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„Ein Aus der Kombinationshaltung würde den Strukturwandel beschleunigen“

Bernhard Pointner, Geschäftsführer der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land:

„Die Kombinationshaltung hat eine jahrhundertelange Tradition bei uns in der Alpenregion. Wir setzen uns bewusst für ein Miteinander der Haltungsformen ein. Dazu sind wir in engem Kontakt mit unserer treuen Stammkundschaft, der der Erhalt der familiengeführten Alm- und Weidebetriebe im Berggebiet genauso am Herzen liegt wie uns.

Die Bedeutung der Bergbauern für die wertvollen und artenreichen Kulturlandschaften bei uns ist unbestritten. In unserer Bergregion prägt der bäuerliche Familienbetrieb mit seinen kleinen Kuhherden in Berg und Tal das Image der ganzen Region – insbesondere für den Tourismus. Diese Form der Bewirtschaftung trägt so zentral zum Erhalt der Wirtschaftskraft und dem Wert unserer Regionen bei. Der Tourismus fördert nicht nur den ländlichen Raum und dessen Entwicklung, sondern auch gezielte Investitionen zur Erhaltung der Natur und des Lebens- und Kulturraums.

Der Strukturwandel, den ein Aus der Kombinationshaltung beschleunigen würde, hätte für uns als Marke Berchtesgadener Land weitreichende negative Folgen. Mit immer größeren Laufstallbetrieben unterscheiden wir uns immer weniger von der Industrielandwirtschaft, die schon in weiten Teilen Deutschlands Einzug gehalten hat. Das sympathische Image unserer Familienbetriebe ist seit fast 100 Jahren Kern unserer Marke und muss bewahrt werden.

Wo immer möglich unterstützen wir unsere Mitglieder bei Investitionen, wissen aber, dass der Bau eines Laufstalls im Gebirge mit 20 Kühen wirtschaftlich sehr schwierig darstellbar ist. In vielen Tal- und Berglagen ist eine Erweiterung häufig schon topografisch kaum möglich.

Mit jedem Betrieb, der dann aus der Milchwirtschaft aussteigen müsste, verlieren wir einen Pfleger unserer einzigartigen Kulturlandschaft und schaden der Biodiversität und der gesamten Wirtschaftsregion.“

Was bedeutet Kombinationshaltung?

Die im Verein milch.Bayern zusammengeschlossenen Verbände, darunter der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), haben 2019 im Schulterschluss mit dem Bayerischen Bauernverband eine gemeinsame Beschreibung der Kombinationshaltung erarbeitet. Im Mittelpunkt steht der Umfang an Bewegung für die Milchkühe. Grundsätzlich müssen die Milchkühe an insgesamt mindestens 120 Tagen im Jahr Bewegung erhalten. Bewegung heißt dabei Laufhof, Weide oder Buchten, in denen sich die Tiere frei bewegen können (zum Beispiel Abkalbe- oder Trockensteherbuchten). Wenn Betriebe im Stall besondere Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls nachweisen können, reichen insgesamt mindestens 90 Tage im Jahr Bewegung aus. Weitere Informationen dazu gibt es auf der Webseite von milch.Bayern sowie beim Bayerischen Bauernverband.

Die Bundesregierung möchte mit der Novelle des Tierschutzgesetzes eine Bestandsobergrenze von 50 Rindern für die Kombinationshaltung vorschreiben, zudem sollen die Tiere auch im Winter zweimal wöchentlich Auslauf erhalten. Das lehnen die Bäuerinnen und Bauern als undurchführbar ab (siehe dazu auch die Meldung am Textende).

„Sollte der Gesetzgeber die Kombinationshaltung erschweren, wären viele Arbeitsplätze bedroht“

Wolfgang Rebensburg, Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Kreuth und Vorstand der Naturkäserei Tegernseer Land eG:

„Als Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Kreuth und Vorstand der Naturkäserei Tegernseer Land eG sehe ich das drohende Aus für die Kombinationshaltung aus zwei Perspektiven äußerst kritisch, obwohl ich selbst kein Landwirt bin.

