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Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Harald Freiberger, Redakteur im Ressort Wirtschaft bei der Süddeutschen Zeitung. Dieser Beitrag erschien zuerst in der Süddeutschen Zeitung vom 30. Mai 2020.
 

Die Negativzinsen stellen die Geldanlage auf den Kopf. Wer Geld verleiht, bekommt keine Zinsen mehr, er muss welche zahlen. Das gilt schon seit Jahren für Staatsanleihen oder für kurzfristige Einlagen von Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Private Kreditnehmer können von der absurden Situation sogar profitieren: Finanzportale wie Smava, Check24 und Finanzcheck bieten seit einiger Zeit Ratenkredite zu einem Zinssatz von minus 0,4 Prozent an. Der Kreditnehmer zahlt also weniger Geld zurück, als er aufgenommen hat.

Helmut D., Leser der Süddeutschen Zeitung (SZ), fand diese Angebote verlockend. „Man könnte das Geld ja einfach mitnehmen, als Festgeld oder Tagesgeld anlegen und die Zinsen einsacken“, war seine Idee. Doch als er sich eingehender darüber informierte, stellte er schnell fest, dass die Angebote keineswegs kostenlos sind. „Wer das billige Geld will, zahlt mit seinen Daten“, sagt er. Und anschließend wurde er bedrängt, einen bestehenden Kredit abzulösen – allerdings nicht mehr zu negativen Zinsen, sondern zu deutlich positiven. Sein Fazit: „Es handelt sich um reine Lockangebote, die Finanzportale wollen den Kunden nichts schenken, sondern an ihnen verdienen.“

Zunächst aber gibt es in der Tat etwas umsonst. Check24 bietet einen Ratenkredit für bis zu 1.000 Euro über eine Laufzeit von zwölf Monaten an. Wer ihn abschließt, zahlt elf Monatsraten von 83,15 Euro und eine Rate von 83,18 Euro zurück, insgesamt 997,83 Euro – und damit 2,17 Euro weniger, als er an Kredit aufgenommen hat. Rechnerisch entspricht das einem Zins von minus 0,4 Prozent. Bei Smava gibt es ein ähnliches Angebot über zwei Jahre Laufzeit.

Bevor ein Interessent den Kredit erhält, muss er persönliche Daten angeben. Die Anbieter fragen nach Alter, Gehaltshöhe, Miethöhe, Arbeitgeber und danach, ob noch andere Kredite laufen. Es geht aber auch schneller: „Kreditauszahlung noch morgen mit Kontoblick“, heißt es bei Check24. Wer zustimmt, gibt seine Internationale Bankkontonummer (IBAN) ein und schaltet den Zugang zu seinem Online-Bankkonto frei. Der Anbieter kann dann vorübergehend die Kontobewegungen über die vergangenen drei Monate einsehen: monatliches Gehalt, Miete, Versicherungsbeiträge, Daueraufträge für Strom, Gas, Telefon, Raten für laufende Kredite. Smava begründet den Kontoeinblick so: „Wählen Sie ‚ja‘, um von zahlreichen Vorteilen zu profitieren, zum Beispiel bessere Kreditbewilligung.“

„SZ-Leser Helmut D. bekam in den Tagen danach reihenweise Angebote, die über den angefragten Kredit hinausgingen. Von Finanzcheck erhielt er vier E-Mails, von Check24 sogar 18 E-Mails und drei Anrufe.“

Die Anbieter weisen darauf hin, dass es bei jeder Bank üblich sei, vor der Gewährung eines Kredits persönliche Daten zu erheben, um die Bonität zu prüfen. Nicht so üblich ist es allerdings, was mit den Daten passiert. SZ-Leser Helmut D. bekam in den Tagen danach reihenweise Angebote, die über den angefragten Kredit hinausgingen. Von Finanzcheck erhielt er vier E-Mails, von Check24 sogar 18 E-Mails und drei Anrufe. Es ging um den beantragten Kredit über 1.000 Euro zum Minuszinssatz, aber auch um die Ablösung eines bestehenden Kredits bei einer anderen Bank. „Nicht ein Angebot ist günstiger als der bestehende Kredit, eine Offerte ist sogar doppelt so teuer“, sagt Helmut D.

Die Finanzportale machen kein Geheimnis daraus, dass sie auch teurere Kredite anbieten. Auf der Internetseite von Smava steht direkt neben der Offerte über einen Ratenkredit zu Minuszinsen in gleicher Größe: „20.000 Euro, Laufzeit 84 Monate, 0,68 Prozent.“ Wohlgemerkt plus 0,68 Prozent. Check24 gibt offen zu, dass das Minuszins-Angebot dazu dient, Kunden anzulocken. „Das ist ein Angebot von uns, um Kunden zu zeigen, dass sie mit einem Kreditvergleich Geld sparen“, sagt ein Sprecher. Die Kosten dafür würden auch aus dem Marketingbudget von Check24 bestritten. Ziel sei es, den Kredit über 1.000 Euro zum Minuszins möglichst schnell und einfach zu gewähren - vorausgesetzt, die Bonität des Kunden sei gegeben. Es gehe darum, ihm „ein positives Erlebnis mit Check24 zu vermitteln“. Dann sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass er auch mit dem nächsten Ratenkredit oder auch mit einer Baufinanzierung zu Check24 komme.

Darüber hinaus bietet das Vergleichsportal eine Reihe weiterer Dienstleistungen an, von Verträgen für Versicherungen oder Mobilfunk bis hin zu Strom und Gas. Smava hat sich dagegen auf den Vergleich von Konditionen für Kredite spezialisiert. „Kreditnehmer, die ihre Kredite 2019 über uns abgeschlossen haben, zahlten 39 Prozent weniger Zinsen als im Bundesdurchschnitt“, teilt das Portal mit. Diese Ersparnis gelte nicht nur beim Abschluss neu aufgenommener Kredite, sondern auch bei der Umschuldung bestehender. Deshalb unterbreite man Kunden auch unverbindliche Angebote zur Umschuldung. „Möchte der Interessent keine Angebote erhalten, kann er uns dies jederzeit mitteilen, er erhält von da an keine Angebote mehr“, sagt dazu ein Sprecher.

SZ-Leser Helmut D. hat jedenfalls erst einmal genug von den scheinbar kostenlosen Angeboten. „Nach meinen Anfragen bei drei Finanzportalen musste ich überall meine persönlichen Daten preisgeben und wurde anschließend tagelang mit E-Mails und Anrufen bombardiert – mit Angeboten, die überteuert waren“, sagt er. Das sei ihm ein vermeintliches Geschenk von 2,17 Euro nicht wert.

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