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Mit einem klaren Bekenntnis zur genossenschaftlichen Idee haben die bayerischen Genossenschaften ihren 122. Verbandstag gefeiert. Rund 900 Vertreterinnen und Vertreter genossenschaftlicher Unternehmen hatten sich auf dem Nockherberg in München zusammengefunden. Gemeinsam würdigten sie unter dem Motto „Genossenschaften gestalten Zukunft: Wir bewegen Bayern“ die Leistungen der knapp 200 Volks- und Raiffeisenbanken sowie fast 1.000 Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften in Bayern für Wirtschaft und Gesellschaft. Moderatorin Ursula Heller vom „Bayerischen Fernsehen“ setzte gleich zu Beginn den Ton. Der Verbandstag sei immer eine Mischung aus Klassen- und Familientreffen. „Es ist mir eine Freude und Ehre, in Zeiten mit der Überschrift ,Krise‘ Menschen zu treffen, die bodenständig sind, die anpacken und etwas bewegen in und für Bayern.“

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„Genossenschaften gestalten Zukunft: Wir bewegen Bayern“: Der GVB-Verbandstag 2023 in der Video-Zusammenfassung. Video: Karl-Peter Lenhard, GVB

Wirtschaftliches und demokratisches Erfolgsmodell

Wolfgang Altmüller begrüßte die Gäste zum letzten Mal als ehrenamtlicher Präsident des GVB, bevor er die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Gerhard Walther übergab. „Genossenschaften sind lebendig, vielfältig, erfolgreich, sie bilden ein starkes Netzwerk für den Mittelstand in Bayern“, betonte Altmüller. Die genossenschaftliche Unternehmensform sei nicht nur ein wirtschaftliches, sondern ein demokratisches Erfolgsmodell. „Die Mitglieder sind unsere Antriebskraft, sie sind unsere Basis und unsere Zukunft.“ Die genossenschaftliche Vielfalt werde mit einem Blick in die Runde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich, so Altmüller. „900 Gäste repräsentieren das genossenschaftliche Leben in Bayern und den gesamten bayerischen Mittelstand. Sie alle stehen für Heimat, unsere Herkunft und unsere Tradition. Sie sind die Menschen, die die Vielfalt der bayerischen Genossenschaftsorganisation ausmachen“, sagte Altmüller.

Für Bayern ein unverzichtbarer Bestandteil

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erwies den bayerischen Genossenschaften nach dem GVB-Verbandstag 2018 bereits zum zweiten Mal die Ehre. Söder hatte sich kurzfristig von einem Grußwort auf eine Talkrunde mit Moderatorin Ursula Heller verlegt. Gleich zu Beginn machte der Ministerpräsident den bayerischen Genossenschaften ein großes Kompliment. Dass Bayern gerade im ländlichen Raum das mit Abstand erfolgreichste Land sei, liege auch an der Genossenschaftsidee, die tief in den Menschen verankert sei. Das löse „totale Begeisterung“ bei ihm aus. „Sie sind für Bayern ein unverzichtbarer Bestandteil. Deswegen komme ich immer gerne zu Ihnen. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit. Wir sind froh, dass wir Sie in Bayern haben“, rief Söder dem Publikum zu.

„Wer hat es geschafft, von den Stürmen der Zeit nicht entwurzelt zu werden? Das waren die Genossenschaften, und deswegen müssen wir alles dafür tun, das Genossenschaftsmodell zu erhalten.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder

Die Genossenschaftsidee sei nicht überkommen, sondern hochaktuell, betonte Söder. „Wir leben in einer Zeit der ständigen Transformation, wo funktionierende Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle schnell über den Haufen geworfen werden, und wir erhalten aus Europa ständig Vorschläge, was wir alles neu machen müssen“, kritisierte der Ministerpräsident. Die Genossenschaftsidee biete in so einer Zeit Stabilität. „Wenn ich mir die Krisen der letzten 15 Jahre anschaue: Wer hat sie mit Abstand am besten überstanden? Wer hat es geschafft, von den Stürmen der Zeit nicht entwurzelt zu werden? Das waren die Genossenschaften, und deswegen müssen wir alles dafür tun, dieses Geschäftsmodell zu erhalten. Hände weg von dieser erfolgreichen Gesellschaftsform“, forderte Söder.

