Neues Mitglied: Dank der Genossenschaft Markt in Bad Kohlgrub eG können die Einwohnerinnen und Einwohner wieder in ihrem gewohnten Supermarkt einkaufen. Ein Vorbild auch für andere Orte?
Im Laden der LAVLI Coop eG in Miesbach gibt es viele regionale Lebensmittel zu entdecken. So kommen die Forelle und der Saibling von der Schliersee Fischerei, das Walnussöl stammt aus dem Inntal-Walnusswerk. Braten, Gulasch sowie Hackfleisch vom Weideochsen bezieht die Genossenschaft vom Aignerhof aus Miesbach. Und die Bio-Freilandeier stammen vom Taubenbergerhof aus Weyarn. Sie sind einer der Verkaufsschlager. Insgesamt können die Menschen in dem Supermarkt Lebensmittel von rund 35 regionalen Produzenten erwerben. „Die Waren im Laden sollen so regional und saisonal wie möglich sein, damit die Menschen bei uns möglichst nachhaltig einkaufen können“, erklärt Diana Scola. Sie ist die Vorstandsvorsitzende der LAVLI Coop Miesbach eG. Die Genossenschaft hat sie gemeinsam mit ihrem Mann Renaldo initiiert. „LAVLI“ ist ein Kunstwort, das Ehepaar hat ihn aus Silben der Vornamen der beiden Söhne zusammengesetzt.
Genossenschaftliche Supermärkte gibt es typischerweise in Orten, an denen es keine Versorgung mit Lebensmitteln gibt. Die LAVLI Coop Miesbach, Mitte 2023 im Herzen des rund 12.000 Einwohner zählenden Ortes eröffnet, ist anders. Schließlich gibt es in Miesbach bereits Lebensmittelgeschäfte. Am Ortsrand unterhalten etwa Rewe oder Edeka jeweils Filialen. Das Alleinstellungsmerkmal von LAVLI: Es ist ein gemeinschaftsgetragener Selbstbedienungsladen mit Vollsortiment, der seinen Fokus auf regionale und nachhaltige Produkte legt. Insgesamt bietet der Supermarkt auf rund 100 Quadratmetern Verkaufsfläche über 1.000 Produkte aus unterschiedlichen Warengruppen wie Obst und Gemüse, Frisch- und Trockenprodukte, Getränke und Drogerie an. Produkte, die nicht aus der Region kommen, bezieht die Genossenschaft von zwei Bio-Großhändlern.
Bananen ja, Erdbeeren im Januar nein
Da das Geschäft ein Vollsortiment bereithält, gibt es auch Waren aus weit entfernten Ländern zu kaufen. Beispiele sind Bananen, Kaffee oder Schokolade. „Ihren Wocheneinkauf möchten die meisten Menschen am liebsten an einem Ort erledigen. Das wollen wir ihnen gerne ermöglichen. Doch gerade bei Obst und Gemüse liegt der Fokus auf saisonaler Ware. Erdbeeren im Januar wird es bei uns nicht geben“, sagt Diana Scola. Sie hat das Sortiment gemeinsam mit ihrer Vorstandskollegin Katrin Baur und weiteren Mitarbeitern erarbeitet. Derzeit werten sie aus, welche Produkte gut laufen, und welche Ladenhüter sind. So soll das Angebot optimiert und an die Kundenwünsche angepasst werden. Gleichzeitig erarbeitet ein Arbeitskreis, der sich aus Genossenschaftsmitgliedern rekrutiert, Leitplanken für das Sortiment. Man wolle nicht dogmatisch sein, aber Richtlinien haben, an denen man sich beim Einkauf orientiere, betont die Vorstandsvorsitzende. Nachhaltige Produkte erhalten den Vorzug.
Info-Schilder mit transparenten Angaben
Einen hohen Wert legt die Genossenschaft auf transparente Strukturen. Auf den Info-Schildern unterhalb der Waren ist nicht nur – wie üblich – der Verkaufspreis angegeben, sondern auch der Einkaufspreis sowie die Marge für die Genossenschaft. Dadurch wissen die Kundinnen und Kunden, was LAVLI an dem Produkt verdient. Außerdem ist gekennzeichnet, ob das Produkt vegetarisch, vegan beziehungsweise glutenfrei ist. Dazu kommt die Angabe, ob das Lebensmittel in einem Radius von 50, 100 oder 250 Kilometern erzeugt worden ist. „Unsere Überzeugung: Je besser die Menschen informiert sind, desto bessere Kaufentscheidungen können sie treffen“, kommentiert Renaldo Scola.
Die Genossenschaft betreibt einen großen Aufwand, um den Kunden ein Sortiment mit Lebensmitteln aus der näheren Umgebung anzubieten. Bei jedem der 35 regionalen Prozenten muss der Einkauf und die Abrechnung separat durchgeführt werden. Und einige Waren – etwa den Fisch der Schliersee Fischerei – müssen die Teamkräfte vorher abwiegen und Etiketten drucken, damit diese an der Kasse gescannt werden können. Der LAVLI ist übrigens der erste Supermarkt, der Fische der Schliersee Fischerei im Sortiment hat. Zuvor hat der Betrieb ausschließlich direkt verkauft oder an die Gastronomie. „Wenn wir nur Produkte vom Großhandel abnehmen würden, wäre der Aufwand deutlich geringer. Aber der Fokus auf die regionalen Produkte ist eines unserer wesentlichen Alleinstellungsmerkmale. Deshalb nehmen wir die zusätzliche Arbeit gerne auf uns“, betont Diana Scola.