Da sind zum einen die Mitglieder unserer Genossenschaft. Die Landwirte der Naturkäserei Tegernseer Land eG verarbeiten ihre Heumilch zu hochwertigem Käse, den sie selbst vermarkten. So stehen sie wirtschaftlich auf eigenen Beinen und sind nicht abhängig von den Weltmärkten. Gleichzeitig haben sie mit der Naturkäserei einen touristischen Anziehungspunkt geschaffen, der weit über die Gemeinde hinaus bekannt ist. Das ist ein Ansatz, den die Gemeinde Kreuth nach Kräften unterstützt.

Sollte die Kombinationshaltung durch überzogene Auflagen im Tierschutzgesetz faktisch abgeschafft werden, würde das nicht nur die Mitglieder der Naturkäserei Tegernseer Land eG, sondern fast alle Landwirte in der Gemeinde hart treffen. Die meisten Bauernhöfe in der Gemeinde Kreuth besitzen weder die baulichen noch personellen oder finanziellen Ressourcen, um die geforderten Auflagen umzusetzen. Sie müssten die Milchviehhaltung aufgeben – und wären auf einmal ihrer Lebensgrundlage beraubt. Das darf nicht passieren.

Mit der Aktion #daswaereweg machen die bayerischen Bergbauern darauf aufmerksam, wie die Natur ohne Almwirtschaft aussehen würde.

Almwiesen würden innerhalb von wenigen Jahren verbuschen und schließlich zu Wald, wenn keine Rinder mehr darauf weiden.

Viele Almen sind beliebte Raststationen für Wanderer. Ohne Viehhaltung würden sie nicht mehr bewirtschaftet, der Tourismus würde leiden.

Auch für die Gemeinde und den Tourismus wäre das faktische Ende der Kombinationshaltung ein schwerer Schlag. Seit 2018 darf Kreuth das Gütesiegel ,Bergsteigerdorf‘ führen, das vom Deutschen Alpenverein verliehen wird. Der Titel ist eine Art alpiner Ritterschlag, der nur wenigen Orten in den Alpen zuteilwird. Wer ihn führen will, muss unter anderem eine Liste strenger Kriterien für einen bewussten Umgang mit dem landschaftlichen und kulturellen Erbe erfüllen.

Dieses Erbe wäre massiv bedroht, wenn die Landwirte ihre Betriebe aufgeben müssten. Denn die touristisch attraktiven Almwiesen rund um Kreuth gibt es nur, weil die Bauern im Sommer ihr Vieh auf die Alm treiben. Gäbe es dort keine Weidehaltung, würden die Flächen innerhalb von wenigen Jahren verbuschen und schließlich zu Wald – eine auch aus touristischer Sicht wenig attraktive Perspektive, denn die Touristen lieben den freien Blick über die Almwiesen.

Landwirtschaft und Tourismus sind bedeutende Wirtschaftsfaktoren in der Gemeinde Kreuth, an denen viele Arbeitsplätze hängen. Sollte der Gesetzgeber die Kombihaltung drastisch erschweren, wären viele dieser Arbeitsplätze bedroht – nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Tourismus. Denn wenn die Region nicht mehr attraktiv ist, bleiben auch die Touristen aus. Ist es wirklich das, was der Gesetzgeber erreichen will?“

„Weder der Gesetzgeber noch der Handel nehmen Rücksicht auf regionale Besonderheiten“

Hubert Dennenmoser, Geschäftsführer der Allgäu Milch Käse eG:

„Eine Verschärfung der Vorgaben bei der Kombinationshaltung würde auch einen Teil der Mitglieder der Allgäu Milch Käse eG treffen und den ohnehin rasanten Strukturwandel nochmals beschleunigen. Nach wie vor gibt es in Bayern relativ viele Landwirte, die ihre Milchkühe im Stall anbinden. Bei der Allgäu Milch Käse eG sind es von insgesamt knapp 1.000 Mitgliedern immer noch fast 200.

