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  • Das Vormundschafts- und Betreuungsrecht wurde modernisiert und neu strukturiert. Die Reform tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.
  • Um eine einheitliche Qualität der beruflichen Betreuung sicherzustellen, wird ein formales Registrierungsverfahren mit Mindestvoraussetzungen für die persönliche und fachliche Eignung beruflicher Betreuer eingeführt.
  • Der Grundsatz der Erforderlichkeit steht im Zentrum der Reform. Eine Betreuung darf nicht angeordnet werden, wenn auch ein Bevollmächtigter die Aufgaben übernehmen kann oder sozialrechtliche Hilfen ausreichen.
  • Die Verwaltung des Vermögens durch Betreuer und Vormünder soll modernisiert werden und künftig grundsätzlich bargeldlos erfolgen.
  • Ehegatten können sich befristet auf drei Monate gegenseitig vertreten, wenn ein Partner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine gesundheitlichen Angelegenheiten nicht selbst regeln kann.
  • Der GVB bietet zum Betreuungsrecht Schulungen an.

Menschen, die ihre Angelegenheiten aufgrund einer Krankheit, einer geistigen oder körperlichen Behinderung oder einer psychischen Störung ganz oder teilweise nicht selbst regeln können, erhalten vom zuständigen Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuerin oder einen Betreuer zur Seite gestellt. Diese beraten, unterstützen und vertreten die betroffenen Menschen in rechtlichen Fragen, zum Beispiel bei der Regelung der Finanzen, der Vertretung gegenüber Behörden, der Organisation von pflegerischen Diensten oder der Einwilligung in ärztliche Behandlungen.

Juristisch ist die Betreuung von volljährigen Personen im Vormundschaftsrecht sowie im Betreuungsrecht geregelt. Letzteres wurde erst 1992 eingeführt, während das Vormundschaftsrecht als Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in weiten Teilen Ende des 19. Jahrhunderts entstand. Durch viele Änderungen und Ergänzungen wurde das Vormundschaftsrecht mit der Zeit unübersichtlich, was in der praktischen Anwendung immer wieder zu erheblichen Problemen geführt hat. Das gilt auch für das Betreuungsrecht, da dieses an vielen Stellen auf das Vormundschaftsrecht verweist. Beide Gesetzestexte bedurften daher einer grundlegenden Modernisierung, die von mit der Materie befassten Organisationen und Verbänden immer wieder angemahnt wurde.

Rund 1,3 Millionen rechtlich Betreute in Deutschland

Laut dem Bundesverband der Berufsbetreuer/innen (BdB) werden aktuell rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland rechtlich betreut. Im Jahr 1995 waren es nach Angaben des BdB noch rund 625.000 Menschen – also rund halb so viele wie heute. Gründe hierfür gibt es laut dem Berufsverband einige: Die Menschen werden immer älter, Familienstrukturen lösen sich auf und soziale Einrichtungen können aufgrund finanzieller Einschränkungen weniger leisten. Zudem werde es immer schwieriger, soziale Unterstützungsleistungen zu beantragen und zu erhalten. Auch die Zahl der Menschen mit Behinderungen und komplexen Problemlagen nehme zu. Die Angaben beruhen allerdings teilweise auf Schätzungen, da laut dem BdB nicht für alle Bundesländer flächendeckend Zahlen vorliegen.

Reform betrifft zahlreiche Gesetze

Mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 ist der Gesetzgeber den Forderungen nach einer Modernisierung dieser beiden Rechte nachgekommen. Es tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gab die „Stärkung der Personensorge und selbstbestimmtes Handeln“ als Leitlinien aus. Mit der Reform sollen veraltete rechtliche Strukturen, Grundlagen und Begrifflichkeiten erneuert werden. Dafür werden viele Gesetze und Rechtstexte geändert und teilweise neu strukturiert. Betroffen sind unter anderem das Bürgerliche Gesetzbuch, das Personenstandsgesetz, das Rechtspflegergesetz, die Bundesnotarordnung, die Vorsorgeregister-Verordnung, die Zivilprozessordnung und mehrere Sozialgesetzbücher. Insbesondere im gerichtlichen Betreuungsverfahren sowie in der täglichen Arbeit werden sich die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken an neue Regelungen und Paragraphen gewöhnen müssen. Was ändert sich konkret?

Betreute Person im Mittelpunkt

Zentrales Element der Reform des Betreuungsrechts ist der Grundsatz der Erforderlichkeit. Eine Betreuung darf nur dann angeordnet werden, wenn kein Bevollmächtigter die Angelegenheiten gleichermaßen übernehmen kann oder andere sozialrechtliche Hilfen nicht ausreichend sind. Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. Zudem erhält die zu betreuende Person weitergehende Informationsrechte beziehungsweise ein Mitspracherecht bei der Bestellung des Betreuers. Dem Wunsch der zu betreuenden Person, wer die Betreuung übernehmen soll, ist grundsätzlich zu entsprechen. Anderes gilt nur, wenn der Betreuer nicht geeignet ist.

