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Herr Rederer, laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung gibt es in Deutschland zu viele Krankenhäuser. Eine Verringerung der Klinikanzahl von 1.400 auf unter 600 Häuser würde die Qualität der Versorgung für Patienten verbessern und Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal mildern, so die Kernaussage. Teilen Sie diese Einschätzung?

Martin Rederer: Diese Einschätzung teile ich nicht. Wahr ist, dass viele Kliniken aktuell vor Herausforderungen stehen. Dazu gehört zum Beispiel der absehbare Fachkräftemangel. Es ist unsere Aufgabe, die vorhandenen Pflegekräfte und Ärzte von berufsfremden Tätigkeiten zu entlasten. So bleiben wir für bestehende und neue Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber. Der Fachkräftemangel lässt sich aber nicht – wie die Studie vorschlägt – bewältigen, indem alle Kliniken in Ballungsgebieten konzentriert werden und Patienten sowie Mitarbeiter lange An- und Abfahrtszeiten einplanen müssen. Die KKB-Mitgliedsklinken wollen stattdessen ihre Anstrengungen im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf intensivieren und entsprechende Angebote erweitern oder neu aufbauen.


Wie steht es um die Versorgung der Patienten?

Rederer: Der Schlussfolgerung der Studie, dass eine höhere Konzentration der Kliniken zu einer besseren Versorgungsqualität führen würde, muss ich entschieden widersprechen. Die Qualität der Versorgung in den KKB-Mitgliedshäusern wird durch die „Initiative Qualitätsmedizin IQM“ seit vielen Jahren kontinuierlich gemessen, ausgewertet und transparent dargestellt. Dabei wird den Häusern ein hohes Niveau bestätigt. Ich sehe nicht, inwieweit Zusammenlegungen die Qualität der Patientenversorgung steigern würden. Zudem unternehmen wir in diesem Bereich kontinuierlich erhebliche Anstrengungen. So haben wir beispielsweise die „Offensive Q“ aufgelegt, deren Ziel es ist, die Qualität unserer medizinischen und pflegerischen Leistungen konsequent nach außen darzustellen. Des Weiteren ist es mittlerweile selbstverständlich, dass kleinere regionale Kliniken mit überregionalen Häusern kooperieren. Die so gewachsenen Netzwerkstrukturen sichern den Patienten die beste Versorgung.


In der Bertelsmann-Studie wurde konkret der Großraum Köln/Leverkusen analysiert. Ergebnis: Anstatt aktuell 38 Kliniken würden 14 Krankenhäuser eine bessere Versorgung bieten, ohne dass die Patienten im Durchschnitt viel längere Fahrzeiten in Kauf nehmen müssten, so die Aussage der Untersuchung. Sind diese Ergebnisse auf Bayern übertragbar?

Rederer: Ich maße mir keine Analyse der Krankenhausstruktur für alle bayerischen Regionen an. Allerdings kann ich über meine Erfahrungen im Landkreis Regensburg berichten. Dort gab es vor 30 Jahren vier Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft, heute ist nur noch die Kreisklinik Wörth an der Donau aktiv. Somit sind wir das einzige verbleibende Krankenhaus des Landkreises. Eine Bereinigung der Krankenhauslandschaft hat also bereits stattgefunden und wird sicherlich auch in Zukunft stattfinden. In der Kreisklinik haben wir 2018 7.000 Patienten stationär und 21.000 Patienten ambulant behandelt. Ich frage mich: Welche anderen Krankenhäuser in der Region haben die Kapazitäten, um diese Menschen zusätzlich zu versorgen? Sollen die Patienten für jede Behandlung nach Regensburg fahren? Ich denke nicht, dass das sinnvoll ist.

Die Klinik-Kompetenz-Bayern eG (KKB)

Ziel der 2011 eingetragenen Genossenschaft ist es, die kommunalen und freigemeinnützigen Kliniken besser zu vernetzen. Aktuell gehören dem Verbund 31 Träger mit 60 Kliniken an. Die KKB-Mitgliedsklinken versorgen jährlich rund 1,4 Millionen Patienten, beschäftigen rund 32.000 Mitarbeiter und haben einen Gesamtumsatz von 2,1 Milliarden Euro.

Was würde es für ländliche Regionen bedeuten, wenn die Zahl der Krankenhäuser – wie in der Studie vorgeschlagen – massiv ausgedünnt würde?

Rederer: Das Bundesinnenministerium hat das Ziel ausgegeben, gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu ermöglichen. Das beinhaltet meines Erachtens auch die Sicherstellung einer wohnortnahen und qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung. Eine massive Ausdünnung der Krankenhausstandorte würde diesem Ziel klar zuwiderlaufen. Gleichzeitig übernehmen die Kliniken vor Ort bereits heute viele Leistungen im Bereich der ambulanten Notfallversorgung, ohne dafür eine entsprechende Vergütung zu erhalten. Dieser Bereich würde bei einer Konzentration der Standorte nicht in derselben Qualität wie heute aufrechterhalten werden können.


Ein weiterer Kritikpunkt der Studie ist, dass kleinere Kliniken häufig nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung verfügen, um etwa lebensbedrohliche Notfälle wie Herzinfarkte angemessen behandeln zu können. Wie ist es in Bayern um die Versorgungsqualität kleinerer Krankenhäuser bestellt?

Rederer: Dass in kleineren Kliniken lebensbedrohliche Notfälle nicht gut behandelt werden können, halte ich für eine sehr gefährliche Pauschalaussage. Die Kreisklinik Wörth nimmt – obwohl wir eine vergleichsweise geringe Kapazität von 120 Betten haben – an der Notfallversorgung teil. Wir haben täglich mit lebensbedrohlichen Fällen zu tun, die wir selber, oder bei Bedarf in Kooperation mit benachbarten Kliniken erfolgreich behandeln. Außerdem möchte ich betonen, dass ein kleines Haus nicht automatisch für schlechte Qualität steht. Unsere Klinik verfügt über eine hervorragende medizintechnische und auch personelle Ausstattung. Das bescheinigen uns unabhängige Audits, in denen wir regelmäßig hervorragend abschneiden.


Wie trägt die KKB dazu bei, die kommunalen und freigemeinnützigen Klinken effektiv zu vernetzen?

Rederer: Vor allem mit drei Maßnahmen: Erstens steht die Genossenschaft für praxistaugliche und bedarfsgerechte Lösungen sowie flexible Denkweisen, um den weitreichenden Wandel im Gesundheitssystem erfolgreich zu gestalten. Ich bin seit knapp 25 Jahren dabei und es vergeht kaum ein Jahr, in dem wir uns nicht auf neue Rahmenbedingungen einstellen müssen. Zweitens leistet die KKB einen wesentlichen Beitrag für eine zukunftssichere medizinische Versorgung der Bürger. Wir unternehmen erhebliche Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung, um die Ärzte und das Pflegepersonal zu entlasten. Sehr wichtig ist dabei der Austausch von Know-how zwischen den Mitgliedskliniken. Drittens unterstützt die Genossenschaft die Kommunen dabei, ihrer rechtlichen Verpflichtung nachzukommen und eine stabile medizinische Versorgung vor Ort aufrechtzuerhalten. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine zukunftsfähige Krankenhausversorgung nur im Zusammenspiel aller relevanten Akteure sowie der ambulanten Betreuung wohnortnah funktionieren kann.


Herr Rederer, vielen Dank für das Gespräch!

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