In der Finanzkrise habe sich das regionale Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken und Sparkassen bewährt. Er verstehe deshalb nicht, warum im politischen Reformprozess nach der Finanzkrise versucht worden sei, dieses Geschäftsmodell wegzurationalisieren und den Geschäftsbanken unterzuordnen. Internationalität stehe nicht in Konkurrenz zu Regionalität. „Nur wer Regionalität und die ländlichen Räume ernst nimmt, erhält eine starke Wirtschaftsstruktur und einen starken Mittelstand“, betonte Söder. Er habe nichts dagegen, dass Deutschland große Firmen aus dem Ausland anlocke, aber gleichzeitig die Mittelstandsfinanzierung auszutrocknen, sei der falsche Ansatz.

Bewährte Einlagensicherungssysteme erhalten

Der Ministerpräsident sprach sich außerdem dafür aus, die bewährten Einlagensicherungssysteme in Deutschland zu erhalten. Wenn die deutschen Sparer Angst um ihre Einlagen haben müssten, weil sich Banken in anderen europäischen Ländern verzockt haben, dann sei das auch ein Problem für die Demokratie, warnte Söder. Die deutschen Banken hätten in der Finanzkrise ihren Beitrag geleistet, einen Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden. Es wäre ein Fehler, durch ein europäisches Haftungssystem „die Guten zu bestrafen“. An Brüssel gerichtet warnte Söder: „Finger weg von unseren Einlagen. Wir wollen unsere bewährten Sicherungssysteme behalten, gerade bei den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen.“

Bei der Energiewende forderte Söder mehr Regionalität, die nicht auf bestimmte Energieformen festgelegt werden dürfe. Bayern verfüge über viel Wasserkraft sowie Biomasse. Gerade Biomasse sei für die bayerische Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Auf die Frage von Moderatorin Ursula Heller, ob sich Söder einen bayerischen Bürgerenergiefonds vorstellen könne, um Bürgerenergiegesellschaften bei der Planung großer Projekte finanziell abzusichern, antwortete der Ministerpräsident ausweichend: „Darüber kann man nachdenken.“

GVB stellt Verbandstag klimaneutral: Spende an Arche-Noah-Fonds des LBV zum Ankauf von Biotopflächen in ganz Bayern

Zum Verbandstag der bayerischen Genossenschaften in München reisten Vertreterinnen und Vertreter von genossenschaftlichen Mitgliedsunternehmen aus dem gesamten Freistaat an. Dies hat auch zu einem Ausstoß an klimaschädlichen Gasen geführt. Um dies – großzügig aufgerundet – zu kompensieren, hat der Genossenschaftsverband Bayern 5.000 Euro an den Arche-Noah-Fonds des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) gespendet.

Der LBV kauft laufend hochwertige Biotopflächen in ganz Bayern an, schützt sie und pflegt diese dauerhaft. In den letzten 30 Jahren wurden über 3.400 Hektar durch Kauf und Pacht gesichert. Nicht nur der Ankauf ist wichtig, sondern ebenso die langfristige Betreuung der Schutzgebiete. Der LBV kümmert sich um Moore, Auenlandschaften, Wiesen und Wälder. Moore bieten einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt ein Zuhause. Sie gehören außerdem zu den wichtigsten Kohlenstoffspeichern der Welt. Obwohl sie nur drei Prozent der Landfläche bedecken, enthalten Moore 30 Prozent des gesamten Kohlenstoffs. Pro Hektar speichern Moore rund 700 Tonnen Kohlenstoff, sechsmal so viel wie Wald!

Momentan stehen beim LBV neben vielen anderen vor allem drei Flächen im Fokus: Der Steinbruch bei Förtschendorf in Oberfranken, die Flächenerweiterung des Allmannshofer Rieds in Schwaben (Foto) und der Ankauf des Kaltenbacher Filz in Oberbayern. Als symbolische Beteiligung am Arche-Noah-Fonds überreichte der LBV dem GVB eine Arche-Noah-Aktie als Beleg für das Engagement um den Natur-, Arten- und Klimaschutz. „Mit dieser Spende stellen wir unseren Verbandstag klimaneutral“, sagte GVB-Präsident Gregor Scheller in seiner Rede auf dem Verbandstag.

