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Herr Kroll, Social Media in Unternehmen: Ein Muss oder nur Nice-to-have?

Lars Kroll: Social Media ist ein Muss. Egal ob im B2B oder B2C – in allen Bereichen wird Personal gesucht und sollen Kundenkontakte, also Leads, generiert werden. In den sozialen Netzwerken können sich Unternehmen glaubwürdig und authentisch darstellen. Dabei bieten digitale Plattformen viel mehr Möglichkeiten als die herkömmliche Unternehmens-Webseite.

Die Vielfalt an sozialen Netzwerken ist groß und unübersichtlich. Wie wählen Unternehmen die passenden Social-Media-Kanäle aus?

Kroll: Es gibt unterschiedliche Kanäle für unterschiedliche Zielgruppen. Deshalb müssen sich Unternehmen zwei Fragen stellen: Wo sind die Menschen unterwegs, die ich erreichen will? Und: Wie kann ich meine Botschaft in das Format packen, das auf der jeweiligen Plattform funktioniert?

„Ein superhippes Reel, das auf Instagram durch die Decke geht, verwirrt wohl eher meine LinkedIn-Community.“

Sollte ein Unternehmen auf möglichst vielen Social-Media-Plattformen vertreten sein oder sich lieber auf wenige fokussieren?

Kroll: Oft sagt man: Viel hilft viel. Das gilt nicht bei Social Media, hier ist weniger mehr. In den meisten Fällen müssen Social-Media-Plattformen mit unterschiedlichen Inhalten je nach Zielgruppe bespielt werden. Ein Beispiel: Ein superhippes Kurzvideo oder Reel, das auf Instagram durch die Decke geht, verwirrt wohl eher meine LinkedIn-Community.

Welche Social-Media-Plattformen sind für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken relevant?

Kroll: In der Finanzwelt sehe ich Instagram, TikTok, LinkedIn und YouTube als relevant an.

Welche Social-Media-Plattformen sind zurzeit besonders beliebt, welche verlieren an Bedeutung?

Kroll: Besonders beliebt sind TikTok und LinkedIn. Diese sind auch enorm gewachsen. Anders sieht es bei „Clubhouse“ aus. Die audiobasierte Social-Media-App ist während der Corona-Pandemie groß geworden, jetzt aber weitgehend von der Bildfläche verschwunden. Dasselbe gilt für „BeReal“ – eine 2020 erschienene französische Social-Media-App. Auch ältere Plattformen wie Xing und Facebook verlieren an Bedeutung. Xing hat sich verändert und beliebte Funktionen wie die Gruppen abgeschafft. Zudem hat Xing einen starken Konkurrenten bekommen: LinkedIn. Facebook ist zwar immer noch weltweit das größte soziale Netzwerk mit drei Milliarden Nutzern, trotzdem ist die Aktivität der User extrem gesunken.

Wie erklären Sie sich das?

Kroll: Bei Facebook wurden in den vergangenen Jahren Management-Fehler begangen. Zudem hat das Netzwerk durch Fake-News-Skandale an Reputation eingebüßt. Darüber hinaus hat es Facebook verschlafen, Innovationen einzuführen und den Usern neue Funktionen bereitzustellen. Viele Facebook-Nutzer sind deshalb zu anderen Plattformen abgewandert – zum Beispiel zu Instagram oder TikTok. Diese User sind zwar immer noch bei Facebook angemeldet, nutzen den Kanal jedoch nicht mehr aktiv. Social Media lebt aber natürlich von der Aktivität der User. Stellen Sie sich die Plattformen als Diskotheken vor, in denen sich die verschiedenen Generationen tummeln. Wenn eine ältere Generation einen Club für sich entdeckt, dann ziehen die Jüngeren weiter und suchen sich andere Orte. Mit 16 wollte ich auch nicht in denselben Club wie meine Eltern. Genauso ist es auch mit den sozialen Netzwerken und mit Facebook.

Was sind die Social-Media-Trends 2023?

