Kraftakt: Die temporäre Senkung der Umsatzsteuer bringt vielen Unternehmen einen massiven administrativen Mehraufwand. „Profil“ analysiert Chancen und Probleme.
Reduzierung der Umsatzsteuer
Zentraler Punkt der Corona-Steuergesetzgebung ist die Absenkung der Umsatzsteuersätze von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2020. So soll der private Konsum und damit die Wirtschaft gestärkt werden. Die wesentlichen Informationen zur temporären Senkung der Umsatzsteuer sowie die Vor- und Nachteile für Genossenschaften hat „Profil“ in der Ausgabe 07/2020 in einem eigenen Beitrag zusammengefasst.
Degressive Abschreibung
Für die Steuerjahre 2020 und 2021 führt der Fiskus eine degressive (stufenweise) Abschreibung beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein. Die sogenannte degressive AfA (siehe Kasten) beträgt das 2,5-Fache des bisher geltenden Abschreibungssatzes, maximal jedoch 25 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten pro Jahr. Die degressive AfA ist im ersten Jahr anteilig für den Zeitraum ab der Anschaffung oder Herstellung anzusetzen. Ihre Anwendung ersetzt die lineare AfA. Die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen gemäß § 7g Einkommensteuergesetz (EStG) ist daneben zusätzlich möglich. Damit die Liquiditätsvorteile der degressiven Afa bei den Firmen möglichst zeitnah greifen, können diese bereits bei der Festsetzung von Vorauszahlungen auf Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer berücksichtigt werden.
Mit der degressiven Abschreibung lassen sich in den ersten Jahren nach der Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts mehr Steuern sparen als bei der linearen Abschreibung. Beispiel: Ein Bauunternehmen schafft einen neuen Bagger für 100.000 Euro an. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt zehn Jahre. Die lineare Abschreibung würde 10.000 Euro pro Jahr betragen. Die neu eingeführte degressive Abschreibung beträgt im Anschaffungsjahr dagegen 25.000 Euro (25 Prozent von 100.000 Euro). Damit verringert sich das zu versteuernde Einkommen um 25.000 Euro statt um 10.000 Euro wie bei der linearen Abschreibung. Im Jahr nach der Anschaffung wird die degressive Abschreibung vom Restbuchwert des Baggers berechnet (25 Prozent von 75.000 Euro = 18.750 Euro). Damit verringert sich das zu versteuernde Einkommen im Jahr nach der Anschaffung um 18.750 Euro – also immer noch deutlich mehr als bei der linearen Abschreibung.
Absetzung für Abnutzungen
Die „Absetzung für Abnutzungen“ (AfA), umgangssprachlich Abschreibung, berücksichtigt steuerrechtlich die Wertminderung von Wirtschaftsgütern über einen festgelegten Zeitraum. Bei der linearen Abschreibung werden die Anschaffungskosten in konstant hohen Jahresbeträgen abgesetzt, bis diese mit dem Ende der veranschlagten Nutzungsdauer bei null angelangt sind. Das ist die übliche Vorgehensweise. Bei der degressiven AfA wird hingegen ein fester Prozentsatz der Anschaffungskosten in jedem Jahr erneut vom Buchwert des Vorjahres abgezogen. Die Abschreibungsdauer bemisst sich bei beweglichen Wirtschaftsgütern gemäß § 7 Abs. 1 EStG grundsätzlich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Dafür stellt das Bundesfinanzministerium sogenannte AfA-Tabellen zur Verfügung. Die dort festgehaltenen Abschreibungssätze sind zwar nicht rechtlich bindend, werden aber allgemein von der Rechtsprechung und vom Fiskus anerkannt.
Fristverlängerungen bei Investitionsabzugsbeträgen und Reinvestitionsrücklagen
Bei der vorzeitigen Abschreibung von geplanten Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 7g EStG (Investitionsabzugsbeträge) wird die Investitionsfrist, die in 2020 auslaufen würde, bis 2021 verlängert. Auch die sogenannten Reinvestitionsfristen gemäß § 6 b EStG (Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter) werden um ein Jahr verlängert. Dies betrifft das Wirtschaftsjahr, das nach dem 29. Februar 2020 und vor dem 1. Januar 2021 endet. Wenn in diesem Jahr eine Reinvestitionsrücklage aufzulösen wäre, so endet die Frist erst am Ende des darauffolgenden Wirtschaftsjahres.
Dienstwagenbesteuerung
Privat genutzte Dienstwagen mit rein elektrischem Antrieb ohne Kohlenstoffdioxidemission müssen monatlich nur mit 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises versteuert werden. Dies galt bisher für Fahrzeuge mit einem Listenpreis bis zu 40.000 Euro. Diese Preisgrenze wurde auf 60.000 Euro angehoben. Diese Änderung gilt für Fahrzeuge, die im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2030 angeschafft, geleast oder erstmalig zur privaten Nutzung überlassen wurden beziehungsweise werden. Siehe dazu auch den Beitrag zu den Steueränderungen 2020 in „Profil“ 02/2020.