Vor allem die Landwirte, die konventionelle Milch liefern, müssen ohnehin schon kämpfen, um die Auflagen des Handels zu erfüllen. Dieser fordert immer mehr die Haltungsform 3, damit er Milch- und Käseprodukte überhaupt noch abnimmt. Das bedeutet, die Landwirte müssen nach aktuellen Vorgaben ihre Tiere im Laufstall mit ganzjährig nutzbarem Laufhof oder im Offenfront­laufstall oder im Laufstall mit Weidegang an mindestens 120 Tagen im Jahr halten. Anbindehaltung ist nicht erlaubt.

Mich stört an der ganzen Debatte, dass weder der Gesetzgeber noch der Handel Rücksicht auf regionale Besonderheiten nimmt, sondern alle Höfe über einen Kamm schert. Milchviehhaltern in Nord- und Ostdeutschland fällt es allein aufgrund der klimatischen Bedingungen und der Platzverhältnisse viel leichter, die Vorgaben des Gesetzgebers und des Handels einzuhalten.

Außerdem bleibt bei den Vorgaben außen vor, wie ein Landwirt seine Tiere behandelt. Ob es ihnen gut oder schlecht geht, hängt nicht alleine von gesetzlichen Vorgaben oder der Haltungsform ab. Ich behaupte, dass die Tiere unserer Mitglieder in den allermeisten Fällen das schönste Leben haben. Schon die Kälber werden auf die Apfelweide getrieben, das Jungvieh verbringt die Sommersaison auf der Alpe und auch die Kühe werden von Frühjahr bis Herbst ausgetrieben. Zudem hat jedes Tier seinen eigenen Namen und eine persönliche Ansprache. Das bleibt bei der Beurteilung alles außen vor.

Der Strukturwandel ist nicht mehr aufzuhalten. Für uns als Genossenschaft kommt es darauf an, unsere Mitglieder dabei zu begleiten, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Viele haben das schon getan, 40 Prozent unserer Mitglieder liefern Biomilch und erfüllen schon heute die höchsten Anforderungen an das Tierwohl. Die Landwirte sollen selbst entscheiden können, wie sie in Zukunft wirtschaften wollen. Wenn sie beschließen, sich dem Strukturwandel nicht mehr zu stellen, dann sollen sie selbst mit Anstand und Würde bestimmen können, wann sie die Stalltüre für immer schließen. Der Gesetzgeber sollte die Situation durch eine weitere Verschärfung der Vorschriften nicht noch verschlimmern.“

Aktion zur Rettung der Kombinationshaltung: Bayerische Bergbauern fordern Umdenken bei geplanter Tierschutzgesetzesnovelle

Bayerns Alm- und Alpbauern schlagen Alarm: Wird das Tierschutzgesetz in seiner jetzigen Fassung durch den Bundestag novelliert, stehen viele Familienbetriebe vor dem Aus – mit spürbaren Folgen auch für Biodiversität und Tourismus in der bayerischen Bergwelt. Wie diese aussehen könnten, zeigt eine gemeinsame Aktion des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern (AVO), des Alpwirtschaftlichen Vereins im Allgäu (AVA) und des Bayerischen Bayernverbands (BBV) unter dem Motto #daswäreweg.

Im Zusammenschluss der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bergbauern fordern die Verbände daher dringende Anpassungen des Tierschutzgesetzes hinsichtlich der Vorgaben zur Kombinationshaltung, um Almen und Alpen zu erhalten. „Was es braucht, um einen Strukturbruch zu verhindern, ist Zeit für die Weiterentwicklung sowie den dauerhaften Fortbestand der klassischen Kombinationshaltung ohne überzogene Auflagen wie einen zusätzlichen Winterauslauf“, sagt Günther Felßner, Präsident des BBV. Ferner müsse die für die Kombihaltung geplante Bestandsobergrenze von höchstens 50 Rindern gestrichen werden, da die absolute Bestandsgröße in keinem Zusammenhang zu Tierschutz und Tierwohl steht und diese starre Linie für einen lebenden Betrieb nicht praktikabel ist.

