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Nach fast zweijährigen Verhandlungen haben die EU-Finanzminister Ende Mai einen gemeinsamen Standpunkt zur Überarbeitung der europäischen Bankenregelwerke CRR und CRD beschlossen. Voraussichtlich noch vor der Sommerpause wird sich auch das EU-Parlament als Co-Gesetzgeber positionieren. Anschließend können die Dreiergespräche zwischen Mitgliedsstaaten, Parlament und Kommission beginnen („Trilog“). Noch vor der Europawahl im Frühjahr 2019 wäre dann eine Einigung möglich.

Welche Banken sind klein und nicht komplex?

Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Banken als „klein und nicht komplex“ eingestuft und von unnötiger Regulierung entlastet werden. Als kleine Institute sollen nach dem Willen der Finanzminister all jene Banken gelten, deren Bilanzsumme unter 5 Milliarden Euro liegt. Zusätzlich sind vier qualitative Kriterien zu erfüllen:

  • Erstens darf das Institut nicht als Handelsbuchinstitut eingestuft sein.
  • Zweitens darf es bei der Ermittlung seiner Kapitalanforderungen nicht auf komplexe interne Modelle zurückgreifen.
  • Drittens soll das Institut bei der Sanierungs- und Abwicklungsplanung vereinfachten Anforderungen unterliegen.
  • Viertens dürfen die Geschäfte mit außereuropäischen Vertragspartnern maximal ein Viertel des gesamten Geschäftsvolumens ausmachen.

Damit erweitern die Mitgliedsstaaten den Kreis der zu entlastenden Institute, sah doch der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission lediglich Erleichterungen für Banken mit einer Bilanzsumme unter 1,5 Milliarden Euro vor. Dieser Schritt geht aus Sicht des GVB in die richtige Richtung.

Wo besteht Nachbesserungsbedarf?

Eine starre Bilanzsummen-Grenze von 5 Milliarden Euro weist eine entscheidende Schwäche auf: Seit der Euro-Einführung vor 19 Jahren sind die Kredite an Unternehmen und Privathaushalte in der gesamten Währungsunion Jahr für Jahr um rund 4 Prozent gewachsen. Die Kundeneinlagen der europäischen Banken haben im Durchschnitt sogar um fast 5 Prozent pro Jahr zugenommen. Beides führte zu einem Anstieg der Bilanzsummen um durchschnittlich 4 Prozent pro Jahr.

Wirtschaftswachstum und Inflation sorgen also dafür, dass das Kredit- und Einlagenvolumen im gesamten Bankensektor langfristig ansteigt, ohne dass sich damit die Risikoposition der Banken wesentlich ändert. Der Tatsache, dass die Banken mit ihren Kunden „mitwachsen“, trägt ein starrer Grenzwert nicht ausreichend Rechnung. Es wäre sachgerecht, den Schwellenwert von zunächst 5 Mrd. Euro laufend an die Wirtschaftsentwicklung anzupassen. Somit könnten Regionalbanken das nachhaltige Wachstum ihrer Kunden durch die Vergabe von Krediten unterstützen – ohne dadurch in eine andere Regulierungsklasse zu rutschen.

Welche Entlastungen sind für „kleine und nicht komplexe“ Banken geplant?

Was das Ausmaß der Erleichterungen betrifft, erweitert der EU-Ministerrat die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ausnahmen kleiner Banken von den Offenlegungspflichten. Allerdings fehlt den Ministern der Mut, die Offenlegung für nicht börsennotierte Regionalbanken komplett abzuschaffen oder zumindest auf ein kleines Set an jährlich offenzulegenden Schlüsselparametern zu begrenzen, wie es im EU-Parlament diskutiert wird. Ein solcher Schritt wäre aus Sicht des GVB richtig und wichtig. Denn bei Instituten wie den Volksbanken und Raiffeisenbanken steht der aus den Informationspflichten resultierende Aufwand in einem deutlichen Missverhältnis zum Nutzen der Offenlegung. Adressaten wie institutionelle Kapitalanleger oder Ratingagenturen, zu deren Information die Berichte erstellt werden, spielen bei Regionalbanken kaum eine Rolle.