Weniger Bürokratie, mehr unternehmerische Freiheit

Umso dringlicher forderte Söder einen Abbau von Bürokratie auf allen Ebenen, um den Mittelstand und die Landwirtschaft zu entlasten. Er verstehe nicht, warum ein landwirtschaftlicher Betrieb mehr kontrolliert werde als eine Chemiefabrik, gab der Ministerpräsident zum Besten. „Wir brauchen weniger Kontrollen, weniger Genehmigungsverfahren und mehr unternehmerische Freiheit, um unser Land voranzubringen“, forderte Söder. Bayern arbeite bereits daran, seine Gesetze und Paragrafen zu reduzieren, dasselbe wünsche er sich von Berlin und Brüssel.

GVB-Präsident Gregor Scheller nutzte Söders Bekenntnis zum Bürokratieabbau, um dem Ministerpräsidenten konkrete Probleme aus dem Finanzbereich mit auf den Weg zu geben. So sei es zwar gelungen, die Finanzberatung auf Provisionsbasis zu erhalten, dafür werde diese noch komplizierter und bürokratischer. „Da macht es als Banker immer weniger Spaß, Kunden zu beraten, und den Kunden macht es immer weniger Spaß, sich beraten zu lassen“, sprach Scheller aus Erfahrung. Der zweite Punkt sei das überbordende Meldewesen im Kreditbereich, das vor allem kleine und mittlere Banken an ihre Belastungsgrenze bringe.

Als dritten Punkt sprach Scheller das AGB-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2021 an. Seitdem müssen Banken bei Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Gebührenanpassungen die Zustimmung der Kunden einholen, damit diese wirksam werden. „Die Banken haben einen enormen bürokratischen Aufwand, um dem Urteil gerecht zu werden, dabei geht der Richterspruch völlig an der Realität und den Kundenwünschen vorbei“, kritisierte Scheller. Er forderte ein Gesetz, das die Unsicherheiten des AGB-Urteils beseitige und es den Banken ermögliche, AGB-Änderungen wieder ohne ausdrückliche Zustimmung der Kunden und ohne bürokratischen Aufwand in Kraft zu setzen. Scheller übergab dem Ministerpräsidenten am Ende von dessen Besuch die Broschüre „Positionen zur Landtagswahl“, die der Verband anlässlich des Verbandstags veröffentlicht hat (siehe Kasten unten).

„Wir rufen nicht zuerst nach dem Staat, erstarren auch nicht im Protest, sondern werden selbst aktiv.“

GVB-Präsident Gregor Scheller über Genossenschaften

In seiner anschließenden Rede ging Scheller darauf ein, was der Titel des 122. Verbandstags – „Genossenschaften gestalten Zukunft: Wir bewegen Bayern“ – konkret für die Verbandsmitglieder bedeutet. Dazu gehöre es, Unternehmergeist an den Tag zu legen, Weitsicht zu zeigen und Mut haben, neue Wege zu gehen. Genossenschaften lösten Probleme, wo andere sich permanenter Problembeschreibung hingäben. Zukunft gestalten bedeute für die Genossenschaften auch: „Wir rufen nicht zuerst nach dem Staat, erstarren auch nicht im Protest, sondern werden selbst aktiv.“

Von der Politik erwarte er, dass sie den Menschen vertraue, Bürokratie abbaue, nicht bevormunde sowie Unternehmergeist und Eigeninitiative fördere, sagte Scheller. Permanente Verbote und Vorgaben seien der falsche Weg – so wie die EU-Taxonomie, die Banken dazu zwingt, die Nachhaltigkeit von Investments nach einem starren Schema zu bewerten. Das bereite den Kreditinstituten Sorge. „Moralisierendes und bevormundendes Auftreten brauchen wir nicht“, sagte Scheller.

„Die Pläne für ein europäisches Abwicklungssystem sind ein erneuter Versuch aus Brüssel, das Geld unserer Sparerinnen und Sparer für die Rettung der Banken in anderen Ländern einzusetzen.“

GVB-Präsident Gregor Scheller

Scheller forderte von der Politik außerdem ein klares Statement gegen ein europäisches Abwicklungssystem für Banken. „Das ist ein erneuter Versuch aus Brüssel, das Geld unserer Sparerinnen und Sparer für die Rettung der Banken in anderen Ländern einzusetzen. Wir haben stets eigenverantwortlich für die Stabilität der Volks- und Raiffeisenbanken gesorgt. Und wir schaffen das auch weiter ohne Bürokratismus aus Brüssel“, betonte Scheller. Regionalbanken wie die Volks- und Raiffeisenbanken seien der Stabilitätsfaktor für die Finanzwirtschaft in Bayern. Als Mittelstandsfinanzierer bewegten sie auch die Realwirtschaft:

  • Bei Mittelstandskrediten komme jeder vierte Euro von einer Volks- oder Raiffeisenbank. „Wir schieben damit die wirtschaftliche Entwicklung unseres Lands mit an“, betonte Scheller.
  • Für Mittelstand und Selbstständige in Bayern hätten die bayerischen Genossenschaftsbanken über 2.300 Kredite der LfA Förderbank Bayern zugesagt. Das sei nahezu die Hälfte aller im vergangenen Jahr zugesagten LfA Förderkredite.
  • Insgesamt haben die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken laut Scheller 137 Milliarden Euro an Krediten vergeben, und sie verwalten Kundengelder in Höhe von 260 Milliarden Euro.

Positionen zur Landtagswahl in Bayern 2023

Zum Abschluss seines Besuchs überreichte GVB-Präsident Gregor Scheller dem Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder die Positionen der bayerischen Genossenschaften zur Landtagswahl 2023 – zur Lektüre auf der Fahrt zum nächsten Termin. Die Broschüre thematisiert – übersichtlich und komprimiert in vier Kapiteln dargestellt – alle Forderungen, die die bayerischen Genossenschaften an die Politik richten.  Sie kann als PDF auf der GVB-Webseite heruntergeladen werden.

Genossenschaften bewegten Bayern aber noch in vielen anderen Bereichen, so der GVB-Präsident. Er untermauerte seine Aussage mit Zahlen:

  • Allein im vergangenen Jahr hätten die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken 15 Millionen Euro aus dem Gewinnsparen gespendet und damit Vereine und Initiativen vor Ort gefördert.
  • Die inzwischen mehr als 300 bayerischen Energiegenossenschaften trieben Tag für Tag die Energiewende vor Ort voran. Alleine die Netze der Nahwärmegenossenschaften umfassten zusammengenommen inzwischen über 1.000 Kilometer Länge – so viel wie die Distanz von München nach Rom. Damit sie mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger einen wichtigen Beitrag für die Energie der Zukunft leisten könnten, benötigten die Energiegenossenschaften aber auch einen klaren rechtlichen Rahmen, mahnte Scheller.
  • Genossenschaften würden aber auch regionale Spezialitäten produzieren und so die bayerische Genusskultur in die Welt hinaustragen. Zum Beispiel Milch- und Käseprodukte. 4,2 Millionen Tonnen Milch flössen jährlich durch genossenschaftliche Hände. Das sei fast die Hälfte der gesamten bayerischen Milchmenge.
  • Ein Viertel der Getreidemenge, die in Bayern verarbeitet wird, stamme aus dem Raiffeisen-Warengeschäft. Und eine noch größere Menge von der BayWa, die den Genossenschaften eng verbunden sei.

„Diese Bilanz macht deutlich, wie wichtig die Rolle von Genossenschaften für die bayerische Wirtschaft und ihre Finanzierung ist“, betonte Scheller. Das sei auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der genossenschaftlichen Unternehmen in Bayern zu verdanken. „Wir bewegen 52.000 Menschen, und 52.000 Menschen bewegen an vielen Stellen Bayern“, sagte der GVB-Präsident. Dennoch gebe es viel zu tun, um zukunftsfähig zu bleiben. Wer sich perfekt fühle, verhindert, dass er besser werde, zitierte Scheller ein Sprichwort. Der GVB-Präsident verwies auf das Projekt „MiA 2027 – Miteinander im Aufbruch“, das einige Themen aufgezeigt habe, an denen die Volksbanken und Raiffeisenbanken und der GVB arbeiten müssten. „Zuhören, den Dialog pflegen und auch Schwächen eingestehen. Das ist wichtig, um den richtigen Kurs in die Zukunft zu finden. Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft gestalten. Lassen Sie uns gemeinsam Bayern bewegen“, appellierte Scheller.

