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Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat mit Gerhard Walther einen neuen ehrenamtlichen Verbandspräsidenten und Vorsitzenden des Verbandsrats. Der 56-Jährige ist Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Mittelfranken Mitte und seit vielen Jahren in den Gremien des GVB aktiv. Walther folgt auf Wolfgang Altmüller, der den Verbandsratsvorsitz des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken in Berlin übernommen hat. Den GVB-Mitgliedern stellte sich Walther auf dem diesjährigen Verbandstag Mitte Juli auf dem Münchner Nockherberg vor. In seiner Rede erklärte er: „Ich bin in einem 120-Seelen-Dorf, einem Ortsteil von Rothenburg ob der Tauber, geboren und aufgewachsen. Landwirtschaftliches Elternhaus, westmittelfränkisch, protestantisch pietistisch geprägt. Das macht meinen geistlichen und unternehmerischen Wertekompass bis heute aus und soll auch Richtschnur für meine neue Verantwortung im GVB sein.“ Am Tag nach der Veranstaltung traf ihn die „Profil“-Redaktion zum Interview.
 

Herr Dr. Walther, Sie haben sich den GVB-Mitgliedern auf dem Verbandstag mit teils sehr persönlichen Worten vorgestellt. Warum war Ihnen das wichtig?

Gerhard Walther: Wenn ich ein neues Amt antrete, dann gebe ich zu Beginn der Tätigkeit einige grundlegende Informationen über meinen Hintergrund und meinen Wertekompass. Das habe ich während meiner Laufbahn immer so getan und damit gute Erfahrungen gemacht. Die Menschen sollen wissen, wer ich bin und mit wem sie es zu tun haben. Sie sollen wissen, dass Werte wie Authentizität, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit eine hohe Bedeutung für mich haben. Schließlich möchte ich durch mein persönliches Handeln eine Vorbildfunktion einnehmen und auf diesem Weg erreichen, dass meine Botschaften ernst genommen werden.

„Das Amt zu übernehmen ist für mich eine hohe Ehre. Gleichzeitig empfinde ich Demut und Respekt.“

Mit welchem Selbstverständnis treten Sie die Position als ehrenamtlicher Verbandspräsident an?

Walther: Das Amt zu übernehmen ist für mich eine hohe Ehre. Gleichzeitig empfinde ich Demut und Respekt vor der großen Verantwortung, die mit dieser Aufgabe verbunden ist. Dabei hilft mir, dass ich in den vergangenen Jahren bereits stellvertretender Vorsitzender des GVB-Verbandsrats war. Ich fühle mich gut vorbereitet, um das Gremium zu koordinieren, Entscheidungen herbeizuführen und dafür zu sorgen, dass diese umgesetzt werden. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich meinem Vorgänger Wolfgang Altmüller für die hervorragende Stabübergabe danken. Wir sind froh, dass er dem Verbandsrat trotz seiner anspruchsvollen Tätigkeit in Berlin als ordentliches Mitglied erhalten bleibt. Nicht zuletzt freue ich mich darauf, in meiner neuen Position noch enger als zuvor mit dem GVB-Vorstand zusammenzuarbeiten und die Zukunft des Verbands zu gestalten.

Inwiefern bietet das Amt die Möglichkeit, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen?

Walther: Meine Empfindung ist, dass der ehrenamtliche Verbandspräsident sowohl von den Mitgliedern gehört als auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Diese Tradition möchte ich fortführen. Das heißt: Mir ist es ein Anliegen, sowohl eigene Impulse einzubringen als auch Anregungen der Primärgenossenschaften aufzugreifen und in den GVB zu tragen. Ich interpretiere meine Rolle als Bindeglied zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern.

„Zum Ende meiner Amtszeit soll die genossenschaftliche Idee noch stärker als heute bei den Menschen in Bayern verankert sein.“

Haben Sie sich ein konkretes Ziel gesetzt?

Walther: Ja, ich habe eine klare Zielsetzung: Zum Ende meiner Amtszeit soll die genossenschaftliche Idee noch stärker als heute bei den Menschen in Bayern verankert sein. Ich bin überzeugt davon, dass Friedrich Wilhelm Raiffeisens Grundgedanken wie Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung perfekt in die heutige Zeit passen. Unser gemeinsames Anliegen muss es nun sein, die Menschen von der Kraft der genossenschaftlichen Idee zu begeistern. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Verbandsrats möchte ich in der kommenden Zeit den Vorstand bei der Erarbeitung eines entsprechenden Konzepts begleiten und unterstützen.

Der Verbandsrat des Genossenschaftsverbands Bayern

Historie: Der GVB-Verbandsrat existiert seit Anfang 1990, als die 1989 beschlossene Fusion des Bayerischen Raiffeisenverbands und des Bayerischen Genossenschaftsverbands zum heutigen GVB wirksam wurde.

Mitglieder: Dem Gremium gehören 18 Mitglieder an: Die Vorsitzenden der sieben GVB-Bezirksverbände, die Vorsitzenden der sieben GVB-Fachausschüsse, je ein weiteres Mitglied aus den beiden GVB-Bezirksverbänden mit dem größten Beitragsaufkommen der Kreditgenossenschaften sowie je ein weiteres Mitglied aus den Gruppen Raiffeisen-Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie Gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften.

Vorsitz: Der Verbandsrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden (ehrenamtlicher Verbandspräsident) und mindestens zwei Stellvertreter (Präsidium).

Aufgaben: Der Verbandsrat bestellt die Mitglieder des Vorstands und überwacht dessen Geschäftsführung. Außerdem prüft er den vom Vorstand vorgelegten Jahresabschluss und den Etatvoranschlag des Verbands. In einigen Punkten bedürfen Entscheidungen des Vorstands der Zustimmung des Verbandsrats, darunter bei Fragen von grundsätzlicher verbandspolitischer Bedeutung, bei der Festsetzung der Prüfungsentgelte oder dem Erwerb oder der Aufgabe von Beteiligungen. Der Verbandsrat benennt außerdem die Vertreter des Verbands in den Gremien der Bundesverbände und der Verbundunternehmen. Für bestimmte Aufgabengebiete kann er Ausschüsse bilden.

Derzeit sind Sie mit der Suche nach einem neuen GVB-Vorstand befasst. Wie ist der Stand?

Walther: Geeignete Vorstandsmitglieder auszuwählen gehört zu den zentralen Entscheidungen eines jeden Kontrollgremiums. Wir stehen vor der besonderen Situation, in kurzer Zeit gleich zwei neue Vorstände berufen zu müssen. Diese Entscheidung wird die Ausrichtung des Verbands mutmaßlich auf Jahre prägen. Deshalb unternehmen wir keinen Schnellschuss, sondern lassen uns die nötige Zeit. Zum Prozess lässt sich aktuell sagen: Wir haben Gespräche mit mehreren interessanten Kandidatinnen und Kandidaten geführt und sind überzeugt, dass wir die beiden richtigen Persönlichkeiten für den GVB-Vorstand auswählen werden.

„Meine Wahrnehmung ist, dass sich die einzelnen Genossenschaften einen starken Verband wünschen, der ihnen ein praxisnahes und vollumfängliches Dienstleitungspaket schnürt.“

Als Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Mittelfranken Mitte kennen Sie den GVB aus der Mitgliederperspektive. Was erwarten die Mitglieder Ihrer Wahrnehmung nach von ihrem Verband?

Walther: Die Prüfung der Mitglieder ist eine zentrale Aufgabe des GVB. Dazu kommen die Leistungen in den Bereichen Beratung, Bildung und Interessenvertretung. Meine Wahrnehmung ist, dass sich die einzelnen Genossenschaften einen starken Verband wünschen, der ihnen ein praxisnahes und vollumfängliches Dienstleitungspaket schnürt. Das klingt einfach, ist aber nicht trivial. Schließlich hat eine VR-Bank mit einer Bilanzsumme von drei Milliarden Euro andere Bedürfnisse als eine Bank mit einer Bilanzsumme von 300 Millionen Euro, eine Energiegenossenschaft oder eine Molkereigenossenschaft. Der Anspruch des Verbands muss es sein, für alle Mitglieder erster Ansprechpartner bei allen Themen zu sein. Das heißt: Das Mitglied geht nicht zum Verband, weil es muss. Sondern weil es dort eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Unterstützung erhält – und zwar in allen vier Feldern Prüfung, Beratung, Bildung und Interessenvertretung.

