Qualität: Die Winzer in Franken setzen längst auf Klasse statt Masse. Daran haben die Winzergenossenschaften einen hohen Anteil.
Die wichtigsten Aussagen von Andreas Oehm
- Die GWF verzeichnet Schäden auf rund 40 Prozent der Gesamtfläche. Bei manchen Winzern sind nur wenige Rebstöcke betroffen, anderen droht ein Totalverlust.
- Glück im Unglück: Wenn es noch kälter gewesen wäre, hätten die Weinbauern mit deutlich höheren Verlusten rechnen müssen.
- Es gibt zahlreiche Methoden, mit denen die Winzer ihre Weinstöcke vor Frost schützen können. Eine Patentlösung gibt es jedoch nicht – vor allem, weil die Art des Frosts schwierig bis unmöglich vorherzusagen ist.
Herr Oehm, in der ersten Eisheiligen-Nacht Mitte Mai ist das Thermometer in Franken bis auf minus vier Grad gefallen. Die Kälte kann die Triebe der Rebstöcke irreparabel zerstören, einige Winzer berichten von verheerenden Schäden. Wie stark sind die Mitglieder der GWF von den Frostschäden betroffen?
Andreas Oehm: Wir verzeichnen Schäden auf rund 40 Prozent der Gesamtfläche. Das heißt jedoch nicht, dass auch 40 Prozent der Ernte ausfallgefährdet sind. Viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage, wie stark die jeweiligen Flächen betroffen sind. Und dabei gibt es erhebliche Unterschiede: Bei manchen Winzern sind nur wenige Rebstöcke betroffen, sie dürften nur geringe Einbußen bei der Ernte verzeichnen. Anderen Winzern hingegen droht ein Totalverlust. Verlässliche Zahlen dazu lassen sich noch nicht erheben, das genaue Ausmaß können wir erst bei der Ernte feststellen. Übrigens hatten wir – so hart es klingt – noch Glück im Unglück: Nur ein Grad kälter, und wir hätten eine Katastrophe erlebt.
Ein Grad Unterschied macht da so viel aus?
Oehm: Ja, das macht einen gewaltigen Unterschied. Viele Triebe sind nur halb getroffen, sie haben noch einige grüne Blätter. Das bedeutet, dass sie in den kommenden Wochen noch blühen und Trauben bringen können. Sind hingegen alle Blätter braun, ist das unwahrscheinlich. Am Weinberg merken Sie, wenn Sie von unten nach oben gehen, an welchen Stellen es wie kalt war. Es stand wirklich auf Messers Schneide.
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie auf 40 Prozent der Gesamtfläche Schaden haben. Warum sind einige Gebiete betroffen und andere nicht?
Oehm: Viele Orte hatten schlechte Voraussetzungen, weil es am Tag stark geregnet hat. Dann ist der Boden nass und kann keine Wärme abgeben, die Kälte zieht viel schneller in die Rebstöcke ein. Dazu kam der Wind: Da viel Kaltluft eingeströmt ist, waren vor allem ungeschützte Lagen stark betroffen. Ein weiterer Faktor ist der Nebel: Dieser schützt Weinberge vor Frost. Die Gründe sind also zahlreich und manchmal lassen sich nur Vermutungen aufstellen, warum ein Weinberg betroffen ist und ein anderer nicht. Am Wochenende nach den Eisheiligen bin ich durch etliche Weinbaugemeinden gefahren, um mir selbst ein Bild zu machen. Das Ergebnis: Es gibt Anlagen, bei denen auf der rechten Seite des Wegs alle Reben betroffen sind und auf der linken Seite keine. Und beim Nachbar 200 Meter später sieht es dann komplett anders aus. Dass die Lage bei so einer geringen Distanz so extrem uneinheitlich ist, verwundert mich selbst. Das müssen wir genau analysieren.
