Bankenpaket I: Die EU-Finanzminister haben einen gemeinsamen Standpunkt zur Neufassung beschlossen. Was bedeutet das für Bayerns Volksbanken und Raiffeisenbanken?
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EU-Kommission zur Kapitalunterlegung von Nachhaltigkeitsrisiken
„Das Europäische Parlament (…) weist darauf hin, dass Nachhaltigkeitsrisiken auch mit finanziellen Risiken einhergehen können und deshalb in den Kapitalanforderungen und in den aufsichtsrechtlichen Prüfungen von Banken berücksichtigt werden sollten, sobald sie ein ernstzunehmendes Ausmaß annehmen; [Das Europäische Parlament] fordert die Kommission deshalb auf, eine Regelungsstrategie und einen Umsetzungsplan festzulegen, damit unter anderem dafür gesorgt wird, dass die Nachhaltigkeitsrisiken im Aufsichtsrahmen bewertet werden, und auf die Integration der Nachhaltigkeitsrisiken in das Basel-IV-Rahmenwerk hinzuwirken, damit ausreichende Kapitalreserven bereitgestellt werden; [Das Europäische Parlament] betont, dass sich die Eigenkapitalanforderungen nach den nachgewiesenen Risiken richten und diese voll und ganz abbilden müssen“
Dazu meine ich: Zum Erhalt der Finanzstabilität muss es heißen: Finger weg von willkürlichen Änderungen der Eigenkapitalregeln. Das gilt sowohl für die Idee eines „grünen“ Unterstützungsfaktors, der klimafreundliche Projekte begünstigt, als auch für den Vorschlag eines „braunen“ Faktors, der klimaschädliche Finanzierungen erschwert. Es ist noch nicht hinreichend untersucht, wie Nachhaltigkeit und Risiko einer Finanzierung zusammenhängen. Welche wirtschaftlichen Aktivitäten überhaupt als „nachhaltig“ einzustufen sind, wird gerade erst in Brüssel geklärt. Wer ideologisch motiviert am Herzstück der Bankenregulierung herumdoktert, setzt den Kreditinstituten falsche Steuerungsimpulse und riskiert dadurch die Bildung von Kreditblasen. Letzteres belegt auch eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft – die Experten denken sogar noch einen Schritt weiter: Wenn sich Investoren beim Platzen einer grünen Spekulationsblase scharenweise die Finger verbrennen, wird es danach weitaus schwerer sein, Kapital für ökologische Finanzierungen zu mobilisieren.
Das Europäische Parlament zu Nachhaltigkeit in EU-Gesetzen
„Das Europäische Parlament (…) fordert, dass die Indikatoren für ein nachhaltiges Finanzwesen in alle neuen Rechtsakte und Neufassungen bestehender Rechtsakte mit Bezug zur Finanzwirtschaft aufgenommen werden.“
Dazu meine ich: Diese Forderung ist fehlgeleitet. Jedes Finanzmarktgesetz verfolgt eine bestimmte Zielsetzung – sei es die Erhöhung der Finanzstabilität oder den Schutz von Sparern und Anlegern. Wenn man nun sämtliche Gesetze auf Nachhaltigkeit trimmt, ist eine Verfehlung der eigentlichen Regulierungsziele vorprogrammiert. Zwar mag es verlockend sein, die Finanzwirtschaft vor den NachhaltigkeitsKarren zu spannen. Denn in der Finanzwelt spiegelt sich das gesamte Wirtschaftsleben wider: Jede Investitionsentscheidung und jeder Kaufvertrag gehen mit einer Finanztransaktion einher. Wer die Finanzströme umlenkt, stößt Veränderungen in der Realwirtschaft an. Doch wäre es aus ordnungspolitischer Sicht verfehlt, auf diese Art in die Märkte einzugreifen. In einer Marktwirtschaft sollte es den Wirtschaftsakteuren überlassen bleiben, in welche Investitionsprojekte das Kapital fließt. Für Zwecke des Klima- und Umweltschutzes stehen weitaus bessere Instrumente bereit: Etwa eine vernünftige Bepreisung des CO2-Ausstoßes. Hierauf sollte sich politischer Tatendrang konzentrieren.
EU-Kommission zu nachhaltigen Geldanlagen
„Das Europäische Parlament (…) beabsichtigt, das Mandat der europäischen Aufsichtsbehörden und der zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der bevorstehenden Überarbeitung der ESA-Verordnungen so auszugestalten, dass es sich auch auf die Prüfung und das Monitoring von ESG-Risiken und -Faktoren [ESG: Umwelt, Soziales, Unternehmensführung, Anm. der Redaktion] erstreckt und damit erreicht wird, dass sich der Finanzmarkt stärker an Nachhaltigkeitszielen ausrichtet; [Das Europäische Parlament] vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die ESMA Nachhaltigkeitspräferenzen in ihre „Eignungsleitlinien“ aufnehmen sollte, wie die Kommission in ihrem Aktionsplan für nachhaltige Finanzierung vorschlägt.“
Dazu meine ich: Banken und ihre Kunden leiden bereits heute unter unnötiger Bürokratie in der Anlageberatung, die spätestens mit MiFID, IDD und PRIIPs Einzug gehalten hat. Beratungsgespräche wurden mit verpflichtend abzuarbeitenden Fragenkatalogen einem engen Korsett unterworfen. Wenn manch ein Anleger nun das Gefühl hat, im Gespräch in eine „Verhörsituation“ geraten zu sein, ist das nur verständlich. Was aber das Parlament in umständlichen Worten vorschlägt, treibt das Ganze auf die Spitze: In der Anlageberatung sollen Kunden nicht mehr nur zu ihrem Familienstand, zu ihrer familiären Situation und zu beruflichen Perspektiven befragt werden – sondern verpflichtend auch dazu, welchen Stellenwert Nachhaltigkeitsaspekte für ihre Anlageentscheidung haben. Banken beraten ihre Kunden schon heute bei Fragen zur nachhaltiger Geldanlage und geben entsprechende Empfehlungen. Es grenzt an Gängelung der Kunden, wenn jeder Anleger neben den bereits verpflichtenden Angaben zusätzlich seine Nachhaltigkeitsziele angeben muss. Gerade erst haben sich die Berliner Regierungsparteien darauf geeinigt, innezuhalten und die neuen Maßnahmen zum finanziellen Verbraucherschutz zu überprüfen – auch, weil sich die Hinweise auf eine bürokratische Überfrachtung der Finanzberatung mehren. Die Idee sollte also schnell wieder in der Schublade verschwinden.
Dr. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn