Omnikanal: Genossenschaftliche Handelsunternehmen kombinieren digitalen Service mit der Präsenz ihrer Mitglieder vor Ort. Auf welche Weise lassen sich solche Prozesse erfolgreich einführen?
Herr Weniger, bei der Fernsehsendung „Undercover Boss“ wechseln Manager die Seiten und arbeiten verdeckt als Hilfsarbeiter oder Praktikanten, um eine unverfälschte Sicht auf das Unternehmen zu erhalten. Auch Sie haben mitgemacht – warum?
Achim Weniger: Als RTL im vergangenen Jahr auf uns zukam, ob die VEDES bei „Undercover Boss“ mitmachen möchte, war mir das Format nicht bekannt. Deshalb habe ich zunächst abgesagt. Unsere Marketing-Abteilung sowie meine Assistentin haben sich jedoch anschließend intensiver mit der Sendung beschäftigt und mir empfohlen, die Entscheidung nochmals zu überdenken. Schließlich schaltet bei „Undercover Boss“ ein Millionen-Publikum ein und ein Großteil der Zuschauer sind potenzielle Kunden der VEDES. Von diesen Argumenten habe ich mich überzeugen lassen und wir sind mit RTL ins Gespräch gekommen. Danach ging es schnell – wenige Woche später stand ich verkleidet vor der Kamera.
„Ich habe großartige Menschen kennengelernt, mit denen man sonst aus Zeitgründen nicht ins Gespräch kommt und die einen vielleicht nicht so nah an sich ranlassen.“
Sie sprechen es an: Für „Undercover Boss“ haben Sie sich die Haare rasieren und den Bart stutzen lassen, außerdem sind Sie in einen Fatsuit geschlüpft. Auf diese Weise konnten Sie inkognito als „Siggi Höcht“ in den Spielwarenläden der VEDES sowie in der Produktion arbeiten. Was haben Sie als „Siggi“ erlebt?
Weniger: Ich bin seit 37 Jahren bei der VEDES und habe eine gute Beziehung zu vielen Mitarbeitern. Und obwohl ich, so hoffe ich zumindest, der gleiche Mensch wie früher bin, hat sich der Kontakt zu den Kollegen doch verändert. Durch die Position und die knappe Zeit als Vorstand nimmt die Distanz zu und ich bekomme viele Sachen – gerade auf der persönlichen Ebene – nicht mehr mit. Deshalb war es eine einmalige Erfahrung, als „Siggi“ verkleidet aufzutreten. Auf diese Weise habe ich großartige Menschen kennengelernt, mit denen man sonst aus Zeitgründen nicht ins Gespräch kommt und die einen vielleicht nicht so nah an sich ranlassen. Nach dem Motto: Privates oder Persönliches kann ich dem Chef unmöglich sagen. Es war sehr erfrischend für mich, unverblümt die Meinung zu erfahren.
Es gab ja durchaus Kritik bei Ihren Einsätzen…
Weniger: (lacht) Ja, einige Kollegen oder Kolleginnen haben mich ordentlich schuften lassen. Und als ich einer jungen Mutter die Funktionen und Unterschiede von Milchpumpen erklären sollte, bin ich echt ins Straucheln gekommen. Ich hatte allerdings auch nur eine halbe Stunde Zeit für die Einarbeitung. Die Szene zeigt aber meines Erachtens perfekt, warum sich ein Besuch in einem VEDES Fachgeschäft lohnt: Unsere Mitarbeiter sind exzellent geschult und haben einen hohen Anspruch an sich, ihre Kunden optimal zu beraten und ihnen nur die Produkte zu empfehlen, die sie tatsächlich benötigen. Vor dieser Aufgabe habe ich nach meiner Zeit als „Siggi“ noch mehr Respekt als zuvor.
Emotionaler Höhepunkt der Sendung ist Ihr Einsatz im Spielwarenladen „Frechdax“ in Straubing. Dort treffen sie auf Verkäuferin Gabi Dunst, die Ihnen vom plötzlichen Tod einer jüngeren Kollegin erzählt. Wie haben Sie die Situation erlebt?
Weniger: Wenn ich zurückdenke, bekomme ich wieder eine Gänsehaut. Dass der Tod zum Leben dazugehört, wissen wir alle. Doch als Gabi, die ein so liebevoller und ehrlicher Mensch ist, plötzlich erzählt, dass eine Kollegin unerwartet früh verstorben ist und sie der Laden häufig an sie erinnert, … das hat mich einfach sehr berührt. In dieser Situation musste ich wirklich innehalten und einmal Luft holen, um das Gesagte zu verarbeiten. In solchen Momenten vergisst man Mikrofone und Kameras – das sind echte Emotionen.
Sie haben bereits angesprochen, dass Sie in Ihrer Position als Vorstand eine andere Beziehung zu den Mitarbeitern haben als früher. Auch beim Wiedersehen mit Gabi Dunst in der Firmenzentrale der VEDES in Nürnberg ist das ein Thema. Sie sagen: „Macht macht einsam“. Haben Sie daraus Schlüsse für Ihr tägliches Handeln gezogen?
