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Wie viel Eigenkapital muss eine Bank halten? Diese Entscheidung ist eine zentrale Stellschraube der Bankenregulierung. Mit dem Basel III-Regelwerk wurden die Anforderungen an die Institute massiv erhöht. Die Logik: Institute mit dickem Kapitalpolster können in Krisenzeiten Verluste besser abfedern und sind stabiler. Allerdings gibt es Nebenwirkungen: Viele Vertreter der Praxis, darunter auch der Genossenschaftsverband Bayern (GVB), fordern immer wieder, die Stellschrauben bei den Kapitalanforderungen nicht zu überdrehen. Denn je mehr Kapital die Banken für einen bestehenden Kredit vorhalten müssen, desto weniger Kredite können sie an die Wirtschaft vergeben. Das kann insbesondere mittelständischen Unternehmen schaden, die sich größtenteils mit Bankkrediten finanzieren.

In einer neuen Studie versuchen Forscher der Bundesbank und der Copenhagen Business School nun, diesen logischen Zusammenhang zu widerlegen (Björn Imbierowicz, Jonas Krag & Jesper Rangvid, 2018. „Time-varying capital requirements and disclosure rules: effects on capitalization and lending decisions“, Discussion Papier No. 18/2018, Deutsche Bundesbank).

Dazu analysieren sie die Auswirkung höherer Eigenkapitalvorgaben auf die Kreditvergabe dänischer Banken im Zeitraum von 2007 bis 2013. Sie kommen zu dem Schluss, dass Banken ihr Finanzierungsvolumen trotz steigender Eigenkapitalvorschriften nicht einschränken. Insofern sehen die Forscher keine Gefahr, dass strengere Kapitalvorschriften zulasten der Realwirtschaft gehen. Doch stimmt das wirklich?

Zweifelhafte Argumentation

Es gibt berechtigte Zweifel an der Argumentation der Studie. Zunächst einmal ist es fraglich, ob man von der Betrachtung dänischer Banken in einer relativ kurzen Periode von fünf Jahren überhaupt Rückschlüsse auf die Kreditvergabe von Banken in ganz Europa ziehen kann. Eine Meta-Studie des Baseler Ausschusses, welche die Auswirkung von Basel I auf die Kreditvergabe betrachtet, kommt beispielsweise zu gegenteiligen Ergebnissen (Basel Committee on Bankung Supervision, 1999. „Capital requirements and bank behavior: The impact of the Basel Accord“, BIS Working Paper No. 1, April 1999). Eine Einschränkung der Kreditvergabe lässt sich laut einer Untersuchung des Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) auch nach Basel II beobachten (Henri Fraisse, Mathias Lé & David Thesmar, 2017. „The real effects of bank capital requirements“, ESRB Working paper No. 47, Juni 2017).

Diese Unterschiede lassen sich unter anderem durch den geographischen und zeitlichen Fokus der Bundesbank-Studie erklären: So hielten die untersuchten dänischen Banken im Durchschnitt über alle Jahre deutlich mehr Kapital als von den Bankenaufsehern vorgeschrieben. Damit konnten die dänischen Banken eine regulatorische Verschärfung der Mindestkapitalquoten kompensieren, ohne die Vergabe neuer Kredite zu drosseln. Bei weiteren Erhöhungen der Mindestanforderungen ist dieser Spielraum allerdings begrenzt.

Unerwünschte Auswirkungen auf die Realwirtschaft

Banken haben zudem auch andere Möglichkeiten, auf steigende Eigenkapitalanforderungen zu reagieren. Sie können ihr Kreditportfolio auf weniger riskante Darlehen umschichten. Diesen Wirkmechanismus beschreibt auch die Studie der Bundesbank: Um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, haben dänische Banken vermehrt risikoarme Kredite vergeben, also Kredite, die mit weniger Eigenkapital unterlegt werden müssen. Das kann jedoch unerwünschte Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben: Kleinen Betrieben oder jungen Unternehmen mit fehlender Kredithistorie könnte der Zugang zu Fremdkapital erschwert werden. Diese Möglichkeit blendet die Studie jedoch völlig aus.

Die Studie kann letztendlich nicht überzeugen. Es besteht eine reelle Gefahr, dass die Kreditversorgung der Realwirtschaft durch höhere Kapitalanforderungen eingeschränkt wird. Politik und Aufsicht sollten die Folgen steigender Eigenkapitalvorschriften auf die Finanzierung von Unternehmen daher weiterhin sorgfältig abwägen. Hier ist Augenmaß gefragt: Mehr Eigenkapital – wie es die Aufsicht immer fordert – ist nicht automatisch besser. Stattdessen muss es Banken auch weiterhin möglich sein, Kredite zu vergeben und Erträge zu erwirtschaften, indem sie diese Kredite risikoorientiert mit Eigenkapital unterlegen.

Augenmaß bei Basel IV-Umsetzung

Dieses Augenmaß ist insbesondere bei der Umsetzung der internationalen Eigenkapitalstandards Basel IV in Europa gefragt: Die Kapitalerleichterungen für Mittelstandskredite (KMU-Korrekturfaktor) müssen dringend beibehalten werden. Denn es ist empirisch belegt, dass diese Mittelstandskredite ein geringeres Risiko vorweisen. Außerdem dürfen die Anforderungen an das kleinteilige Kreditgeschäft (Mengengeschäft) nicht verschärft werden. Durch eine Verschärfung könnten die Kapitalanforderungen bei kleineren Regionalbanken um ein Drittel ansteigen. Das ist nicht angebracht, denn das Risiko im Mengengeschäft ist dank Diversifikation und Kleinteiligkeit der Kredite geringer als das Risiko eines Kreditportfolios mit wenigen großen Einzelengagements. Auch das ist empirisch belegt. Die Regulatoren müssen daher in der Basel IV-Umsetzung sorgfältig abwägen, inwieweit Eigenkapitalerhöhungen angebracht sind und welche Auswirkungen die neuen Regularien auf die Realwirtschaft haben.

Daniel Fischer ist wirtschaftspolitischer Referent in der Stabsabteilung des Genossenschaftsverbands Bayern.

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