Ein Großteil der regionalen Lebensmittel ist bio, aber nicht alle. Die Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft macht dies an einem Beispiel deutlich: Ein Betrieb, von dem Waren verkauft werden, unterhält eine bio-zertifizierte Landwirtschaft. Für die angeschlossene Schlachterei gibt es jedoch keine entsprechende Zertifizierung, da der Aufwand und die Kosten unverhältnismäßig sind. „Das Fleisch hat jedoch eine hervorragende Qualität, weswegen wir es gerne im Sortiment haben“, sagt Diana Scola.
Von über 250 Mitgliedern getragen
Die Genossenschaft hat aktuell über 270 Mitglieder. Diese haben rund 1.150 Anteile à 50 Euro gezeichnet, drei Anteile pro Mitglied müssen es mindestens sein. Dass die Genossenschaft existiert, geht wie bereits erwähnt maßgeblich auf Renaldo und Diana Scola zurück. Sie haben im Jahr 2021 das Unternehmen LAVLI gegründet. Ziel war es, einen fairen und gemeinschaftsgetragenen Lebensmittelversand zu betreiben. Zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 haben die beiden über einen Online-Shop rund 120 Menschen mit regionalen Lebensmitteln versorgt. Dazu haben sie ein Lager angemietet und zweimal pro Woche Pakete mit Waren wie Eiern und Kartoffeln verschickt. „In dieser Zeit haben wir viele Erkenntnisse gesammelt. Beispielsweise, dass der Versand mit Lebensmitteln einen extrem hohen Logistik-Aufwand mit sich bringt. Es ist unglaublich, wie viele Retoursendungen es gab und wie häufig Pakete nicht abgeholt wurden“, sagt Renaldo Scola. Gleichzeitig wurden die Grundlagen für den jetzigen Supermarkt gelegt. Viele Menschen, die schon damals Lebensmittelkisten bekommen haben, sind nun auch Mitglied. Und auch die Geschäftsbeziehungen mit einem Großteil der regionalen Produzenten wurden fortgeführt.
Die Scolas sind überzeugt, dass es den Laden ohne Genossenschaft nicht geben würde. Denn ein eigenes Lebensmittelgeschäft aufzubauen ist ein hohes Wagnis. „Mit der Genossenschaft können wir sowohl das finanzielle Risiko als auch den Aufwand auf mehrere Schultern verteilen“, sagt Renaldo Scola. Beispielsweise musste kein Kredit aufgenommen werden. Über die Mitgliederanteile kamen über 50.000 Euro zusammen, zudem gab es Nachrangdarlehen von Mitgliedern über 60.000 Euro. Dieses Geld reichte, um den Laden einzurichten. Personell gibt es eine Vollzeitstelle, die sich zwei Personen teilen. Dazu kommt das ehrenamtliche Engagement. 35 Mitglieder helfen bereits regelmäßig aus, indem sie beispielsweise den Laden putzen oder Regale einräumen. Dafür erhalten sie als Aufwandsentschädigung einen Gutschein in Höhe von 15 Euro für drei Stunden Arbeit. „Es gibt einen tollen Gemeinschaftssinn. Durch den LAVLI hat sich eine richtige Community gefunden“, sagt Diana Scola.
Mitglieder können rund um die Uhr shoppen
Der Laden der LAVLI Coop Miesbach eG hat montags bis samstags von 9 bis 19 Uhr für alle Menschen geöffnet. Für die Mitglieder gibt es Sonderregeln: Sie können 24 Stunden am Tag einkaufen, 365 Tage im Jahr. Möglich macht dies ein Chip, den jedes Mitglied erhält. Dadurch erhalten sie Zugang zum Laden, auch wenn die Türen geschlossen sind. Gesetzlich wird dies dadurch ermöglicht, dass sich das Angebot nur an Mitglieder richtet, denen der Laden gehört. Das Angebot werde gut angenommen, berichtet die Vorstandschefin. Vor allem am Sonntag kämen die Leute gerne vorbei, am Abend und in der Nacht seien es hingegen nur wenige Käufer. Es gibt keine Kassierer, bezahlt wird am Self-Checkout. Die Mitglieder und Kunden scannen ihre Produkte und zahlen unbar – also mit Karte oder Smartphone. Um den Jugendschutz unkompliziert sicherzustellen, gibt es bei LAVLI weder alkoholische Getränke noch Tabak zu kaufen.
Die ersten Monate seit der Eröffnung Mitte November 2023 sind gut angelaufen. Die Menschen würden positive Rückmeldung geben und die Zahl der Mitglieder sei stetig gestiegen, betont Diana Scola. Ziel ist es, monatlich einen Umsatz von rund 40.000 Euro zu erwirtschaften. Dann würde sich der Laden von selbst tragen. „Der LAVLI Supermarkt ist ein attraktives Einkaufsangebot für die Menschen in Miesbach und Umgebung. Insgesamt sehen wir uns auf einem guten Weg, den Laden zu etablieren. Nun geht es für uns darum, weitere Mitglieder zu gewinnen und diese zu animieren, ihren Wocheneinkauf bei uns zu erledigen“, resümiert Diana Scola.
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