Weniger: Bereits vor „Undercover Boss“ war mir bewusst, dass sich die Menschen in meinem Umfeld – und sei es nur unterbewusst – anders als früher verhalten. Es macht eben schon etwas aus, als Vorstand im Anzug aufzutreten und ein Vorzimmer mit Assistentin zu haben. Zudem gibt es im Alltag häufig kaum Zeit dafür, sich in Ruhe mit den Mitarbeitern auszutauschen und dabei auch persönliche oder emotionale Themen zu besprechen. Und die Barriere ist für manche Kollegen einfach zu hoch, wenn sie zuerst bei meiner Assistentin nachfragen müssen, ob ich Zeit für sie habe. Die Teilnahme bei „Undercover Boss“ hat mir das noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt. Ich versuche nun, bewusst gegenzusteuern. Beispielsweise möchte ich eine Frühstücksrunde einführen, bei der ich mit zehn bis 15 Kollegen zusammensitze und wir locker über alle Themen sprechen können. Wegen der Corona-Pandemie konnte das Format aber leider noch nicht umgesetzt werden.
„Wir haben es geschafft, die Marke VEDES in der breiten Öffentlichkeit massiv zu stärken.“
Was hat sich durch „Undercover Boss“ für die VEDES verändert?
Weniger: Wir haben es geschafft, die Marke VEDES in der breiten Öffentlichkeit massiv zu stärken. Viele Menschen haben gesehen, dass wir ein toller Arbeitgeber sind, dass wir eine kompetente Beratung bieten und dass unsere Produkte Emotionen bei Jung und Alt wecken. Zudem konnten wir vermitteln, dass sich ein Besuch in unserem Online-Shop, aber vor allem in den stationären Geschäften vor Ort, immer lohnt. Die Resonanz am Abend der Ausstrahlung war wirklich irre: Zwischendurch verzeichnete die VEDES Webseite über 100.000 Nutzer gleichzeitig. Zusätzlich haben zigtausende Menschen unseren Newsletter abonniert und sind auf unseren Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram mit uns in Kontakt getreten. Auf diese Weise haben wir an einem Tag so viele Neukunden generiert wie nie zuvor.
Bei den TV-Zuschauern ist auch Ihr persönlicher Auftritt sehr gut angekommen, im Netz werden Sie für Ihre Menschlichkeit gelobt. Welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Auftritt vor Millionen-Publikum
Laut dem Branchendienst Quotenmeter haben bei der Erst-Ausstrahlung von „Undercover Boss“ mit VEDES Chef Achim Weniger 2,63 Millionen Menschen eingeschaltet. Der Marktanteil lag bei 8,7 Prozent beziehungsweise 13,9 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Die Wiederholung sahen 1,67 Millionen Menschen.
Weniger: Es gab zigtausende Zuschriften, darunter über 1.000 handgeschriebene Briefe sowie Geschenke mit Büchern oder selbstgebackenem Osterbrot. Rund 80 Prozent der Zuschriften kam von Frauen, die mir geschrieben haben, dass sie mich empathisch und sympathisch fanden und dass sie selbst gerne einen Chef haben würden, der auch einmal Emotionen zeigt. Das hat mich sehr berührt und ein Stück weit verlegen gemacht, gleichzeitig aber auch riesig gefreut. Ebenso schön fand ich das Feedback von zahlreichen Geschäftspartnern aus der Branche. Viele haben mich für meinen Mut gelobt, bei „Undercover Boss“ mitzumachen. Denn man weiß ja vorher nie, wie das alles beim Zuschauer ankommt. Wenn die Leute mich unsympathisch gefunden hätten, dann hätte sich das sicherlich negativ auf die VEDES ausgewirkt. Die Teilnahme war also auch ein gewisses Risiko.
Im Rahmen von „Undercover Boss“ haben die Zuschauer erfahren, dass Sie sich bei der VEDES vom Auszubildenden bis zum Vorstand hochgearbeitet haben. Welchen Ratschlag haben Sie für junge Menschen, die ebenfalls Karriere machen wollen?
Weniger: Zunächst einmal, dass sich eine Karriere nicht planen lässt. Ich selbst hatte früher keinen Masterplan, wollte eigentlich Handball-Profi werden. Als ich dann zur VEDES kam, habe ich mich aber immer eingebracht und Engagement gezeigt. Diesen Tipp gebe ich auch Jahr für Jahr unseren neuen Auszubildenden mit auf den Weg: Jeder hat die Chance auf eine Karriere in unserem Unternehmen. Dazu müssen die jungen Menschen jedoch selbst aktiv werden, offen für Neues sein und sich auch mal aufdrängen. Wer immer passiv bleibt, der hat es schwer, zur Führungskraft aufzusteigen. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass die Tätigkeit als Vorstand viel Zeit und Einsatz erfordert. Eine 40-Stunden-Woche gibt es nicht und mein Privatleben ist in all den Jahren sicherlich ein Stück weit auf der Strecke geblieben. Dennoch würde ich den eingeschlagenen Weg jederzeit wieder gehen. Meine ganze Leidenschaft und mein Herzblut gehören der VEDES. Wenn das Unternehmen erfolgreich ist, dann ist das für die mich die größte Motivation.
Herr Weniger, vielen Dank für das Gespräch!
Ein Auto voller Spielwaren
Im Rahmen der TV-Ausstrahlung von „Undercover Boss“ mit Achim Weniger hat die VEDES ein Auto voller Spielwaren verlost. Glücklicher Gewinner unter den 18.000 Teilnehmern war Nils Scherzer aus Babenhausen (Hessen). Scherzer spendete den kompletten Gewinn an die Kinder- und Jugendhilfe der lebelos GbR. „Eine wirklich ganz tolle Geste. So etwas erlebt man wirklich nicht jeden Tag. Meinen größten Respekt“, sagte VEDES Chef Achim Weniger bei der persönlichen Übergabe des Gewinns.