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Darum geht es in diesem Beitrag

  • Viele Banken haben schnell und unbürokratisch auf die Corona-Pandemie reagiert und Stundungsmöglichkeiten für Kredite eingeführt. Das war extrem wichtig und hat die Betriebe finanziell entlastet.
  • Die Zugeständnisse der Bankenaufsicht, etwa bei der Behandlung von gestundeten Krediten, waren richtig und dringend notwendig, um die Liquidität der Betriebe zu sichern.
  • Die Bankenaufsicht braucht ein Szenario, um die Kreditversorgung des Mittelstands sicherzustellen, sollte die Konjunktur erneut einbrechen.
  • Den Unternehmen dürfen auf dem Weg aus der Krise keine Steine in den Weg gelegt werden. Die Pläne für ein nachhaltiges Finanzwesen bergen aber genau diese Gefahr.
  • Die IHK fordert ein Moratorium bis 2021 für Gesetze, Verordnungen und sonstige regulative Vorhaben, die die Liquidität der Unternehmen zusätzlich gefährden, ihre Flexibilität einschränken und/oder sie durch unnötige Bürokratie vom Kerngeschäft abhalten.

Ob am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundeskreis: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie gehören längst zu unserem Alltag. Das Leben, wie wir es kannten, gibt es nur noch im Rückspiegel. Nach vorne ändert sich die Landschaft nicht im sanften Übergang, sondern abrupt. Schlagworte sind: Homeoffice, Videokonferenzen, Maskenpflicht, Kurzarbeit, Bedarfskäufe, Cocooning (also der zunehmende Rückzug vieler Menschen in die eigenen vier Wände), Geisterspiele.

Für die bayerische Wirtschaft sind die Auswirkungen der Pandemie verheerend. Dabei hatte sie sich zu Jahresbeginn noch über leichte Zuwachsraten gefreut. Dann ist die Epidemie auch über unser Land hereingebrochen, die Zahl der Neuinfektionen stieg täglich an. Die Situation hat sich so zugespitzt, dass die Bayerische Staatsregierung am 16. März zum Schutz der Bevölkerung den Katastrophenfall ausgerufen hat. Für den Handel, den Tourismus, für die Gastronomie, Hotellerie und für das Messe- und Veranstaltungsgeschäft war diese Zeit schlichtweg brutal. Angeordnete Schließungen und Einschränkungen führten zu massiven Umsatzrückgängen, teilweise zum Totalausfall. Die Unternehmen hatten aber weiterhin Ausgaben. So blieben beispielsweise Miet- oder Leasingkosten gleich oder sind nur geringfügig gesunken. Den Geschäftsleuten ging das an die Liquidität.

Keine Frage: Normalerweise haben Firmen ein Liquiditätspolster und die Unternehmerinnen und Unternehmer planen gewisse Risiken in ihre Finanzplanungen ein. Doch diese Zeiten sind außergewöhnlich und so wurde der Puffer Tag für Tag kleiner. Schnell und unbürokratisch haben die Geldhäuser in Abstimmung mit den Bankenverbänden reagiert: Sie führten Stundungsmöglichkeiten ein. Das war eine der wichtigsten ersten Maßnahmen, um die Liquidität der Unternehmen und Betriebe nicht zu gefährden. Dazu wurden weitere Stundungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ermöglicht. Das war extrem wichtig und hat die Betriebe finanziell entlastet.

Eigentlich hätten in einem solchen Fall die Kredite der betroffenen Firmen als ausfallgefährdet gegolten, so sieht es die Bankenregulierung vor. Wäre an dieser Regel tatsächlich festgehalten worden, wären die Darlehen vieler Betroffener als Folge bei der Bankenaufsicht als Sanierungskredit geführt worden. Ohne diese Ausnahme in der Corona-Krise wäre es nicht mehr möglich gewesen, dass die Betriebe ihre Kunden- und Lieferbeziehungen hätten fortführen können. Das wäre fatal für zahlreiche Unternehmen geworden, mit Folgen für unseren gesamten Wirtschaftsstandort.

