Impuls: In seiner Kolumne schreibt GVB-Präsident Gregor Scheller, was steigende Zinsen und höhere Baukosten für Bauherren, Banken und die Politik bedeuten.
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Deutschland ist bekannt als „Land der Sparer“. Für die Sicherheit der hiesigen Sparbücher und Einlagen bürgen und sorgen dabei die sogenannten Einlagensicherungssysteme. Doch mit EDIS steht ein Projekt auf der EU-Agenda, das diese etablierten Systeme empfindlich angreifen könnte. Worauf kommt es jetzt an?
Was versteckt sich hinter dem Projekt der europäischen Einlagensicherung?
Vereinfacht gesagt ist ein Einlagensicherungssystem ein Sicherungsnetz, um Spareinlagen zu schützen: Geht die Bank insolvent, erhalten die Kunden trotzdem ihre Spareinlagen zurück. Die Erstattung wird aus einem gemeinsamen Fonds der Banken bezahlt, in den alle angeschlossenen Banken einzahlen. In Deutschland gibt es mehrere solcher Einlagensicherungssysteme. Eines davon ist die genossenschaftliche Sicherungseinrichtung, welche die Einlagen von Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken schützt. Sie ist das älteste Einlagensicherungssystem in Deutschland. Seit 1934 hat sie dafür gesorgt, dass bisher kein einziger Sparer eines genossenschaftlichen Kreditinstituts seine Einlagen verloren hat.
Die Pläne der EU-Kommission zu einer europäischen Einlagensicherung oder kurz EDIS (European deposit insurance scheme) zielen darauf, ein derartiges System auf europäischer Ebene zu etablieren. Statt vieler nationaler Systeme ein einziges für den ganzen Euroraum, so die ursprüngliche Idee. Volksbanken und Raiffeisenbanken warnen seit den ersten Überlegungen im Nachgang der Finanzkrise von 2008/09 vor einer gefährlichen Vergemeinschaftung von Risiken. Denn: Mit EDIS könnten private Spareinlagen für die Rettung von Banken im Ausland verwendet werden, was Vertrauen und Finanzstabilität empfindlich treffen könnte.
Auch gibt es zahlreiche grundsätzliche Fragen zu einer gemeinsamen Einlagensicherung: Soll EDIS nationale Systeme ersetzen oder als Rückversicherung fungieren? Welche finanzielle Ausstattung soll EDIS erhalten und wer muss einzahlen? Die zähen Diskussionen zeigen, dass es beim Thema Einlagensicherung um ein zentrales Element eines stabilen Bankensystems geht: Denn ein funktionsfähiges Sicherungsnetz ist schlussendlich ein Garant für die Vertrauenswürdigkeit der angeschlossenen Banken. So können sich die Kunden sicher sein: Auch wenn die eigene Hausbank in Zahlungsschwierigkeiten gerät, bleiben die persönlichen Einlagen davon unberührt.
Wie ist EDIS zu bewerten?
Die Schaffung eines europäischen Einlagensicherungssystems ist eine Gefahr für die Sicherheit der Spareinlagen der Deutschen. Statt sich auf die soliden Sicherungssysteme der deutschen Banken verlassen zu können, entstünde eine Haftungsgemeinschaft für alle europäischen Banken. Deutsche Gelder können damit im Zweifel für die Rettung maroder Institute im Ausland eingesetzt werden. Dies kann das Vertrauen der Einleger in die Sicherheit ihrer Gelder nachhaltig stören. EDIS wäre auch ein falsches Zeichen an den deutschen Finanzsektor. Insbesondere die deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, Risiken zu reduzieren und Sicherungspolster aufzubauen. Eine Risikovergemeinschaftung konterkariert dieses Engagement.
Daneben ist die bisherige Architektur von EDIS problematisch: Während die genossenschaftliche Institutssicherung einen präventiven Charakter aufweist, wurde EDIS nur für den Entschädigungsfall konzipiert. Die angeschlossenen Banken hätten somit keinerlei Möglichkeit, die Insolvenz von angeschlagenen Instituten durch ein frühzeitiges Eingreifen abzuwenden.
Wo steht EDIS heute?
Eine europäische Einlagensicherung ist neben einer einheitlichen Bankenaufsicht und einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus im Euroraum die dritte Säule zur Vervollständigung der sogenannten Bankenunion. Den jüngsten Anlauf zur Umsetzung von EDIS unternahm dabei Paschal Donohoe, irischer Finanzminister und Vorsitzender der Eurogruppe. Sein Vorschlag sah ein zweistufiges Vorgehen vor: In einem ersten Schritt sollte ein Rückversicherungssystem geschaffen werden. Dieses wäre eingesprungen, wenn nationale Systeme Ausfälle nicht mehr allein hätten stemmen können. Davon ausgehend, so der Plan Donohoes, hätte die Entwicklung eines einzigen, im gesamten Euroraum aktiven Sicherungssystems vorangetrieben werden können. Damit wären die nationalen Einlagensicherungen in einem Sicherungsnetz mit Verantwortung für den gesamten Euroraum aufgegangen. Dieser Plan ist vorerst gescheitert. Mitte Juni einigten sich die Finanzminister der Eurozone auf eine unbestimmte Verschiebung von EDIS. Stattdessen wurde die EU-Kommission aufgerufen, Pläne zu einer weiteren Harmonisierung von nationalen Einlagensicherungssystemen und dem Krisenmanagement von Banken vorzulegen. Bis wann, das ist derzeit jedoch offen.
Wie geht es mit EDIS weiter?
Ist mit der jüngsten Entwicklung die Gefahr für deutsche Spareinlagen damit gebannt? Dem scheint nicht so, denn auf EU-Ebene wird derzeit an einem alternativen Plan zur Einführung einer Risikovergemeinschaftung „durch die Hintertür“ gearbeitet. Die Idee: Kleine und mittelgroße Banken sollen zukünftig einem Abwicklungsmechanismus auf EU-Ebene unterstellt werden. Bisher unterstehen diese Banken einem nationalen System, das ein Institut im Fall einer Pleite abwickelt. Für diese Umstrukturierung sollen auch Gelder der nationalen Institutssicherungssysteme verwendet werden können. Im Klartext würde das bedeuten: Gelder zur Absicherung deutscher Spareinlagen könnten auch für die Abwicklung von Banken im Ausland verwendet werden – eine gefährliche Vergemeinschaftung von nicht kalkulierbaren Risiken.
Eine falsch verstandene europäische Solidarität darf nicht den Schutz der deutschen Sparerinnen und Sparer aushöhlen. Das wäre brandgefährlich für die Solidität und Stabilität des deutschen Finanzwesens und seiner Funktion als Finanzierer des Mittelstands.
Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).