„Es ist extrem schwer, die richtige Maßnahme zur Bekämpfung des Frosts zu wählen.“
Das letzte Mal war Weinfranken im Jahr 2011 so stark von Frost betroffen. Haben es die Winzer versäumt, ihre Reben besser zu schützen?
Oehm: Nein! Frostschäden gibt es jedes Jahr – nur eben länger nicht mehr in diesem starken Ausmaß. Die Schutz-Möglichkeiten sind sehr vielfältig: Klassisch etwa die Frostrute, bei der eine zusätzliche Rute beim Rebschnitt stehen bleibt. Alternativ lassen sich Gelkerzen aufstellen, die für Wärme sorgen, oder Windräder installieren, die Luft aufwirbeln und dadurch Bodenfrost verhindern. Manche Winzergebiete ordern dafür sogar einen Helikopter! Bei kleineren Weinbergen kann es zudem Sinn machen, die Pflanzen mit feinen Wassertropfen zu besprühen. Das schützt ebenfalls.
Warum ist es trotz so vieler Schutzmöglichkeiten zu so erheblichen Schäden in diesem Jahr gekommen?
Oehm: Die Art des Frosts ist schwierig bis unmöglich vorherzusehen. Die Winzer müssen viele Faktoren bedenken: Wie tief fallen die Temperaturen? Für welchen Zeitraum? Kommt Wind dazu? Und so weiter. Das alles macht die Wahl der richtigen Maßnahme extrem schwer. Nehmen wir die Helikopterflüge. Diese machen wenig Sinn, wenn es starken Wind gibt. Oder Gelkerzen: Die sind einerseits teuer, andererseits braucht es genügend Arbeitskräfte, die diese kurzfristig aufstellen und anzünden. Die Frostrute ist ebenfalls kein Allheilmittel, wenn – wie in diesem Jahr – die Kälte so schnell in die Pflanzen zieht.
Es gibt also keine Patentlösung?
Oehm: Genau, wir Winzer sind immer ein Stück weit von der Natur abhängig. In dieser Situation lohnt es sich übrigens, Genossenschaftsmitglied zu sein. Die GWF hat ein Auszahlungssystem entwickelt, das die Liquidität der Mitglieder bestmöglich absichert. Das funktioniert so: Wir vermarkten jeden Jahrgang in der Regel für drei bis vier Jahre. Der anteilige Erlös jedes Jahrgangs wird dann zum jeweils festgelegten Quartal an die Winzer ausgezahlt. Auf diese Weise bekommen sie beispielsweise im März das Geld für den Jahrgang 2017, im Juni für den Jahrgang 2018 und im September für den Jahrgang 2019. Das sichert ihnen regelmäßige Einnahmen und ein ertragsschwaches Jahr fällt nicht so stark ins Gewicht.
Zu den Frostschäden kommt hinzu, dass die Tourismus-Region Mainfranken vom Verbot von Großveranstaltungen wegen Corona hart getroffen wird, schließlich können die Winzerfeste bis mindestens zum Herbst nicht stattfinden. Was für Strategien gibt es für die GWF, um die Ausfälle zu kompensieren?
Oehm: Wir müssen uns ohne Frage anstrengen, schließlich waren unsere Bistros viele Wochen geschlossen und in den Vinotheken gab es, obwohl sie geöffnet waren, einen deutlichen Kundenrückgang. An dieser Stelle kommt uns zugute, dass wir so breit aufgestellt sind. Die GWF ist im Lebensmitteleinzelhandel sehr stark positioniert und unterhält einen professionellen Online-Shop. Dadurch decken wir diejenigen Bereiche ab, die von der Krise nicht so stark betroffen sind oder gar besser laufen als sonst. Diese Botschaft ist mir wichtig: Auch in Zeiten von Corona können wir weiterhin Wein vermarkten und dafür sorgen, dass unsere Mitglieder von den Leistungen der Genossenschaft profitieren.
Vielen Dank für das Gespräch!