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Am 8. Oktober wählen die Bürgerinnen und Bürger in Bayern einen neuen Landtag. Die bayerischen Genossenschaften, mit rund 2,9 Millionen Mitgliedern eine der mitgliederstärksten Organisationen im Freistaat, werden den Wahlabend mit Spannung verfolgen – sowohl aus privaten als auch aus wirtschaftlichem Interesse. Schließlich steht Bayern vor wichtigen Weichenstellungen, wenn wir unseren Freistaat in eine erfolgreiche Zukunft führen wollen.

Natürlich werden viele Themen heute in Brüssel und Berlin festgelegt. Gleichzeitig können die Politikerinnen und Politiker des Freistaats Einfluss auf diese Entscheidungen nehmen sowie die oftmals recht allgemein formulierten Gesetze konkret ausgestalten. Einige Bereiche wie Bildung oder Forschung sind sogar Domäne der Länder. Deshalb hat die Landtagswahl einen hohen Stellenwert.

Was aber sind die Erwartungen der bayerischen Genossenschaften? Da die Unternehmen in vielen verschiedenen Branchen aktiv sind, mögen sich die Forderungen je nach Branche unterscheiden. Im Kern eint alle Genossenschaften: Sie benötigen einen verlässlichen Rahmen für unternehmerisches Handeln. Einen Staat, der ermöglicht statt bevormundet. Der auf die Kräfte des freien Markts vertraut anstatt auf dirigistische Eingriffe. Und eine Politik, die auf die Tatkraft der Menschen setzt statt auf Bürokratie. Kurzum: Eine starke Orientierung an den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft.

Passend zur Landtagswahl hat der Genossenschaftsverband Bayern seine politischen Positionen veröffentlicht. Diese können in einem Artikel in dieser Ausgabe nachgelesen werden. In meiner Kolumne möchte ich einige Punkte herausgreifen, die mir besonders wichtig sind.

Europäische Bankenregulierung gefährdet regionale Finanzstabilität

Ein zentrales Thema für die Kreditgenossenschaften im Freistaat ist die europäische Bankenregulierung. In jüngster Vergangenheit sind in Brüssel mehrere Vorhaben vorgelegt worden, die in ihrer jetzigen Form einen Paradigmenwechsel für die Volksbanken und Raiffeisenbanken darstellen würden. In den Gesetzesentwürfen zu RIS (Kleinanlegerstrategie), CMDI (Abwicklungsregime), digitaler Euro und IP (Sofortüberweisungen) werden EU-Behörden Lenkungsfunktionen zugesprochen, den Unternehmen eine Fülle an Vorgaben auferlegt und ein Verbraucherbild gezeichnet, das von Bevormundung geprägt ist. Die EU-Gesetzgebung erschwert somit die Eigenverantwortung der Menschen und das Unternehmertum des bayerischen Mittelstands.

Ein genereller Kanon der europäischen Forderungen ist der „One size fits all“-Ansatz, nach dem gleiche Regulierungsstandards für Institute unterschiedlicher Größe gelten sollen. Damit werden etablierte Proportionalitätsstandards nicht berücksichtigt. Es bleibt unberücksichtigt, dass die Bereitstellung von Dienstleistungen mit Kosten verbunden ist. Den Banken werden also weitreichende Veränderungen und Anforderungen auferlegt, deren Kosten am Ende die Verbraucher tragen.

Ziel der Politik sollte es sein, die Versorgung mit Bankdienstleistungen vor allem in der ländlichen Region aufrechtzuerhalten. Da die europapolitischen Vorgänge Banken zwingen würden, ihre Dienstleistungen abzubauen, haben sie hohe Relevanz in Bayern. Wir begrüßen daher, dass sich bayerische Politikerinnen und Politiker dafür einsetzen, dass bayerische Banken regional und heimatnah bleiben.

Genossenschaften sind wichtiger Baustein der Energiewende

Bayern hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2040 die Klimaneutralität zu erlangen. Um dieses Bestreben zu erreichen, ist ein Wandel in vielen (alltäglichen) Bereichen notwendig. Im Energiewesen bedeutet das, eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz und einen massiven Ausbau Erneuerbarer Energien, damit die Energieversorgung klimaneutral und gleichzeitig importunabhängig wird.