Bei den Meldepflichten bleibt der Rat sogar einen Schritt hinter dem Kommissionsvorschlag zurück. Die von der Behörde vorgeschlagene Verringerung der Meldefrequenz von quartalsweisen Meldungen auf einen jährlichen Turnus kassieren die Finanzminister. Einzig einen Auftrag an die EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA zur Beseitigung unnötiger Meldebürokratie wollen die Mitgliedsstaaten erteilen. Auch hier könnten sich die Minister ambitionierter zeigen – hat sich doch die EBA bislang nicht besonders als Anwalt des Proportionalitätsgedankens hervorgetan. Ebenfalls konnten sich die Minister nicht dazu durchringen, für kleine Banken eine vereinfachte strukturelle Liquiditätsquote (NSFR) einzuführen, wenngleich auch hier Potenziale für Erleichterungen bestehen.

Wird es den KMU-Korrekturfaktor weiterhin geben?

Zu begrüßen ist, dass sich die Mitgliedsstaaten bei den Kapitalanforderungen für Mittelstandskredite dem Vorschlag der EU-Kommission anschließen. Die Behörde hatte für eine Ausweitung des KMU-Korrekturfaktors für Kredite über 1,5 Millionen Euro plädiert. Dem schließt sich der Rat an. Eine Ausweitung der Erleichterungen bei den Kapitalanforderungen auf nachhaltige Kredite, wie sie der zuständige Berichterstatter im EU-Parlament vorgeschlagen hatte, sehen die Finanzminister nicht als erforderlich an. Diese Einschätzung teilt der GVB, sollte doch die Regulierung allein am Risiko ausgerichtet sein – und nicht zur Erreichung anderer politischer Zielsetzungen missbraucht werden. Allerdings fordern die Finanzminister, die Kapitalunterlegung für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten um 25 Prozent abzusenken. Doch auch hierfür sollte gelten: Bevor eine Kapitalerleichterung gewährt wird, muss stichhaltig erwiesen sein, dass eine solche Erleichterung risikogerecht ist.

Wie werden Bank- und Handelsbuch voneinander abgegrenzt?

Positiv zu bewerten ist, dass die EU-Finanzminister bei der Abgrenzung von Handels- und Bankbuch den in der geltenden CRR verankerten Status quo beibehalten wollen. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, eine pauschale Trennlinie zwischen klassischem Bankgeschäft („Bankbuch“) und kurzfristigen Handelsaktivitäten („Handelsbuch“) zu ziehen. Damit würde jedoch der bisherige Entscheidungsspielraum der Kreditinstitute beschnitten: Wenn Banken mangels Kreditnachfrage überschüssige Einlagen in Fonds anlegen, könnten diese Anlagen – anders als bisher – künftig nur noch mit Zustimmung der Aufsicht in das Bankbuch genommen werden. Die Beantragung der erforderlichen Ausnahmegenehmigung würde erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen. Ohne BaFin-Genehmigung müssten Genossenschaftsbanken ihre Fondsanteile vom Bank- ins Handelsbuch verschieben. Das ließe die Handelsbücher anschwellen. Als Konsequenz daraus hätte kleinen Instituten die Einstufung als Handelsbuchinstitut gedroht. Ein solcher Schritt würde jedoch die Bemühungen zur Entlastung kleiner Banken in anderen Bereichen konterkarieren. Deshalb ist es richtig, dass die Finanzminister dem Gesetzentwurf der EU-Kommission nicht folgen.

Was soll sich bei Marktpreisrisiken ändern?

Handlungsbedarf besteht noch bei der Messung und Unterlegung von Marktpreisrisiken. Im Jahr 2016 hatte der Baseler Ausschuss neue internationale Standards vereinbart, die im laufenden Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden sollten. Allerdings hat der Ausschuss schon im Frühjahr 2018 einige Neuerungen am Messverfahren vorgeschlagen. Zugleich empfahlen die Baseler Regulierer den Staaten, mit der Umsetzung der neuen Regelungen bis 2022 abzuwarten. Dessen ungeachtet wollen nun die EU-Finanzminister die Banken verpflichten, ihre Risiken schon im Jahr 2020 nach dem neuen Ansatz zu messen und an die Aufseher zu melden. Die Schaffung einer Meldepflicht vor der Finalisierung des Baseler Standards und seiner Übertragung in europäisches Recht führt dazu, dass Banken zunächst provisorische Systeme einrichten und diese nach wenigen Jahren unter großem Ressourceneinsatz an die finalen Regelungen anpassen müssen. Zielführender wäre es, bis zum Abschluss der Arbeiten im Baseler Ausschuss den Status quo beizubehalten. Erst mit der nächsten, zur Umsetzung von „Basel IV“ in Europa ohnehin erforderlichen Überarbeitung der CRR sollte das neue Baseler Regelwerk eingeführt werden.

Christoph Schroeter ist Chefvolkswirt des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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