„Die Bankenaufsicht braucht für Krisen, mögen sie noch so unwahrscheinlich sein, ein vorbereitetes Szenario und einen Plan.“

Was muss uns das lehren? Die Bankenaufsicht braucht für solche Ereignisse, mögen sie als noch so selten und unwahrscheinlich gelten, ein vorbereitetes Szenario und einen Plan. Den gab es zu Beginn der Corona-Krise nicht, obgleich eine Pandemie unter Risikoexperten gerade nicht als „schwarzer Schwan“, also als höchst unerwartbares Ereignis, galt. Wir als IHK haben schon zu Zeiten, als sich die Konjunktur noch positiv entwickelt hatte und ein Einbruch überhaupt nicht absehbar war, Gespräche mit der Politik geführt, wie die Bankenaufsicht auf eine abfallende Konjunktur reagieren könnte. Bereits bei der Krise 2009 hat sich gezeigt, dass vergangenheitsbezogene Ratings der Banken zusammen mit der Risikobewertung der Aufsicht bei schlechter Konjunktur eine prozyklische Wirkung entfalten, also die Ausschläge nach unten weiter verstärkt werden. Genau das Gegenteil muss aber der Fall sein, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Deswegen haben wir angeregt, dass bereits bei guter wirtschaftlicher Entwicklung Schritte und Möglichkeiten geplant werden müssen, die prozyklische Verstärkung zu stoppen, sollte sich das konjunkturelle Stimmungsbild verschlechtern. Diese Überlegungen gab es aber leider bei der Bankenaufsicht nicht. Die Corona-Krise hat zu einem nach Tiefe und Geschwindigkeit beispiellosen Absturz der Konjunktur geführt. Da ist es hoch problematisch, wenn es keinen Plan B gibt und eine prozyklische Verstärkung des Abwärtstrends droht. Genau diesen Plan B fordern wir von der Bankenaufsicht für solche Krisen.

Die Stundungen bei den Krediten waren aber nur eine erste und schnelle Maßnahme. Nach monatelangen strengen Beschränkungen für die Betriebe ist es jetzt an der Zeit, einen Neustart der Wirtschaft anzustoßen und die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Dafür braucht es unter anderem eine proaktive Kreditvergabe. Es ist die Stunde von innovativen und zukunftsfähigen Geschäftsideen. Den Unternehmen dürfen auf dem Weg aus der Krise und bei der Entwicklung neuer wegweisender Geschäftsmodelle keine Steine in den Weg gelegt werden. Es braucht eine Ent- und keine Belastung. Doch genau diese Gefahr besteht. Die Sustainable-Finance-Strategie ist ein Beispiel dafür, das ist der falsche Weg.

Unternehmerinnen und Unternehmer müssen sich jetzt ganz auf ihr operatives Geschäft konzentrieren können. Die Bestrebungen rund um „Sustainable Finance“ führen aber zu vielen bürokratischen Auflagen wie aufwendigen Reportings. Es drohen Einschränkungen bei der Kreditvergabe. Das wäre für einen Neustart der Wirtschaft und der ohnehin schon teils kritischen Finanzlage einiger Betriebe fatal.

„Gerade in der Krise darf die risikobasierte Bankenregulierung nicht durch politisch motivierte Ziele wie Nachhaltigkeit verwässert werden.“

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich mittelständische Unternehmen zu 80 Prozent über Kredite finanzieren. Viele von ihnen verfolgen das Ziel, nachhaltig zu wirtschaften und mit ihren Produkten einen Beitrag für mehr Klima- und Umweltschutz zu leisten. Dieser Weg in innovative und nachhaltige Produkte und Produktionsverfahren gelingt aber nicht von heute auf morgen. Dafür braucht es langjährige Investitionspläne und die Perspektive für die Betriebe, dass ihre Investitionen Früchte tragen in Form späterer Einnahmen. Das gelingt besser über Anreizsysteme, beispielsweise Förderkredite, als über Verbote und bürokratische Belastungen. Seitens der Bankenaufsicht muss gerade in dieser Krisenphase der risikobasierte Weg in der Finanzmarktregulierung weiter verfolgt werden. Er darf nicht durch politisch motivierte Ziele wie Nachhaltigkeit verwässert werden.

Die Corona-Zeit hat auch gezeigt, dass in extremen Krisensituationen die dringend notwendige Kreditvergabe nur möglich wurde, indem die Eigenkapitalvorschriften für Banken spürbar gelockert wurden. Das so gewonnene Kapital können die Geldinstitute in die Vergabe von Krediten in Milliardenhöhe stecken. Wäre das nicht passiert, hätten die Banken ihre Kreditvergabe wegen des deutlich steigenden Anteils nicht bedienter Darlehen in den Bilanzen eingeschränkt. Das wiederum hätte die Erholung der Wirtschaft und die finanzielle Unterstützung von schwer gebeutelten Betrieben in der Krise gefährdet. Deswegen wäre es aus Sicht der bayerischen Wirtschaft kontraproduktiv, wenn über Basel III wieder höhere Eigenkapitalanforderungen oder sogar die Pflicht zu externen Ratings für Firmen, die Kredite benötigen, installiert würden.

