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Die Energiewende ist ein politisches und gesellschaftliches Mammutprojekt. Auch in diesem Feld leisten die bayerischen Genossenschaften, allen voran die Energiegenossenschaften, einen zentralen Beitrag. Beispielsweise, indem sie nachhaltigen Strom erzeugen, diesen an die Haushalte und Firmen liefern, eigene Ökostrom-Tarife anbieten oder Carsharing-Angebote fördern.

Zudem beteiligen sich Energiegenossenschaften an innovativen und zukunftsweisenden Projekten, um den Übergang von fossilen auf Erneuerbare Energien noch besser zu gestalten. Ein Beispiel: Die Bürger-Energie-Unterhaching eG, die Bürgerenergie Isar eG und die BürgerEnergie Niederbayern eG engagieren sich bei einem Pilotprojekt zur Herstellung, Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff. „Profil“ berichtete. Ein weiteres aktuelles Beispiel liefert die ÜZ Mainfranken eG. Die Genossenschaft spricht von einem „bemerkenswerten Leuchtturmprojekt“.

Ein Batteriespeicher mit 3,6 Megawatt Leistung und 18 Megawattstunden Kapazität

Worum geht es konkret? Die ÜZ möchte mit dem Unternehmen CMBlu Energy aus Alzenau bei Aschaffenburg kooperieren, um einen Stromspeicher mit 3,6 Megawatt Leistung und 18 Megawattstunden Kapazität einzusetzen. Damit kann überschüssiger erneuerbarer Strom gespeichert und bedarfsgerecht ins Netz eingespeist werden. Das Besondere daran ist die Technologie des Stromspeichers. Dabei handelt es sich um einen „Organic-SolidFlow-Batteriespeicher“. CMBlue Energy produziert diesen Speichertyp auf der Basis von recyclebaren und organischen Materialien. Dadurch ist der Speicher nicht entflammbar oder explosiv, weist eine höhere Lebensdauer auf und kommt in der Produktion ohne konfliktbehaftete oder seltene Rohstoffe sowie kritische Lieferketten aus. „Der Organic-SolidFlow-Batteriespeicher vereint die Vorteile zweier Technologien: Einerseits verfügt er über eine Skalierbarkeit unabhängig von Leistung und Kapazität, wie die klassischen Flussbatterien. Andererseits besitzt er eine hohe Energiedichte wie Solid-Batterien“, betont Jürgen Kriegbaum, geschäftsführender Vorstand der ÜZ Mainfranken.

Ein „Reallabor der Energiewende“

Die Genossenschaft möchte mithilfe der Kooperation herausfinden, wie sich SolidFlow-Batterien optimal im Netz nutzen lassen. Außerdem im Boot sitzt die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. „Wir verstehen die Kooperation als Reallabor der Energiewende. Gemeinsam wollen wir unter Praxisbedingungen umfassend testen, wie ein Stromnetz, das wie bei der ÜZ Mainfranken hauptsächlich Erneuerbare Energien transportiert, mithilfe von großen Batteriespeichern stabilisiert und sicher betrieben werden kann“, erklärt Kriegbaum. Denn im Netzgebiet der Genossenschaft wird bereits heute bilanziell mehr Erneuerbare Energie erzeugt als verbraucht. In ganz Deutschland soll das 2045 der Fall sein. Aktuell müsse die Genossenschaft immer wieder PV- oder Windkraftanlagen abschalten, wenn die Netzüberlastung zu hoch sei, erklärt Kriegbaum. Redispatching ist der Fachbegriff dafür. „Mit Speicherbatterien könnten wir die Umspannwerke entlasten und so den gesamten regenerativen Strom nutzen, den wir erzeugen“, betont der ÜZ-Vorstand.

Staatliche Förderung gefordert

Im Rahmen des Projekts möchte die Genossenschaft den bislang größten jemals in Deutschland für die Netzentlastung genutzten SolidFlow-Batteriespeicher errichten. Generell gibt es erst wenige solcher Batterien, die auf diese Weise eingesetzt werden. „Viele ähnliche Batterietypen kommen über den Forschungs- oder Laborstatus gar nicht erst heraus“, sagt Kriegbaum. Als Standort ist das neue Schalthaus der Genossenschaft in Brünnstadt angedacht.