Kroll: Kurzvideos im Hochkant-Format sind immer noch sehr beliebt. Diese Videos sind meist unterhaltsame Clips, die nicht länger als 60 Sekunden dauern. Auch das Thema Corporate Influencer gewinnt weiter an Fahrt. Das sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Multiplikatoren und Markenbotschafter auf ihren privaten Social-Media-Kanälen über das Unternehmen berichten und Einblicke in ihren Arbeitsalltag geben. Viele große Konzerne bauen auf Corporate Influencer, auch in der Finanzbranche haben Banken erfolgreich Markenbotschafter-Programme aufgelegt.

Kann es für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken sinnvoll sein, mit Corporate Influencern für sich zu werben?

Kroll: Unbedingt. Unternehmen können auf Social-Media-Kanälen alles Mögliche behaupten. Wenn aber Insider – in diesem Fall die Mitarbeitenden – sagen: Diese Bank ist vertrauenswürdig, hier arbeite ich gern, hier herrscht ein gutes Betriebsklima, dann macht das auf die Community einen ganz anderen Eindruck und erhöht die Arbeitgeberattraktivität. Corporate Influencer können deshalb auch für die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken sinnvoll sein, weil Fans, Follower und Kunden die Gesichter hinter der Marke kennenlernen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kreditinstitut klein oder groß ist, ob nur einer mitmacht oder 30. Jeder Corporate Influencer ist für das Unternehmen wertvoll.

„TikTok ist ein wichtiger Kanal für Unternehmen, um gerade die junge Zielgruppe zu erreichen.“

Besonders die Generationen Y und Z sind auf Social Media aktiv – das ist auch eine wichtige Zielgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken. Wie können Kreditinstitute zielgruppengerechte Inhalte generieren?

Kroll: Ich empfehle, sich mit der Zielgruppe zu beschäftigen und sie zu verstehen. Sich einmal mit den eigenen Azubis an einen Tisch setzen, sie zu fragen, was sie vom Social-Media-Auftritt halten, auf welchen Kanälen sie unterwegs sind und welche Themen sie interessieren. Oft ist es so, dass die Menschen, die das Unternehmen auf Social Media ansprechen will, im eigenen Haus beschäftigt sind. Das bietet die Chance, die Zielgruppe kennenzulernen und sich so in deren Lebenswirklichkeit hineinzudenken. Nicht umsonst produzieren Azubis oft selbst Content – von der Zielgruppe für die Zielgruppe.

Infos zu Lars Kroll

Lars Kroll ist Experte für Social Media und Online-Marketing. Er ist Gründer und Geschäftsführer der SO.real GmbH. Diese bietet Dienstleistungen im Social-Media-Markenaufbau, Social Selling, Social Recruiting und vieles mehr an. Zu den Kunden der SO.real GmbH gehören auch einige Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband.

Was ist mit TikTok – lohnt sich das für die Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Kroll: Auf jeden Fall. TikTok ist zurzeit das am schnellsten wachsende Social-Media-Network und regelmäßig in den Download-App-Charts unter den Top Drei, wenngleich es auch stark in der Kritik steht. Auf der anderen Seite ist TikTok ein wichtiger Kanal für Unternehmen, um gerade die junge Zielgruppe zu erreichen. Jeder Post wird individuell bewertet und hat die Chance, viral zu gehen. Deshalb können Unternehmen organisch auf TikTok eine große Sichtbarkeit generieren. TikTok hat sich bei den Video-Inhalten verändert. Früher schauten User vor allem anderen beim Tanzen zu, heute geht´s auch um Edutainment – also um die Vermittlung von Wissen bei gleichzeitigem großen Unterhaltungswert. Dieses Format nutzen bereits einige Volks- und Raiffeisenbanken, um jungen Menschen Finanzthemen näherzubringen. Das kommt an, wie man unter dem Hashtag #volksbank sehen kann.

Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Arbeit in sozialen Medien in Unternehmen passieren?