Neues Betreuungsregister

Um eine hohe Betreuungsqualität sicherzustellen, müssen sich berufliche Betreuerinnen und Betreuer künftig registrieren lassen und in einem formalen Verfahren ihre persönliche und fachliche Eignung nachweisen. Dafür wird ein Betreuungsregister eingeführt, in das nur berufliche Betreuer mit entsprechenden Fähigkeiten eingetragen werden sollen. Damit werden erstmals Mindestvoraussetzungen für die persönliche und fachliche Eignung von Berufsbetreuern festgelegt. Bei Angehörigen als Betreuern wird weiterhin die persönliche Nähe im Vordergrund stehen.

Notvertretungsrecht durch Ehegatten

Die Vertretungsmöglichkeiten für Ehegatten wurden nochmals erweitert. Neu ist ein auf zeitlich drei Monate befristetes Notvertretungsrecht, wenn ein Partner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine gesundheitlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Allerdings gelten die gesetzlich festgehaltenen Fallkonstellationen nur für gesundheitliche Notsituationen. Die Einwilligung in ärztliche Eingriffe und Entscheidungen soll so in Notfällen erleichtert werden. Eine gesetzliche Ausweitung auf den Bereich der Vermögenssorge wurde nicht getroffen.

Betreuungsvereine werden gestärkt

Um das Qualitätsniveau der vielen ehrenamtlichen Betreuerinnen und  Betreuer zu halten beziehungsweise um Schulungen zu verbessern, erhalten anerkannte Betreuungsvereine einen gesetzlichen Anspruch auf eine „bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln“. Die genaue Umsetzung obliegt den Bundesländern und soll dann durch die Kommunen erfolgen. Ehrenamtliche Betreuer können sich künftig an einen Betreuungsverein wenden, der sie bei der Ausübung der Tätigkeit unterstützen und begleiten soll.

Bankgeschäfte sind bargeldlos durchzuführen

Die Verwaltung des Vermögens der zu betreuenden Person wurde dahingehend modernisiert, dass der Betreuer den Zahlungsverkehr bargeldlos unter Verwendung eines zu unterhaltenden Girokontos durchzuführen hat, mit Ausnahme der „im Geschäftsverkehr üblichen Barzahlungen und Auszahlungen an den Betreuten“. Damit wurde die bisherige Praxis nochmals ausdrücklich im Gesetz gestärkt. Zudem soll dadurch eine bessere Nachvollziehbarkeit der Zahlungsströme für die Gerichte als Kontrollinstanz gewährleistet werden. Denn durch den Ausbau der gerichtlichen Kontrolle soll ein besserer Betreuungsstandard geschaffen werden, indem Pflichtverletzungen der Betreuer möglichst frühzeitig erkannt und sanktioniert werden.

Wesentliche Grundsätze bleiben bestehen

Die gesetzlichen Änderungen treten erst zum 1. Januar 2023 in Kraft. Bis dahin gelten die bisherigen Regeln zur Betreuung weiter. Auch wenn die Rechte der zu betreuenden Personen durch die Reform nochmals gestärkt wurden, bleiben die wesentlichen Grundsätze im Betreuungsrecht bestehen. Zumal bisherige Gesetzeslücken oder Unklarheiten durch die Gerichte geschlossen wurden und die Reform einige dieser gerichtlichen Leitplanken nunmehr nur in Gesetzestexte umgesetzt hat.

Unterstützung durch den GVB

Rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen wird der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) seine Mitglieder – insbesondere die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken – zu den Änderungen informieren. Schulungen zum Betreuungsrecht werden von der Rechtsberatung des GVB bei der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) angeboten. Aktuell im Programm sind das Grundlagen-Webinar „Betreuung – Bankgeschäfte des Betreuers“ am 17. November 2021 sowie das Seminar „Kontoführung bei Verhinderung des Kunden (Vollmacht, Betreuung, Erbrecht in der Bankpraxis)“ am 2. und 3. November 2021 im ABG Tagungszentrum in Beilngries.
 

Stefan Jäger ist Rechtsanwalt beim Genossenschaftsverband Bayern.

Kontakt zur GVB-Rechtsberatung

Die Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unterstützt die Verbandsmitglieder gerne zu allen Rechtsfragen, so auch zum neuen Vormundschafts- und Betreuungsrecht. Kontakt: recht(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3730. Alle Informationen und Dienstleistungen der GVB-Rechtsberatung finden Verbandsmitglieder auf der GVB-Webseite.

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