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Herr Peteranderl, wie geht es den rund 210.000 Handwerksbetrieben in Bayern?

Franz Xaver Peteranderl: Die Stimmung im bayerischen Handwerk ist uneinheitlich. Fangen wir mit der positiven Nachricht an: Bei unserer jüngsten Mitgliederbefragung haben 46 Prozent der Unternehmen eine gute sowie 39 Prozent eine befriedigende Geschäftslage gemeldet. Das ist ein ordentlicher Wert. Besonders gut läuft es in der Metallindustrie sowie dem Kfz-Handwerk. Auch die Sparten Elektro, Heizung und Sanitär sind mit der Situation zufrieden. Eher mäßig ist die Stimmung bei allen Betrieben, die Lebensmittel produzieren. Diese Branche leidet unter den hohen Energie- und Einkaufspreisen. Große Sorgen bereiten uns die Bauunternehmen. Die Auftragseingänge dort sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund zwölf Prozent gesunken. Die Zahl der Baugenehmigungen blieb bis zur Jahresmitte sogar um circa 30 Prozent hinter dem Wert aus dem Vorjahr zurück. Der Grund dafür liegt in der Kombination aus steigenden Baukosten, hohen Zinsen und einer gesunkenen Investitionsbereitschaft.

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„Es ist sehr beunruhigend, dass die ersten Projektentwickler in die Insolvenz gerutscht sind.“

Befürchten Sie eine Pleitewelle im Baugewerbe?

Peteranderl: Derzeit ist unklar, wie stark der Rückgang ausfällt und ob die Unternehmen beispielsweise Personal abbauen müssen. Es ist jedoch sehr beunruhigend, dass die ersten Projektentwickler in die Insolvenz gerutscht sind. Die Krise am Bau wird zudem erst mit deutlicher Zeitverzögerung bei vielen Betrieben ankommen. Das macht die Situation schwierig. Ein Maler beispielsweise nimmt erst dann die Arbeit auf, wenn alles andere am Haus bereits fertig ist. Da sprechen wir über mehrere Monate. Es braucht deshalb dringend Maßnahmen, um die Baubranche zu stabilisieren.
 

Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken spüren ebenfalls eine starke Zurückhaltung bei den Häuslebauern. Der Genossenschaftsverband Bayern setzt sich deshalb unter anderem für steuerliche Erleichterungen für den Wohnungsbau ein. Welche Ideen haben Sie, um den Wohnungsbau zu fördern?

Peteranderl: Auch wir setzen uns für steuerpolitische Anreize ein, um die Baukonjunktur wieder anzukurbeln. Zum Beispiel könnte die Grunderwerbssteuer gesenkt oder ausgesetzt werden. Denkbar ist auch ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf Bauleistungen mit Rückerstattung durch das Finanzamt. Dadurch wäre sichergestellt, dass nur Menschen unterstützt werden, die eine Förderung benötigen. Zudem wäre es absolut sinnvoll, die sogenannte AfA – also die Absetzung für Abnutzung – degressiv zu gestalten. Dadurch würden Wohnungsbauunternehmen steuerliche Anreize erhalten, um zu investieren. Temporär könnte es auch Sinn machen, wieder Neubauten mit der Energieeffizienzhaus-Stufe 55 zu fördern und nicht nur diejenigen mit der Stufe 40.

Die Bundesregierung hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, pro Jahr 400.000 Wohnungen zu bauen. Ist das aus Ihrer Sicht realistisch?

Peteranderl: Für dieses Jahr ist dieses Ziel sicherlich nicht zu erreichen. Generell ist die deutsche Bauwirtschaft in der Lage, pro Jahr bis zu 400.000 Wohneinheiten zu bauen. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen wie bereits erwähnt dringend verbessert werden.

„Die deutsche Bauwirtschaft ist in der Lage, pro Jahr bis zu 400.000 Wohneinheiten zu bauen.“

Welche Themen treiben derzeit die Handwerksunternehmen am meisten um?

Peteranderl: In unseren Umfragen unter den Mitgliedsunternehmen werden vor allem drei Themen regelmäßig genannt: Hohe bürokratische Belastungen, Fachkräftemangel und die Betriebsnachfolge. Zunächst zu dem letztgenannten Thema: Aktuell liegt der Altersdurchschnitt bei den Inhaberinnen und Inhabern von Handwerksunternehmen bei 55 Jahren, ein Viertel ist bereits über 60 Jahre alt. In den kommenden Jahren steht also bei vielen Betrieben eine Übergabe an, in absoluten Zahlen sind es über 20.000 in ganz Bayern. Erfahrungsgemäß werden 40 Prozent der Unternehmen innerhalb der Familie weitergegeben, 25 Prozent an ehemalige Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter. Und der Rest muss extern eine Nachfolgeregelung suchen, was häufig äußerst schwierig ist. Die Handwerkskammern unterstützen ihre Mitglieder dabei.
 