„Nur ein starker Verband kann sich gewinnbringend in das Konzert der Gesamtverbände einbringen.“

In Deutschland gibt es vier genossenschaftliche Regionalverbände, zwei Branchenverbände für die Genossenschaftsbanken sowie die Raiffeisen-Unternehmen und einen Dachverband. Welche Rolle spielt der GVB in der genossenschaftlichen Verbändelandschaft?

Walther: Ich bin davon überzeugt, dass es einen qualitativ hervorragend aufgestellten sowie ökonomisch leistungsfähigen GVB braucht. Denn nur ein starker Regionalverband kann sich gewinnbringend in das Konzert der Gesamtverbände einbringen. So findet er Gehör, wird ernst genommen und gibt entscheidende Impulse. Meine Einschätzung ist: Wenn die Regionalverbände stark sind, kommt das dem deutschen Genossenschaftswesen zugute. Denn dann strengen sich alle Akteure an, um die bestmöglichen Lösungen zu finden. Und davon profitieren wiederum die Mitglieder. Wichtig ist mir zu betonen: Der GVB wird sich konstruktiv einbringen, eng mit den anderen Verbänden abstimmen und so gemeinsam zum Erfolg der deutschen Genossenschaftsorganisation beitragen.

Wann ist der GVB stark und wie kann er die Mitglieder dabei unterstützen, auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben?

Walther: Wenn er nah an den Mitgliedern ist und die unterschiedlichen Stimmungen innerhalb Bayerns sammelt, bündelt und daraus Positionen entwickelt. Der GVB zieht seine Kraft aus der regionalen Vernetzung und handelt integrativ. Ein gutes Beispiel dafür ist das Projekt MiA 2027. Der GVB ist auf die Volksbanken und Raiffeisenbanken zugegangen und hat vor Ort zugehört, was diese umtreibt. Diese Nähe halte ich für den Schlüssel zur Mitgliederbindung. Deshalb ist zu überlegen, ob der Verband dieses oder ein ähnliches Format zukünftig institutionalisiert. Unabhängig davon geht es nun darum, das Projekt MiA 2027 zum Erfolg zu bringen. Das heißt: Nach dem Erkenntnisgewinn müssen jetzt konkrete Ergebnisse folgen.
 

Wie kann der Verband seine Mitglieder jenseits von MiA 2027 unter die Arme greifen?

Walther: Bedingt durch die Fusionen gibt es immer weniger und dafür größere Volksbanken und Raiffeisenbanken. Insofern ist es immer sinnvoll, vorhandene Angebote auf den Prüfstand zu stellen. Der Verband muss analysieren: Welche Leistungen sind bedarfsgerecht? Was wird nicht mehr nachgefragt? In welchen Feldern braucht es neue Angebote? Welche Kapazitäten sind jeweils nötig? Außerdem ist es essenziell, aktuelle Entwicklungen aufzugreifen und passende Unterstützungsleistungen beispielsweise zum Themenbereich Nachhaltigkeit zu entwickeln.


Wie sieht es bei den Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften aus?

