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Luftaufnahme einer Landschaft mit Windrädern.

Herr Wiedemann, welche strategische Bedeutung hat die Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten für die VR Bank im südlichen Franken?

Wilfried Wiedemann: Eine hohe. Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren mit Nachhaltigkeit, lange bevor die Politik begonnen hat, über Nachhaltigkeitsberichte zu reden. Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren ist nachhaltig, das passt sehr gut zu uns als Genossenschaftsbank. In unserem Geschäftsgebiet gibt es viele Biogasanlagen, die wir zu einem guten Teil auch finanziert haben. Im nächsten Schritt haben die Bürger angefangen, sich zusammenzuschließen, um die Abwärme der Biogasanlagen in Wärmenetze einzuspeisen und damit ihre Häuser zu heizen. Viele dieser Wärmenetze werden von einer Genossenschaft betrieben. Als Genossenschaftsbank fühlen wir uns als natürlicher Partner, also haben wir über Jahre Know-how aufgebaut, um die Wärmegenossenschaften zu begleiten und ihre Anlagen zu finanzieren. Natürlich finanzieren wir auch Photovoltaik-Anlagen und sehen bei Windkraftanlagen ein hohes Potenzial, nachdem die 10-H-Regel entschärft wurde. Hier positionieren wir uns als regionaler Finanzierungspartner, denn wir möchten unsere Region bei der Energiewende unterstützen. Aus der Region für die Region. Das entspricht unserer genossenschaftlichen Philosophie und deshalb hat das Thema auch eine so hohe strategische Bedeutung für uns.
 

Wie stark ist die VR Bank im südlichen Franken bei Projektfinanzierungen von Erneuerbaren Energien engagiert, wo haben Sie Ihre Schwerpunkte?

Gerd Reißlein: Insgesamt haben wir im Bereich Erneuerbare Energien über 400 Projekte mit einem Volumen von knapp 300 Millionen Euro finanziert, darunter 18 Windkraftanlagen, 47 Wärmenetze und zahlreiche Photovoltaik-Anlagen jeglicher Größe, von kleinen Dachanlagen bis zu großen Freiflächenanlagen. Die Finanzierungsspanne reicht von fünfstelligen Summen bis zu Beträgen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Teilweise sind die Darlehen auch schon zurückgezahlt. Einige Freiflächen-PV-Anlagen in der Region wurden auf Grundstücken von Landwirten gebaut, die zu unseren Kunden zählen. Teilweise haben die Projektierer auch Genossenschaften ins Boot geholt, um die Bürger zu beteiligen. Sowohl Genossenschaften als auch Landwirte gehören zu unserer natürlichen Kundschaft. Auch deshalb haben wir uns in das Thema intensiv eingearbeitet und auch Bürgerbeteiligungsprojekte begleitet. Energiegenossenschaften sind die beste Möglichkeit, die Bürger an der Energiewende vor Ort zu beteiligen. Als Kreditgenossenschaft sehen wir uns auch hier als Partner, der solche Gründungen unterstützt.
 

Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?

Wiedemann: Wir organisieren die Gründung nicht selbst, aber wir haben sehr gute Kontakte zu Personen auch beim Genossenschaftsverband Bayern, die wissen, wie man eine Genossenschaft gründet. Wir sehen uns in der Rolle, Menschen zueinander zu bringen, die bei der Gründung einer Genossenschaft weiterhelfen können. Da geht es erst einmal darum, den Weg zu organisieren und grundlegende Fragen zu klären. Was schreibt man in die Satzung? Welche Gremien werden benötigt? Wer kann helfen? Was kostet die Gründung einer Genossenschaft? Bei einer Wärmegenossenschaft zum Beispiel steht ja der Zweck der Genossenschaft, der Betrieb eines Wärmenetzes, schon fest. Da können wir unsere Erfahrung einbringen, ob das Projekt unter den gegebenen Umständen überhaupt sinnvoll realisierbar ist. Weil wir schon sehr viele solcher Gründungsprozesse begleitet haben, geben wir unsere Expertise gerne weiter. Oft geht es auch darum, den Menschen überhaupt die Scheu zu nehmen, eine Genossenschaft zu gründen. Wir weisen die Gründer dann darauf hin, dass sie nicht alleine gelassen werden. Es gibt im genossenschaftlichen Netzwerk viele Ansprechpartner, die ihnen auch nach Jahr und Tag mit Rat und Tat zur Seite stehen. Gerade bei Energiegenossenschaften erachten wir eine professionelle Begleitung als sehr wichtig, denn die Personen in den Gremien engagieren sich ehrenamtlich. Projekte im Bereich Erneuerbare Energien sind mittlerweile sehr komplex, da bieten wir uns gerne als Sparringspartner an.
 