Wann ist der Start für das Speicherprojekt geplant? ÜZ Mainfranken und CMBlue hoffen auf die Zusage für eine Förderung. Dazu sind sie mit Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger in Kontakt. Bei einem Runden Tisch Anfang Mai haben sie ihre Anliegen deutlich gemacht. „Große Energiespeicher sind für das Gelingen der Energiewende unerlässlich. Gleichzeitig sind sie derzeit nicht wirtschaftlich zu betreiben, da die Entwicklung und Produktion sehr kostenintensiv sind. Es braucht also eine staatliche Förderung wie in den USA, wo im Zuge des Inflation Reduction Acts unbürokratisch bis zu 45 Dollar für jede produzierte Kilowattstunde gezahlt werden. Nur so lassen sich Anreize schaffen, um Batteriespeicher made in Germany in den Breiteneinsatz zu bringen, die Strompreise effektiv zu senken und mehr saubere Energie nutzbar zu machen. Es ist essenziell, den Hochlauf der Speicherproduktion und -anwendung so zu fördern wie PV-Anlagen vor rund 20 Jahren mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“, erklärt Kriegbaum. Außerdem verweist er darauf, dass eine Vielzahl an Auflagen existiere, um die Speicher zu betreiben. Das binde Ressourcen. Zudem sei es den Netzbetreibern aktuell nicht gestattet, Speicher zu betreiben. So sollen Interessenskonflikte vermieden werden.

Trotz der derzeitigen Hürden ist der Vorstand der ÜZ Mainfranken überzeugt, dass die SolidFlow-Batteriespeicher der Energiewende zum Durchbruch helfen. Sie lösen das Grundproblem von Erneuerbaren Energien, dass Erzeugung und Bedarf auseinanderfallen. Schließlich benötigen die Haushalte und Firmen auch dann Strom, wenn es dunkel ist und Windflaute herrscht. „Die Stromspeicher sind aus meiner Sicht der Gamechanger der Energiewende. Mithilfe von großen, effizienten, günstigen und nachhaltig zu produzierenden Batteriespeichern ist es möglich, Lastspitzen im Stromnetz zu kappen und die Volatilität der Erneuerbaren Energien so zu glätten, dass diese grundlastfähig werden“, erklärt Kriegbaum.

Politische Forderungen der ÜZ Mainfranken eG

Anfang Mai 2023 traf sich Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger mit Interessenvertretern und Unternehmen zu einem Runden Tisch zum Thema Energiewende. Jürgen Kriegbaum, geschäftsführender Vorstand der ÜZ Mainfranken eG, adressierte dort mehrere Themen. Beispielsweise wies er auf die Forderungen der Genossenschaft zum Thema Batteriespeicher hin (s. Text oben). Zudem betonte Kriegbaum, dass die Herausforderungen der Energiewende vor allem für Unternehmen im ländlichen Raum extrem hoch seien. Durch den immensen Investitionsbedarf ins Stromnetz, um die erzeugte Energie aus regenerativen Erzeugungsanlagen transportieren zu können, würde ein Ungleichgewicht der Netzentgelte zwischen Stadt und Land entstehen. „Da die Kosten für den Betrieb eines Stromnetzes in Form der Netznutzungsentgelte auf die Bewohner umgelegt werden, kommt es zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Stromkunden auf dem Land. Das führt wiederum zu unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“, betonte Kriegbaum. Weiterhin seien die hohen Investitionskosten für ländliche Verteilnetzbetreiber nach den aktuellen regulatorischen Rahmenbedingungen finanziell nicht stemmbar und die Finanzierung des Netzausbaus im notwendigen Ausmaß kaum möglich. Ganz allgemein brauche es sinnvolle und realitätsnahe Rahmenbedingungen, um den Ausbau Erneuerbarer Energien weiter voranzutreiben.

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