Inzwischen verzeichnen Händler wieder moderat steigende Umsätze, Gastronomen und Hoteliers begrüßen wieder Gäste. Es sind erste Schritte in Richtung eines wirtschaftlichen Neustarts. Aber eben nur wackelige erste Schritte. Die Wahrheit ist: Unsere Betriebe kämpfen um ihr nacktes Überleben. Noch immer liegen die täglichen Kosten teilweise weit über den Einnahmen. Ohne Zuschüsse und Hilfen drohen Pleiten und Geschäftsaufgaben. Umso wichtiger ist die Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Betriebe im Rahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung. Das Zuschussprogramm für die drei Monate Juni bis August soll und kann tatsächlich die wirtschaftliche Existenz von Betrieben sichern, die durch Corona-bedingte vollständige oder teilweise Schließungen oder Auflagen erhebliche Umsatzausfälle haben.

Für unsere vielfältige Unternehmenslandschaft in Bayern ist die gute Nachricht, dass die Förderung branchenübergreifend ist. Die Betriebe erhalten bis zu 150.000 Euro für den Dreimonatszeitraum. Die Gelder werden für Tausende in Not geratene Unternehmen und Selbstständige der rettende Strohhalm sein. Bis zu 200.000 Anträge für die Überbrückungshilfe werden in Bayern erwartet. Diese Zahl zeigt, wie schwer die Corona-Krise in Bayern gewütet hat und noch immer wütet.

„Unternehmen dürfen nicht durch neue politische Belastungen zusätzlich gefährdet werden. Wir fordern deshalb ein Belastungsmoratorium bis 2021.“

Überbrückungshilfen, die bereits ausgezahlten Corona-Soforthilfen und schnelle und unbürokratische Kredite sind aber nur ein Baustein, damit die Wirtschaft im Freistaat wieder an Fahrt aufnehmen kann und Betriebe vor der Insolvenz gerettet werden können. Aus unserer Sicht braucht es weitere Entlastungen. Ganz konkret fordern wir ein Belastungsmoratorium. Das heißt, die Unternehmen dürfen nicht durch neue politische Belastungen zusätzlich gefährdet werden. Wir fordern deshalb ein Moratorium bis 2021 für Gesetze, Verordnungen und sonstige regulative Vorhaben, die die Liquidität der Unternehmen zusätzlich gefährden, ihre dringend benötigte Flexibilität einschränken und/oder sie durch unnötigen bürokratischen Aufwand vom Kerngeschäft abhalten.

Ein Beispiel ist das geplante Lieferkettengesetz. Hier sehen wir die große Gefahr, dass durch unverhältnismäßige Kontroll- und Informationsauflagen internationale Lieferketten unterbrochen werden könnten. Ein anderes Beispiel, das vor allem für kleinere Betriebe eine weitere unnötige Belastung bedeutet, ist die umstrittene Pflicht zur Einrichtung von technischen Sicherheitseinrichtungen für E-Kassen. Die Liquidität der Betriebe muss verstärkt werden durch eine verbesserte steuerliche Verlustverrechnung. Es ist zwar gut, dass der Verlustrücktrag für 2020 und 2021 auf fünf Millionen Euro (beziehungsweise zehn Millionen Euro bei Zusammenveranlagung) erweitert werden soll. Das rücktragbare Verlustvolumen sollte aber auf mindestens zehn Millionen Euro weiter erhöht und der Rücktrag auch in Jahre vor 2019 ermöglicht werden, damit alle Betriebe ihre krisenbedingten Verluste verrechnen können. Hilfreich für notwendige Investitionsanreize wird auch die Möglichkeit einer wieder eingeführten degressiven Abschreibung sein.

„Die Corona-Pandemie und die damit verbundene weltweite Krise werden uns noch viele Jahre beschäftigen, vermutlich länger als wir glauben.“

Jetzt geht es darum, dass die Wirtschaft in Bayern wieder an Fahrt aufnimmt mit dem Ziel, sich als eine der stärksten und widerstandsfähigsten Wirtschaftsregionen der Welt zu behaupten. Die Corona-Pandemie und die damit verbundene weltweite Krise werden uns noch viele Jahre beschäftigen, vermutlich länger als wir glauben. Lassen Sie uns aber zugleich immer zuversichtlich nach vorne schauen und unbedingt die Lehren aus dieser Krise ziehen. Eine muss sein, dass sich die Bankenaufsicht mit Szenarien auf solche Zeiten vorbereitet, damit Firmen weiterhin unproblematisch Kredite bekommen und so ihr Überleben sichern. Bleibt nur die Frage: Wer kümmert sich, und bis wann?

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