Walther: Zunächst einmal freut mich das rege Gründungsgeschehen. Das zeigt, dass das Genossenschaftsmodell für Gründer sehr attraktiv ist. Meine Vision ist, dass sich die Genossenschaften in Bayern noch besser vernetzen. Schließlich ist es immer hilfreich, über den Tellerrand zu schauen. Ein Beispiel: Mit Professor Robert Mayr, CEO der Datev, bin ich nicht zuletzt wegen seiner Tätigkeit als stellvertretender GVB-Bezirkspräsident in Mittelfranken in engem Austausch. Die Gespräche haben mir schon einige Anregungen für meine Tätigkeit und konkrete branchenübergreifende Innovationsimpulse gegeben. Es wäre also zu überlegen, wie wir entsprechende Formate entwickeln können, um die Vernetzung der bayerischen Genossenschaften weiter zu fördern. Unabhängig davon gilt es für den Verband, die Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften kompetent zu unterstützen. Wenn ich ein Beispiel herausgreifen darf: Viele Energiegenossenschaften benötigen Lösungen, um ihren regenerativ erzeugten Strom auch dann zu vermarkten, wenn die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausläuft. Der Verband kann sie dabei unterstützen, Anschlusskonzepte zu entwickeln oder neue Geschäftsmodelle zu erschließen.

„Wir brauchen eine neue Ansprache, eine neue positive Botschaft, um die Menschen von den genossenschaftlichen Werten zu überzeugen.“

Lassen Sie uns noch über das Thema genossenschaftliche Werte sprechen. In Ihrer 2016 publizierten Dissertation haben Sie untersucht, wie ebendiese Werte zum Erfolg von Genossenschaftsbanken beitragen. Wie beantworten Sie diese Frage heute?

Walther: Ich bin davon überzeugt, dass das Thema genossenschaftliche Werte seitdem weiter an Bedeutung gewonnen hat. Vor allem auch junge Menschen möchten sich zunehmend partizipativ einbringen. Die Rechtsform Genossenschaft bietet ihnen die ideale Gelegenheit, um mitzugestalten und so gemeinsam Ziele zu erreichen. Aber: Wir brauchen eine neue Ansprache, eine neue positive Botschaft, um die Menschen von den genossenschaftlichen Werten zu überzeugen. Gefragt ist vor allem die Mitgliederförderung. Die Dividende allein ist heute oft nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium. Das heißt: Wir müssen das Konzept Mitgliedschaft mit neuem Leben füllen.

Passend dazu haben Sie den 122. GVB-Verbandstag zum „Tag des Aufbruchs“ erklärt und skizziert, wie sich das genossenschaftliche Konzept auf die heutige Zeit übertragen lässt. Könnten Sie Ihre Überlegungen darlegen?

Walther: Das Motto des Verbandstags – Genossenschaften gestalten Zukunft – war die ideale Gelegenheit, um sich bewusst zu machen, dass wir in der Tradition der Genossenschaftspioniere Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch stehen. Was hat diese beiden Persönlichkeiten ausgezeichnet? Sie haben nicht gejammert, sondern angepackt. Sie haben nach Lösungen gesucht und mit der genossenschaftlichen Idee etwas gefunden, was vielen Menschen eine Zukunftsperspektive und neuen Mut gegeben hat. Auch wir, und damit schlage ich die Brücke in die Gegenwart, stehen heute vor mächtigen Herausforderungen. Die VR-Banken können zu ihrer Bewältigung beitragen, indem sie den Menschen beispielsweise ordentliche Zukunftsvorsorgekonzepte vermitteln und sie so vor Altersarmut schützen. Oder sie begleiten den Mittelstand auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Deswegen mein Appell: Wir sind die genossenschaftlichen Pioniere von heute. Wir sind gefordert, rauszugehen und die Menschen in Bayern mitzunehmen. Wir haben die Konzepte. Wir haben starke Genossenschaften, wir haben einen starken GVB. Wir haben Verantwortungsträger, die die Ärmel aufkrempeln. Wir wissen um die Trends unserer Zeit. Lassen Sie uns losgehen und die genossenschaftliche Kraft in die Breite der Bevölkerung tragen. Tun Sie Dinge, die noch keiner tat. Gehen Sie Wege, die noch keiner ging. Und dann werden wir Ziele erreichen, die noch keiner erreicht hat. Die Menschen brauchen uns, heute mehr denn je.


Herr Dr. Walther, vielen Dank für das Gespräch!

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