Kroll: Ohne eine Social-Media-Strategie geht’s nicht. Einfach irgendetwas zu posten, damit es gemacht ist, bringt nichts. Ein weiterer Fehler ist, wenn sich Unternehmen zu sehr an den Mitbewerbern orientieren und einen Social-Media-Kanal wie TikTok nur bespielen, weil es andere tun. Social Media muss gelebt werden. Wichtig ist auch, dass das Social-Media-Team im Unternehmen Rückhalt aus der Führungsebene bekommt. Wenn um jeden Euro gekämpft werden muss, wenn jeder meint, mitreden zu müssen, dann haben es die Kolleginnen und Kollegen, die die Kanäle verantworten, schwer. Außerdem rate ich von einer Flut an Postings ab, die nur darauf abzielen, Umsatz zu machen oder Personal zu gewinnen. Das kommt bei der Community meist nicht gut an.

Womit kann ein Unternehmen stattdessen seine Community für sich einnehmen?

Kroll: Ein ganz wichtiger Punkt ist das Thema Mehrwert. Ich kann noch so viel an meinem Post optimieren und verändern – das bringt alles nichts, wenn der Beitrag für den Nutzer nichts Neues bereithält. Deshalb muss ich, wie bereits vorher gesagt, meine Zielgruppe kennen und verstehen. Außerdem ist ein Erfolgsfaktor, die Kanäle mit den Formaten zu bespielen, die Reichweite bringen – auf Instagram sind das Reels, auf LinkedIn lange Text- und Karussell-Posts, auf TikTok unterhaltsame Hochkant-Videos. Für einen guten Post brauche ich unbedingt eine gute Überschrift, einen Einstieg, der neugierig macht, und einen Hauptteil, der dem Nutzer Mehrwehrt bietet. Am Schluss des Beitrags ist es sinnvoll, einen Call-to-Action einzubauen, um die Follower zu animieren, den Post zu liken, zu kommentieren oder zu teilen. Jede Aktion aus meiner Community erhöht die Reichweite meines Posts.

„Authentizität spielt bei den sozialen Medien eine unglaublich wichtige Rolle.“

Es gibt die Möglichkeit, als Unternehmen soziale Netzwerke in Eigenregie zu betreuen oder die Arbeit auszulagern, zum Beispiel an Agenturen. Wann macht eine interne Betreuung Sinn und wann ist externe Unterstützung zielführend?

Kroll: Authentizität spielt, wie bereits erwähnt, bei den sozialen Medien eine unglaublich wichtige Rolle. Authentisch über ein Unternehmen berichten können in meinen Augen externe Dienstleister erst nach langjähriger Zusammenarbeit. Deshalb empfehle ich, die sozialen Netzwerke, wenn es personell machbar ist, in Eigenregie zu betreuen. Externe Dienstleister sind jedoch trotzdem sinnvoll. Sie können zum Beispiel bei der Produktion von Inhalten unterstützen oder Werbekampagnen begleiten, wenn sie zuvor gebrieft wurden.

Haben Sie Geheimtipps für mehr Erfolg auf Social Media?

Kroll: Kurzvideos schaffen Reichweite. Wenn ein Unternehmen sowieso schon ein Kurzvideo für Instagram produziert, würde es sich anbieten, es auch auf TikTok oder YouTube Shorts zu posten, um zu testen, wie es bei der Community ankommt. Wichtig ist jedoch in diesem Fall, den Clip auf Dritt-Apps zu bearbeiten, sodass kein Wasserzeichen der Social-Media-Plattform zu sehen ist. Generell kann ich Unternehmen YouTube Shorts ans Herz legen. Das ist ein relativ neues Format für kurze, maximal 60 Sekunden lange Videos. Immer wenn ein Netzwerk neue Funktionen einführt, ist das ein guter Zeitpunkt, auf den Zug aufzuspringen und den First-Mover-Ansatz zu verfolgen. Warum? Die Netzwerke schenken dem Nutzer unbezahlt sehr viel Reichweite, wenn sie neue Funktionen etablieren möchten. Ein dritter Tipp: Interaktion mit den Followern. Das bedeutet: Auf Kommentare unter dem Post zu reagieren, Gegenfragen zu stellen, „Gefällt mir“ zu drücken. Jede Aktion bringt Reichweite. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kroll!

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