„Die Windkraft erlebt gerade eine Renaissance, nach der Lockerung der 10-H-Regeln werden auch in unserer Region viele Projekte geplant.“

Wilfried Wiedemann, Vorstandssprecher der VR Bank im südlichen Franken

Wo sehen Sie noch Geschäftspotenzial im Bereich Erneuerbare Energien?

Wiedemann: Die Windkraft erlebt gerade eine Renaissance, nach der Lockerung der 10-H-Regeln werden auch in unserer Region viele Projekte geplant. Das erreicht planerisch Größenordnungen von 200 Millionen Euro oder mehr, das können wir alleine niemals stemmen, das Risiko wäre viel zu groß – auch, weil der Cashflow von Windenergieanlagen stark schwankt, je nachdem, wie viel Wind in einem Jahr weht. Aber auch hier wollen wir uns positionieren und bei der Finanzierung unser Know-how einbringen. Allerdings werden wir bei dieser Größenordnung schauen, dass wir das über Konsortialfinanzierungen im genossenschaftlichen Verbund hinbekommen. Bei den Wärmenetzen gibt es noch Lücken in unserer Region, die über kurz oder lang wahrscheinlich geschlossen werden. Dieses Finanzierungspotenzial dürfte aber in anderen Regionen größer sein, wo es noch nicht so viele Wärmenetze gibt. Wenn man etwas weiter in die Zukunft schaut, sehe ich bei der Speicherung von Strom und der Herstellung von Wasserstoff aus regenerativ erzeugtem Strom großes Potenzial. Hier gibt es in unserer Region Bestrebungen, entsprechende Projekte anzugehen, angetrieben auch durch Kommunen. Das ist für uns Neuland, deswegen müssen wir hier Wissen aufbauen und uns genau anschauen, wie viel Risiko wir eingehen wollen. Aber wir sehen uns in diesem Bereich und freuen uns, wenn wir in solche Projekte eingebunden werden und sie mitgestalten dürfen.

Was sind Ihrer Meinung nach die wesentlichen Punkte, damit eine VR-Bank bei der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen gut aufgestellt ist?

Wiedemann: In erster Linie kommt es auf die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, wobei sowohl der Markt als auch die Marktfolge eine entsprechende Expertise aufweisen müssen. Beide sollten sich ergänzen und auf Augenhöhe miteinander diskutieren können. Bei uns werden Finanzierungen nur genehmigt, wenn sich Markt und Marktfolge einig sind. Deshalb muss sich der Mitarbeiter im Markt mit seinem Kollegen in der Marktfolge über das Risiko austauschen können. Sie beraten sich, erstellen eine Entscheidungsvorlage und legen dem Vorstand dann einen Kreditbeschluss vor. Dieses Vier-Augen-Prinzip ist ein sehr reinigender Prozess, weil zwei Menschen ihre Einschätzung zum Risiko gemeinsam schriftlich darlegen müssen. Das dauert am Anfang ein bisschen, bis man das organisiert hat, aber mit zunehmender Erfahrung läuft es immer besser. Wir haben damit vor 15 bis 20 Jahren bei Biogasanlagen angefangen und haben dann unser Know-how in Richtung Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen erweitert.