Klimakrise: Es gibt noch Hoffnung

Positive Botschaften hatte auch der Bestsellerautor Frank Schätzing im Gepäck, der als Gastredner die zentralen Thesen seines Buchs „Was, wenn wir einfach die Welt retten? Handeln in der Klimakrise“ vorstellte. Die Klimakrise sei eine existenzielle Überkrise, die andere Krisen auslöse. Wenn sich die Erde um mehr als zwei Grad erwärme, drohten Kippeffekte, die den Klimawandel extrem verstärken. „Dann haben wir es vermasselt“, sagte Schätzing lakonisch. Doch es gebe Hoffnung. Die Klimakrise sei eine technologische Krise, und das sei eine gute Nachricht, denn sie lasse sich auch technologisch lösen. „Wir müssen alle Kraft in die Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien stecken“, forderte Schätzing, der dafür einen Transformationsfonds vorschlug. Gelinge die Energiewende, verzinst sie sich in Wachstum, aus dem sich die Schulden tilgen ließen.

Klimaschutz dürfe jedoch nicht den Eindruck erwecken, er koste die Menschen die Existenz, mahnte der Bestsellerautor. Wenn die Energiewende jedoch sozial abgefedert sei und den Menschen Hilfe angeboten werde, würden sich viele für neue Technologien entscheiden, so Schätzing. Die Pläne für einen umfassenden Klimaschutz seien längst ausgearbeitet. „Wir haben keinen Ideenstau, wir haben einen Umsetzungsstau“, kritisierte Schätzing. Auf die Frage, was der einzelne Mensch bei der Energiewende bewirken könne, hatte der Autor eine einfache Antwort: „Mitwirken wäre schon gut.“ Die Menschheit sei nicht machtlos. „Zusammen haben wir die Welt in Schieflage gebracht, zusammen können wir sie wieder geraderücken, aber nicht mit Sonntagsreden.“ Deutschland müsse aus seinen Angstreflexen herausfinden und bei neuen Technologien nicht nur die Schattenseiten, sondern auch die Chancen sehen, forderte Schätzing.

„Genossenschaften sind Motoren der Innovation, die im besten Sinne in neue Räume vorstoßen und das, was sie dort entdecken, für ihre Mitglieder konsolidieren und sichern.“

Bestsellerautor Frank Schätzing

Genossenschaften seien dafür eine wichtige Organisationsform. Sie hätten schon immer die Welt bewegt, so Schätzing, und sie würden eine Art regionale Schwarmintelligenz besitzen. „Schwärme sind sich selbst organisierende Organismen, die über eine kollektive Intelligenz verfügen. Das erleben wir auch bei Genossenschaften.“ Von daher seien sie immens wichtig für unsere Zukunft. „Genossenschaften bewahren die Tradition und geben ihren Mitgliedern Sicherheit, aber sie sind auch immer über Grenzen hinausgegangen. Sie sind Motoren der Innovation, die im besten Sinne in neue Räume vorstoßen und das, was sie dort entdecken, für ihre Mitglieder konsolidieren und sichern“, betonte Schätzing.

Amtsübergabe auf dem GVB-Verbandstag

Der 122. Verbandstag des GVB war gleichzeitig auch Kulisse für eine Amtsübergabe: Wolfgang Altmüller übergab das Amt des ehrenamtlichen Verbandspräsidenten an Gerhard Walther, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Mittelfranken Mitte (siehe dazu auch das Interview mit Gerhard Walther in dieser Ausgabe). Altmüller, Vorstandsvorsitzender der meine Volksbank Raiffeisenbank mit Sitz in Rosenheim, ist seit November 2022 Verbandsratsvorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in Berlin und stellte deswegen sein Amt als ehrenamtlicher GVB-Präsident zur Verfügung. Walthers Stellvertreter im GVB-Präsidium sind Wolfgang Völkl, Vorstandssprecher der Volksbank Raiffeisenbank Regensburg-Schwandorf, und Albert Griebl, Vorstandssprecher der VR-Bank Rottal-Inn.

Altmüller bedankte sich bei den Mitgliedern des Verbandsrats und Weggefährten für die gemeinsame Zeit. Für den Erfolg seien immer alle miteinander verantwortlich, das werde gerne vergessen. Dankbar sei er insbesondere jenen, die Entscheidungen kritisch hinterfragt hätten. „Daran erkennt man das echte Interesse an Themen. Immer ja zu sagen, führt nicht zu den besten Ergebnissen“, sagte Altmüller. Er gehe freiwillig, aber mit großer Wehmut nach Berlin. „Der BVR ist der Strategieführer. Es warten dort viele Aufgaben auf mich und ich merke, ich brauche die Zeit, um mich diesen Aufgaben zu widmen.“ Ihn müsse aber niemand erinnern, wo sein Herz schlage, betonte Altmüller: „Mein Herz schlägt bayerisch.“ Deshalb freue es ihn, sein Amt an Gerhard Walther zu übergeben, „der das Herz am rechten Fleck und in der Sache einen klaren Blick hat“.