Wie viele Fachkräfte fehlen dem bayerischen Handwerk und was ist notwendig, um den Bedarf zu decken?

Peteranderl: Aktuell sind bei der Agentur für Arbeit ungefähr 40.000 offene Arbeitsstellen im Handwerk gemeldet. Die Dunkelziffer ist aber sicherlich höher, da einige Betriebe verstärkt auf andere Wege beim Recruiting setzen, etwa auf Mitarbeiterempfehlungen. Um den Bedarf zu decken, müssen wir uns natürlich anstrengen. Ich bin überzeugt davon, dass das Handwerk sehr attraktiv für junge Menschen ist. Beispielsweise setzen sich viele Jugendliche für mehr Klimaschutz ein. Und gerade Handwerkerinnen und Handwerker arbeiten jeden Tag praktisch daran, dass unser Leben nachhaltiger und klimafreundlicher wird. Das passt ideal zusammen. In diesem Feld ist auch die Politik gefragt, beispielsweise sollte die Berufsorientierung an Schulen verstärkt und die Förderung der beruflichen Bildung intensiviert werden. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das hilft dem Handwerk, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland anzuwerben. Wichtig dabei sind so wenig Bürokratie wie möglich und schnelle Verfahren in den Konsulaten und Vertretungen. Die Handwerksorganisationen haben ihre Hausaufgaben gemacht und viel dafür getan, um den Zuwanderern einen guten Start zu ermöglichen.

Vorhin haben Sie das Thema Bürokratie angesprochen. Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie hohe Anforderungen und Vorschriften den Handwerksunternehmen das Leben schwer machen?

Peteranderl: Besonders große Schwierigkeiten gibt es bei der Ausgestaltung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, kurz Lieferkettengesetz. Dieses richtet sich eigentlich an Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Doch in der Praxis wenden sich diese Unternehmen an ihre Lieferanten und Geschäftspartner, wozu häufig kleine und mittlere Handwerksbetriebe zählen, und fordern diese auf, ebenfalls entsprechende Nachweise zu erbringen. Ein besonders krasser Fall: Ein großes Unternehmen bezieht für seine Kantine Semmeln von einer kleinen Bäckerei und hat dieser nun einen Fragenkatalog zum Thema Lieferketten im Umfang von 85 DIN-A4-Seiten mitgegeben. Woher soll die Bäckerei die personellen und zeitlichen Kapazitäten aufbringen, um die gewünschten Nachweise zu erbringen? Solche Beispiele gibt es viele. Wir haben deshalb sowohl bei der Staatsregierung als auch bei der Bundesregierung einen Katalog mit rund 50 Punkten eingereicht, bei denen Bürokratie abgebaut gehört.

„Wir brauchen ein breites Stromangebot sowie Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Strompreise.“

Apropos Politik: Am 8. Oktober wählen die Menschen in Bayern einen neuen Landtag. Welche politischen Weichenstellungen sind von der künftigen Staatsregierung nötig, um Bayern in eine erfolgreiche Zukunft zu führen?

Peteranderl: Die bayerische Handwerksorganisation hat passend zur Landtagswahl elf zentrale Forderungen aufgestellt, die auf unserer Webseite nachzulesen sind. Dazu zählt unter anderem der bereits erwähnte Bürokratieabbau. Sehr wichtig ist uns zudem folgender Punkt: Wir brauchen ein breites Stromangebot sowie Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Strompreise. Dazu müssen alle Möglichkeiten technologieoffen und ideologiefrei genutzt werden.
 

Die folgenreichsten politischen Entscheidungen werden vor allem auf Bundes- und auf Europaebene getroffen. Bei welchen Themen sollte der Freistaat seinen Einfluss in Berlin und Brüssel geltend machen?

Peteranderl: Die beiden erwähnten Punkte – Versorgungssicherheit sowie Bürokratieabbau – gelten natürlich auch für die Bundespolitik. Ein weiteres zentrales Anliegen: Die steigenden Lohnzusatzkosten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der Handwerksbetriebe immer stärker. Durch den demografischen Wandel drohen in den umlagefinanzierten Sozialversicherungszweigen kräftige Beitragssteigerungen. Um die Sozialversicherungsbeiträge wieder dauerhaft unter 40 Prozent zu drücken und Beschäftigung attraktiver zu machen, sind durchgreifende Strukturreformen mit einer Beschränkung auf das Notwendige und Finanzierbare sowie eine Stärkung der privaten Eigenverantwortung und -vorsorge im Sozialsystem erforderlich. Gerade in der anhaltenden Konjunkturschwächephase muss den Betrieben der Rücken gestärkt und zugleich eine Überforderung der Arbeitnehmer durch zu hohe Sozialabgaben verhindert werden. In Brüssel sollte sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass die EU-Taxonomie nicht zu kleinteilig ausgestaltet wird. Wir brauchen schlanke Verfahren. Außerdem darf die Kreditvergabe nicht erschwert werden.


Herr Peteranderl, vielen Dank für das Gespräch!

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