Reißlein: Im Vertrieb haben wir zwei Berater, die sich in Vollzeit auf die Erneuerbaren Energien konzentrieren, in der Marktfolge sind es drei Personen, davon zwei mit einer halben Stelle. Das sind mittlerweile absolute Spezialisten, die machen nichts anderes als Erneuerbare Energien. Das ist auch sinnvoll, denn viele Dinge wiederholen sich bei der Finanzierung von Energiewende-Projekten. Die Spezialisierung hat auch den Vorteil, dass der Personenkreis bei Abstimmungen sehr klein bleibt und bei Besprechungen nicht 20 Leute im Zimmer sitzen. Zusätzlich haben wir vor vielen Jahren damit angefangen, feste Vertretungsregeln sowohl im Markt als auch in der Marktfolge einzuführen. Es sind auf jeder Seite immer zwei Personen voll im Bild, damit das Projekt weitergeführt werden kann, wenn ein Mitarbeiter krank oder im Urlaub ist. So sind wir immer in der Lage, über ein Projekt zu beraten und schnell Beschlüsse zu fassen. Das erwarten auch die Projektpartner. Das Vier-Augen-Prinzip hilft außerdem dem Vorstand, denn auch dort entscheiden der Vertriebsvorstand für den Markt und der Produktvorstand für die Marktfolge gemeinsam über den Kredit. Wenn es keine Einigkeit gibt, haben wir den Grundsatz, den Kredit zu versagen. Bei den Erneuerbaren Energien gehen die Engagements regelmäßig in den Millionenbereich, da haben wir auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden.
 

„Wir haben über viele Jahre eine Datenbank mit Vergleichsgrößen aufgebaut, um Projekte im Bereich Erneuerbare Energien besser einschätzen zu können.“

Gerd Reißlein, Firmenkundenleiter der VR Bank im südlichen Franken

Woher nehmen Sie Ihr Know-how?

Reißlein: Vieles beruht auf Erfahrung. Auch die DZ Bank besitzt in diesem Bereich einiges an Expertise. Wir haben deshalb schon Mitarbeiter zur DZ Bank geschickt, damit sie dort hospitieren und Erfahrung sammeln können. Zusätzlich haben wir uns über viele Jahre eine Datenbank mit Vergleichsgrößen aufgebaut, um Projekte im Bereich Erneuerbare Energien besser einschätzen zu können. Das können bei Photovoltaik-Anlagen die Kosten pro Megawatt installierter Leistung sein oder das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital, da gibt es viele Größen. Das Ganze nutzen wir, um zum Beispiel die Kosten eines Projekts im Verhältnis zum erwarteten Ertrag realistisch einordnen zu können. So können wir auch das Risiko ins Verhältnis setzen. Gerade bei Windprojekten ist das wichtig, denn wir können nicht einfach Werte von Projekten in Norddeutschland übernehmen, weil in unserer Region ganz andere Windverhältnisse herrschen. Also versuchen wir, auf unserer kleinen Ebene eigene Daten zu generieren. Unser Geschäftsgebiet erstreckt sich über zwei Landkreise. Schon hier kann sich das Ertragspotenzial von Standorten für Windkraftanlagen – die sogenannte Windhöffigkeit – erheblich unterscheiden. Das schlägt sich natürlich auch in der Risikobewertung nieder.
 

Lesetipp: Energiewende finanzieren mit der DZ Bank

Die DZ Bank finanziert mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken Erneuerbare Energien-Projekte. Warum das Geschäftsfeld Potenzial hat und wie die Zusammenarbeit funktioniert, erklären Alexandra Pohl und Michael Brechtelsbauer in der „Profil“-Ausgabe 06 2023. Lesen Sie hier das ganze Interview.

Worauf achten Sie bei der Risikobewertung besonders?