Anerkannter Partner im Verbund

Der neue ehrenamtliche Verbandspräsident würdigte die Leistungen seines Vorgängers. „Du hast in Deiner Zeit als ehrenamtlicher Präsident die entscheidenden Weichen dafür gestellt, dass unser GVB heute absolut zukunftsfähig aufgestellt ist. Wir gelten in der genossenschaftlichen Familie des Verbunds, der Regionalverbände und auch beim Bundesverband BVR als anerkannter Partner und wertgeschätzter Mitstreiter, dessen Meinung gehört und dessen Wort zählt“, sagte Walther zu Altmüller. Durch seine gewinnende Amtsführung habe Altmüller gezeigt, dass er Menschen mitnehmen, aber auch entscheiden und handeln könne, wenn es darauf ankommt.

Seinen eigenen geistigen und unternehmerischen Wertekompass führte Walther auf seine Herkunft zurück. „Landwirtschaftliches Elternhaus, westmittelfränkisch, protestantisch-pietistisch geprägt“, stellte sich Walther vor. Sein gesamtes Berufsleben von der Lehre an habe er bei der VR-Bank Mittelfranken Mitte und ihren Rechtsvorgängerinnen verbracht. Walther bezeichnete sich selbst als „Ärmelaufkrempler“, der Wege und Lösungen sucht. „Von Anfang an hat mich die Genossenschaftsidee fasziniert und begeistert – weil es bei ihr darum geht, den Menschen wirtschaftlichen Nutzen zu bieten und ihre Potenziale für freies Unternehmertum zu entfalten.“

Das Amt des ehrenamtlichen Verbandspräsidenten verbinde er mit Demut und Respekt, verknüpft mit einer großen Verantwortung für die Aufgabe. Denn die Genossenschaften stünden in einer Tradition mit Pionieren wie Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch. Diese hätten der Bevölkerung in einer Zeit großer Not durch die Genossenschaftsidee neuen Mut gegeben. Sie hätten nicht auf den Staat gewartet, sondern nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe genossenschaftliche Vereine gegründet und Probleme gemeinsam gelöst. „Mit diesem Konzept haben sie Zukunft gestaltet und Deutschland bewegt“, betonte Walther. Die Jahrhundertidee der Genossenschaft habe zwei Weltkriege, zwei Geldentwertungen, mehrere Finanzkrisen und gesellschaftliche Umbrüche überstanden. „Unser in der ganzen Welt bewunderter Mittelstand, unsere erfolgreichen Familienunternehmen, das Handwerk, die Steuern zahlen und Ausbildungsplätze schaffen, diese herausragende Wirtschaftskraft in unserem Land gibt es, weil damals Genossenschaften entstanden sind, die das alles finanziert und begleitet haben“, hob der neue ehrenamtliche Verbandspräsident hervor.

Antworten auf mächtige Herausforderungen

Auch heute seien die Genossenschaften in der Lage, Antworten auf mächtige Herausforderungen zu geben. Walther nannte als Beispiele den Schutz vor Altersarmut durch zukunftsfähige Vorsorgekonzepte und den Umgang mit Geboten und Verboten bei der Umstellung der Wirtschaft auf eine nachhaltige Produktion. „Die bayerischen Genossenschaften haben dafür die Konzepte. Wir haben Verantwortungsträger, die ihre Ärmel aufkrempeln. Wir wissen um die Trends unserer Zeit. Lassen Sie uns heute losgehen und die genossenschaftliche Kraft in die Breite der Bevölkerung tragen. Lassen Sie uns mit Mut unseren Auftrag ausführen und dann werden wir uns im nächsten Jahr an dieser Stelle wiedersehen und feststellen, wie es gelaufen ist“, sagte Walther – dann beim 123. GVB-Verbandstag. Bis dahin heißt es: Ärmel aufkrempeln.

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