Damit der weitere Ausbau gefördert wird, gilt es, die Akzeptanz für solche Projekte in der Bevölkerung zu stärken. Die Schlüssel dafür sind Bürgerbeteiligung und angemessene Verfahren. Wenn Bürgerinnen und Bürger ein echtes Mitspracherecht erhalten und auch am Erfolg der Projekte beteiligt sind, werden die Vorzüge der Energiewende direkt vermittelt. Echte Bürgerbeteiligung bedeutet neben der finanziellen Teilhabe auch eine Mitsprache bei Entscheidungen, mit der Möglichkeit, Projekte langfristig zu begleiten. Sie gibt jedem Mitglied genau eine Stimme und sorgt dafür, dass der wirtschaftliche Erfolg der Region zugutekommt. Das können Genossenschaften am besten.

Die Verteilung nachhaltig erzeugter Energie darf dabei nicht auf Kosten derer gehen, die den Strom für alle produzieren. Die Stromerzeugung aus den grünen Technologien findet überwiegend im ländlichen Raum und damit dezentral statt. Eine Folge ist, dass ländliche Regionen aufgrund des Netzausbaubedarfs und der geringen Bevölkerungsdichte deutlich höhere Netzentgelte für den Anschluss der Anlagen an das Stromnetz zahlen müssen. Das kann nicht zielführend sein.

Die Situation mit den Netzentgelten zeigt beispielhaft ein verbreitetes Problem der Politik – die Rahmenbedingungen passen nicht und es werden Fehlanreize gesetzt. Um den Ausbau Erneuerbarer Energien attraktiver zu machen, sollten die Betreiber belohnt und nicht noch zusätzlich belastet werden.

Grüne Transformation braucht Augenmaß

Einen Balanceakt zwischen Veränderung und Wertschöpfung braucht es auch in den anderen Bereichen der grünen Transformation. Ob bei Lebensmitteln oder dem Wohnen: Es gilt, differenziert mit Augenmaß zu agieren.

In der Land- und Ernährungswirtschaft setzen die Vorgaben, aber vor allem das dabei geforderte Tempo, die bayerischen Betriebe unter Druck.  Die Transformation zur nachhaltigen Landwirtschaft ist allerdings kein Selbstläufer. Stallumbauten, insektenfreundlicher und extensiver Ackerbau oder „Smart Farming“ erfordern große Investitionen, die es langfristig zu planen gilt. Zu kurze Fristen gefährden die Wirtschaftlichkeit und führen über früher oder später zu Betriebsschließungen. Milch- und Landwirtschaft braucht es aber im eigenen Land, für die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln. Es hilft nicht, die Landwirtschaft hier zu vertreiben, damit Produkte aus Ländern mit niedrigeren Standards importiert werden. Wir verlieren dadurch mehrfach – weniger Tierschutz, weniger Sicherheit und höhere Emissionen durch den Transport.

Beim Wohnen gilt es, den Konflikt zwischen Klimaneutralität und Bezahlbarkeit im Auge zu behalten. Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, dürfen die Kosten nicht weiter anwachsen, gerade wenn den wirtschaftlichen Bedingungen bereits hohe Preise verursachen. Können sich potenzielle Häuslebauer ihre Pläne nicht mehr leisten, sind sie gezwungen, auf dem Mietmarkt zu suchen. Seit Jahren wird in Großstädten die Gentrifizierung beklagt, also die Verdrängung von Menschen mit niedrigeren Einkommen. Steigt die Zahl der Mieter, wird dieser Wandel weiter verstärkt. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken und gleichzeitig die Klimaaspekte nicht aus den Augen zu verlieren, besteht darin, mehr auf alternative Bauweisen zu setzen. Um Innovationen im Bauwesen zuzulassen, braucht es aber Anreize wie zum Beispiel bürokratische und steuerliche Entlastungen.

Fazit

Im Spannungsfeld zwischen Klimaneutralität und Sozialverträglichkeit braucht es also Augenmaß. „Nachhaltigkeit“ bedeutet, dass etwas langfristig erfolgreich bestehen kann. Die Herausforderung ist, ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit zu vereinen. Genossenschaften bringen diese Aspekte zusammen. Für ihre Entfaltung müssen nur die Rahmenbedingungen stimmen. Mit unserer Landtagswahlbroschüre bieten wir Ansatzpunkte für die Politik.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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