Reißlein: Eine Bank muss das Projektrisiko verstehen, bewerten und organisieren können. Welche Sicherheiten habe ich? Wie viel Risiko nehme ich auf die eigenen Bücher? Grundsätzlich prüfen wir die Kapitaldienstfähigkeit des Investors sehr akribisch und unter konservativen Gesichtspunkten. Außerdem legen wir Wert darauf, dass entsprechende Reserven beim Projektpartner vorhanden sind, beziehungsweise angelegt werden. Gerade bei Windenergieanlagen können die Erträge stark schwanken. Da ist es wichtig, in guten Zeiten Reserven anzulegen, um die Kapitaldienstfähigkeit auch in schlechten Zeiten sicherzustellen. Allgemein legen wir bei Projektfinanzierungen im Bereich Erneuerbare Energien sehr viel Wert darauf, dass fachlich versierte Projektierer mit an Bord sind, um ungute Überraschungen zu vermeiden. Es gibt Investoren, die haben sich schon eine Fläche gesichert und die Solarmodule bestellt, aber es ist noch nicht klar, wann und wo sie den Strom in das Netz einspeisen können. Wenn der Netzbetreiber erst noch ein Umspannwerk bauen muss, dann sprechen wir schnell über einen Zeitraum von mehreren Jahren, bis der Investor einspeisen kann. Wichtig ist uns auch, dass der Investor ausreichend Eigenkapital mitbringt. Da geht es auch um eine faire Risikoteilung zwischen Investor und Kapitalgeber.

Wiedemann: Häufig ist es sinnvoll, das Risiko durch Konsortialfinanzierungen auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch das meinen wir mit Risiko organisieren. Als Finanzierungspartner bietet sich die DZ Bank an, aber auch andere Volks- und Raiffeisenbanken. Wenn die Nachbarbank dadurch im Bereich Erneuerbare Energien Erfahrung sammelt und an Profil gewinnt, ergibt das aus regionalen Gesichtspunkten Sinn. Unter bestimmten Umständen ist es auch denkbar, dass sich Regionalbanken aus unterschiedlichen Lagern zusammentun, um zum Beispiel bei einem Projekt den Einstieg einer Geschäftsbank zu verhindern. Bei Projekten, die mehrere Windkraftanlagen umfassen, summieren sich die Investitionen schnell auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Das ist dann auch für Geschäftsbanken interessant.

Angebote der ABG zur Finanzierung der Energiewende

Die Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) unterstützt die bayerischen Kredit- und Energiegenossenschaften mit Schulungen und Seminaren zur Energiewende und deren Finanzierung. Ein Auszug aus dem Angebot:

Ansprechpartner bei der ABG ist Bernd Orthmann, Bernd.Orthmann(at)abg-bayern.de.

Welche Besonderheiten gibt es bei der Risikobewertung von Wärmenetzen?

Reißlein: Die Risikoteilung spielt auch bei den Wärmenetzen eine Rolle. Es ist hinlänglich bekannt, dass wir Wärmenetze mit einem hohen Blankoanteil finanzieren, weil vielleicht noch das Heizhaus beliehen werden kann, aber nicht das Wärmenetz an sich. Am Anfang sind wir schon etwas erschrocken über diese hohen Blankoanteile. Die Investitionen für ein Wärmenetz belaufen sich schnell auf mehrere Millionen Euro, und ein Großteil des Gelds ist im Boden vergraben. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Erträge relativ stabil sind, sobald die Abnahmeverträge abgeschlossen sind und Wärme durch die Leitungen fließt. Aber darin liegt auch die Herausforderung. Gerade bei Wärmegenossenschaften sind die Verantwortlichen häufig nicht so tief in der Materie wie professionelle Projektierer. Deshalb achten wir sehr stark auf die Umsetzungsgenauigkeit bei solchen Projekten und schauen, dass wir zum Beispiel bei der Gestaltung der Abnahmeverträge frühzeitig unser Know-how einbringen können. Wenn die Verträge schon fix sind und es hinterher Ungereimtheiten gibt, dann lässt sich das nur noch schwer ändern. Je früher wir eingebunden werden, desto besser.

Wiedemann: Allgemein wichtig sind auch klare Rahmendaten und eindeutige Checklisten. Welche Unterlagen benötigen wir vom Investor, um über die Finanzierung entscheiden zu können? Zu welchen Bedingungen wollen wir finanzieren? Diese Transparenz ist auch für den Kunden wichtig, damit er genau weiß, welche Dokumente er liefern muss – er aber auch die Sicherheit hat, dass wir sein Projekt finanzieren, wenn er die geforderten Eckpunkte erfüllt, und wir nicht alle drei Wochen neue Bedingungen stellen.


Herr Wiedemann, Herr Reißlein, herzlichen Dank für das Interview!

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