Existenzbedrohend: Auflagen zur Kombinationshaltung im geplanten Tierschutzgesetz
Im Zuge der Novellierung des Tierschutzgesetzes plant die Bundesregierung, die sogenannte Kombinationshaltung mit hohen Auflagen zu erschweren. Kombihaltung betreiben heute meist kleine Familienbetriebe mit Stalllage im Ortskern, die ihren Tieren zeitweise Bewegung ermöglichen durch beispielsweise Weidegang zwischen Frühjahr und Herbst auf außerhalb gelegenen Weiden, Alm- oder Alpwiesen. Den Plänen zufolge soll nun auch im Winter zweimal wöchentlich Auslauf garantiert werden. Strukturell bedingt besitzt jedoch das Gros der betroffenen Bauernhöfe weder die baulichen noch personellen oder finanziellen Ressourcen, um die geforderten Auflagen umzusetzen. Mit den geplanten Änderungen stünde die Kombinationshaltung als dauerhafte Haltungsform vor dem Aus. „Dies wäre das Ende für unsere Kleinbauern in den Dörfern, die ihre Kühe auf die Sennalpen bringen, das Ende der Alp und der Talbetriebe, die den Dorfcharakter prägen“, warnt Christian Brutscher, Vorsitzender des AVA. Günther Felßner betont, dass das Wohl der Tiere für Bäuerinnen und Bauern immer an erster Stelle steht: „Besonders im Alpenraum wird das deutlich, wo Betriebe ihren Kühen unter Extrembedingungen und hohem Aufwand Bewegung durch den Sommerweidegang ermöglichen.“

Aktion illustriert Auswirkungen auf Artenvielfalt und Tourismus der bayerischen Alpen

Mit Vorher-Nachher-Vergleichen führt die Aktion #daswäreweg bildlich vor Augen, welche negativen Folgen die Abschaffung der Kombinationshaltung nach sich ziehen würde. „Man darf nicht vergessen, dass wir in einer Kulturlandschaft leben, die von Bauernfamilien geschaffen wurde und durch Beweidung erhalten wird“, führt Josef Glatz, Vorsitzender des AVO, aus. „Davon leben unzählige geschützte Arten, davon lebt der Tourismus, von dem auch wir wiederum leben. Wir als Verband haben bereits heute Mühe, unsere Landwirte davon zu überzeugen, weiterzumachen. Wenn sich die bisherige Entwicklung mit ihrer wachsenden Auflagenflut so fortsetzt, werden diese Betriebe aufhören. Dies würde das Aussehen Bayerns und vor allem der Berglandschaften massiv verändern.“ Denn: Unbeweidete Wiesen degradieren, verbuschen und werden binnen weniger Jahre vom Wald zurückerobert – das Ende einer Kulturlandschaft und ihrer einzigartigen Artenvielfalt. Besonders in der Übergangszeit sind Hänge zudem anfällig für Erosion. Auch zeigt die Aktion mögliche Folgen für den Tourismus: Manch ein von Landwirten gepflegter Weg würde verfallen, die beliebten Alm- und Alpwirtschaften müssten schließen und unterhalb der Baumgrenze verstellt dichter Wald jede ehemals schöne Aussicht auf Gipfel und Ferne.

„Im Grunde genommen wollen wir alle dasselbe: Leben und Arbeiten im Einklang mit der Natur. Werden jetzt nicht noch die dringend notwendigen Änderungen am Gesetzesentwurf vorgenommen, wird sich die Kulturlandschaft und der Tourismus, wie wir sie heute kennen und schätzen, gewaltig verändern“, so Günther Felßners Appell.

Weitere Infos unter www.BayerischerBauernverband.de/daswaereweg

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