Kontakt zur GVB-Steuerberatung
Die GVB-Steuerberatung unterstützt die Mitglieder des Verbands in allen steuerlichen Fragen, so auch zu den Auswirkungen der beiden Corona-Steuerhilfegesetze und zur temporären Umstellung der Umsatzsteuersätze. Kontakt: steuer(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3800.
Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer
Bei der Gewerbesteuer wird der Freibetrag für die existierenden sogenannten Hinzurechnungstatbestände von 100.000 Euro auf 200.000 Euro erhöht. Dies gilt ab dem Erhebungszeitraum 2020. Zu den Hinzurechnungstatbeständen zählen Beträge, die dem Gewinn hinzugerechnet werden müssen, um eine objektive Ertragsgröße für die Berechnung der Gewerbesteuer zu erhalten.
Änderung der Abgabenordnung
Der Gesetzgeber hat nicht nur das Steuerrecht geändert, sondern auch das Verfahrensrecht. Demnach kann die Finanzverwaltung durch Steuerhinterziehung rechtswidrig erlangte Erträge („Taterträge“) einziehen. Das gilt auch, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis bereits verjährt ist. Zweck dieser Gesetzesänderung ist die Einziehung von Steuerbeträgen aus lange zurückliegenden Cum-Ex-Geschäften.
Neue Sondervorschriften im EStG
Der Gesetzgeber hat die § 110 (Anpassung von Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019) und § 111 (Vorläufiger Verlustrücktrag für 2020) neu in das EStG aufgenommen. Dabei enthält § 110 EStG Regelungen zu den Vorauszahlungen. Sind die Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2020 auf null herabgesetzt worden, kann auf Antrag auch die Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen für das Jahr 2019 pauschal um 30 Prozent gekürzt werden. Bei einem voraussichtlichen Verlustrücktrag in das Jahr 2019 kann dieser Prozentsatz auch entsprechend erhöht werden. Die Reduzierung der Bemessungsgrundlage darf fünf Millionen Euro (bei Ehegatten zehn Millionen Euro) nicht übersteigen.
In § 111 EStG wird die Möglichkeit eines vorläufigen Verlustrücktrags festgelegt. Dabei wird pauschal ein Betrag in Höhe von 30 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Veranlagungszeitraums 2019 als Verlustrücktrag aus dem Jahr 2020 angesetzt. Voraussetzung ist auch hier, dass die Vorauszahlungen für das Jahr 2020 auf null Euro herabgesetzt wurden. Auch für diese Regelung ist ein Antrag des Steuerpflichtigen nötig. Der vorläufige Verlustrücktrag wird bei der endgültigen Veranlagung des Jahres 2020 überprüft und korrigiert. Dadurch kann es dann für das Jahr 2019 zu einer Einkommensteuernachzahlung kommen, wenn das Jahr 2020 mit einem geringeren Verlustrücktrag festgesetzt wird.
Sonderabschreibung bei neuen Mietwohnungen
Der Gesetzgeber hat bereits 2019 – unabhängig von Corona – eine Sonderabschreibung für den Kauf oder Bau neuer Mietwohnungen beschlossen und dazu den § 7 b im EStG eingeführt. Ziel der Bundesregierung war es, den Bau neuer Mietwohnungen anzukurbeln. Mit einem Anwendungsschreiben vom 7. Juli 2020 hat das Bundesfinanzministerium die Voraussetzungen konkretisiert. Das Schreiben enthält ein Schema für die Berechnung der Abschreibungshöhe. Sollte die begünstigte Wohnung im Jahr des Kaufs beziehungsweise Baus oder innerhalb der folgenden neun Jahre steuerfrei veräußert werden, wird die Sonderabschreibung rückwirkend versagt. Dasselbe gilt, wenn die Wohnung innerhalb dieses Zeitraums nicht mehr als solche vermietet wird oder die Baukosten innerhalb der ersten drei Jahre 3.000 Euro je Quadratmeter überschreiten. Auch bereits bestandskräftige Steuerbescheide wären in diesen Fällen zu ändern. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) empfiehlt seinen Mitgliedern deshalb, diese Vorgaben bereits bei der Planung des Bauvorhabens und der Berechnung der Sonderabschreibung zu berücksichtigen. Ausführliche Informationen dazu hat die GVB-Steuerberatung in einem Beitrag im Mitgliederbereich der GVB-Webseite zusammengestellt. Kontakt zur GVB-Steuerberatung unter steuer(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3800.
Maria Reithmeier ist Steuerberaterin beim Genossenschaftsverband Bayern.
Weiterführende Links
- Rundschreiben der GVB-Steuerberatung zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz und zur temporären Absenkung der Umsatzsteuersätze (für Mitglieder)
- Rundschreiben der GVB-Steuerberatung zum Ersten Corona-Steuerhilfegesetz (für Mitglieder)
- Das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums
- Das Erste Corona-Steuerhilfegesetz auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums